Der Flüchtlingsstrom reißt nicht ab und schon länger ist das „Rettungsschiff Deutschland“ bis über die Masten übervoll, es gibt keine Unterbringungsmöglichkeiten mehr. Überall regt sich auch unter den einst Wohlmeinenden und Hilfswilligen der Widerstand. Und den will Baden-Württembergs Ministerpräsident Kretschmann jetzt brechen. Er will den Gemeinden per Ordere de Mufti einfach Flüchtlingsunterkünfte aufzwingen!
Schon 2015 machte der Mann mit dem grimmen Gesicht Drohungen, als nicht alle Kommunen so begeistert von den Kulturbereicherern waren, die ihnen da ungefragt Turnhallen besetzten und Wohnraum wegnahmen – und dabei nicht nur aus dankbaren, höflichen und Schutz suchenden Mitmenschen bestanden.
„In Tamm bei Ludwigsburg gehen sie zu Hunderten auf die Straße, in Pforzheim stellt sich der Gemeinderat auch nach Monaten quer und in Ellwangen läuft die Zeit für das Land ab: In Baden-Württemberg gibt es zunehmend Widerstand gegen den Bau von Flüchtlingsunterkünften auf den Gebieten der Städte und Gemeinden. Aber dem Land sind die Hände gebunden. Es muss die Menschen aufnehmen und verteilen. Deshalb will die grün-schwarze Koalition den Druck auf die Kommunen notfalls erhöhen.“
Der Pforzheimer Gemeinderat will keine Erstaufnahmeeinrichtung (EA) für Geflüchtete in der Stadt. In der seit Monaten andauernden Diskussion um entsprechende Pläne des Landes votierte das Gremium am Dienstagabend mit deutlicher Mehrheit gegen eine EA.
Eine andere widerständige Kommune ist Ellwangen. Der Gemeinderat weigert sich beharrlich, die sogenannte Landeserstaufnahmeeinrichtung (LEA) noch weiter zu betreiben – und zwar mit großer Mehrheit. Auch ein Besuch des Ministerialdirigenten des baden-württembergischen Justizministeriums, Herr Stefan Lehr, konnte die Gemeinderäte nicht überzeugen.
„Wir erwarten, dass sich das Land Baden-Württemberg an die getroffenen Vereinbarungen hält. Darauf, meine ich, hat die Stadt Ellwangen einen Anspruch”, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Armin Burger am 30. November 2022. Das planmäßige Ende der LEA war 2015 für das Jahresende vereinbart worden. Natürlich waren die Grünen und die SPD dafür, dem Wunsch der Landesregierung nach unbegrenzter Weiterführung der LEA Ellwangen zu entsprechen. Schon damals machte Ministerpräsident Kretschmann Druck auf die Gemeinde.
„Ausgelegt ist die Unterkunft auf rund 1.000 Geflüchtete. Derzeit sind dort rund 1.100 Menschen untergebracht. In diesem Jahr sind bereits mehr als 140.000 Menschen aus der Ukraine nach Baden-Württemberg geflüchtet. Weitere 27.000 Menschen stellten einen Asylantrag oder wurden aus humanitären Gründen aufgenommen.“
Weil so langsam keine Gemeinde mehr die bisweilen gefährlichen Probleme mit den Flüchtlingen haben will und die Lokalpolitiker sich nicht dem Zorn ihrer Wähler aussetzen wollen, wird es eng mit den Unterkünften. Bürgerproteste lassen nichts Gutes für die nächsten Wahlen erwarten. Und nun macht Herr Ministerpräsident den Koffer mit den Folterinstrumenten auf. So schreibt die BILD:
Immer mehr Gemeinden wehren sich gegen den Bau neuer Flüchtlings-Unterkünfte. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (74, Grüne) droht Städten wie Tamm, Pforzheim und Ellwangen nun mit Konsequenzen. Als letzte Möglichkeit müssten Einrichtungen auch gegen den Willen der Städte entstehen können, kündigten Kretschmann und das Justizministerium an. „Wir müssen die Flüchtlinge unterbringen. Das ist eine Pflichtaufgabe“, hatte Kretschmann zuletzt betont. Der Zustrom werde nicht abreißen, „davon bin ich persönlich überzeugt“. Und letztlich müsse jede Einrichtung auf einem Gemeindegebiet stehen. „Wir haben keine gemeindefreien Gebiete mehr in Baden-Württemberg.“
Man denke im Ministerium bereits „konkret“ darüber nach, wie sich die Landesregierung gegen die Kommunen durchsetzen könne, ließ Herr Ministerpräsident Kretschmann verlauten: „Ein mögliches Instrument wäre neben der sogenannten Legalplanung, mit der Standorte aufwendig per Gesetz bestimmt werden, auch das Baurecht des Bundes. Es regelt Sonderregelungen für Flüchtlingsunterkünfte.“
Diese „Legalplanung“ entspringt aus dem „Gesetz zur Vorbereitung der Schaffung von Baurecht durch Maßnahmengesetz im Verkehrsbereich“, kurz: das Maßnahmenvorbereitungsgesetz – MgvG, das am 22 März 2020 im Bundesgesetzblatt veröffentlicht wurde.
Dabei ging es noch um den Ausbau des Verkehrs, von Bundesstraßen und Eisenbahnlinien, um zu verhindern, dass Kommunen sich sperren und den Ausbau des Straßen- und Schienennetzes zum Stillstand bringen können. Das war nach der Wiedervereinigung und der Verbindung der Verkehrswege zwischen den „alten“ und „neuen“ Bundesländern ein Problem.
Insbesondere klagten Umweltverbände damals gegen die Trassen, die durch Naturschutzgebiete führen sollten oder durch schützenswerte Feuchtwiesen oder andere Biotope. Das neue Gesetz machte die Klagen der Umweltschutzverbände unmöglich. Die einzige Möglichkeit dagegen wäre eine Verfassungsbeschwerde, was aber auch nicht zieht, weil die Verbände keine konkrete, individuelle Betroffenheit geltend machen können.
Die zwangsweise erbauten oder fortgeführten Flüchtlingsunterkünfte könnten sich auf eine Sonderregelung des Baurecht des Bundes für Flüchtlingsunterkünfte stützen. Doch der deutsche Städtetag warnt davor, sich dieser Sonderregelung für Flüchtlingsunterkünfte allzu diktatorisch zu bedienen. Die kommunale Planungshoheit ist nämlich verfassungsrechtlich abgesichert und kann eben nicht einfach ausgehebelt werden, wie im Falle von Verkehrswegen, die für ein Funktionieren der Wirtschaft und der Infrastruktur allgemein unverzichtbar sind. Außerdem müsste dieses Sonderrecht von der Bundesregierung und nicht von der Landesregierung ausgeübt werden – und das steht noch sehr infrage.
Überdies werden durch eine zwangsweise Weiterführung oder Neubauten von Flüchtlingsunterkünften auch sehr wohl individuelle Rechte verletzt und hier klagt auch nicht irgendein selbsternannter Verband, sondern es sind demokratische Entscheidungen von gewählten Vertretern der Bürgerschaft, die hier den Willen des Volkes umsetzen. Es wirft ein sehr bedenkliches Licht auf den Ministerpräsidenten Kretschmann, die Axt an die Grundpfeiler eines demokratischen Rechtsstaates legen zu wollen.
Es ist einmal wieder die AfD, die die Dinge beim Namen nennt. Der Vorsitzende der AfD-Fraktion im baden-württembergischen Landtag, Anton Baron, warf Ministerpräsident Kretschmann vor, demokratische Entscheidungswege mit rechtlichen Instrumenten außer Kraft setzen zu wollen, und forderte den Ministerpräsidenten auf, das Votum der Gemeinderäte gegen die Einrichtungen zu respektieren.
„Der Vorsitzende der FDP-Fraktion im Landtag von Baden-Württemberg, Hans-Ulrich Rülke, kritisierte den von der Landesregierung eingeschlagenen Kurs als ‚Holzhammermethode‘. Anstatt sich konkret mit den vorgebrachten Gründen zu beschäftigen, reagiere der Ministerpräsident unwirsch und starrsinnig. ‚So befördert er genau die Ablehnung vor Ort, statt verantwortlich den Dialog zu suchen‘.“
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