Eine andere Welt ist pflanzbar! Das wird Bayer-Monsanto nicht gefallen! Ein Landwirt hat die wirk­samste Methode gefunden, Nutz­pflanzen in Dür­re­ge­bieten anzu­bauen! (+Videos)

Land­wirt­schaft ist überall auf der Welt eine Wette gegen das Wetter, und schon jetzt bedrohen extreme Dürren samt Was­ser­knappheit, die Getrei­de­ernten. Extreme Dürre, der Ver­brauch von Wasser steigt auf Rekordhöhe. Nein, diese Meldung stammt nicht aus Afrika, sondern aus Europa. Nach dem Bericht des Welt­kli­ma­rates IPCC wird die globale Erwärmung all­gemein dazu führen, dass global die tro­ckenen Gebiete tro­ckener werden. Das trifft auch auf Europa als Ganzes zu. Und in der Tat, sind laut Dür­re­mo­nitor die Böden in einigen Regionen Deutsch­lands schon wieder zu trocken. Ein Grund, welches auch Bayer dazu nutzen könnte, endlich sein Wun­der­mittel gegen Dürre gewinn­bringend auch in Deutschland zu verkaufen. 

Schon lange ver­sucht der umstrittene Konzern Monsanto, der von Bayer über­nommen wurde, seine gene­tisch ver­än­derten Pflanzen, die gegen Dürre resistent sein sollen, als Wun­der­lösung für die Ernäh­rungs­si­cherheit zu ver­kaufen. In anderen Ländern ist Bayer mit seiner Wun­der­lösung gescheitert, so wie in Afrika. Afrika gilt als Test­gebiet für den Genmais und daher wird der Genmais auch als „Ein Mais für Afrika“ bezeichnet. „Gute Erträge auch bei Dürre“ heißt es und wird mit Ent­wick­lungs­hilfe gefördert. Doch nicht nur Tan­sania, sondern auch Süd­afrika  haben diese Lüge ent­larvt. Es hat sich her­aus­ge­stellt, dass der gen­ver­än­derte Mais bei extremer Dürre sogar schlechtere Erträge bringt. Und nicht nur der Mais ist gen­ma­ni­pu­liert, sondern sogar Obst und Gemüse. Und nicht ver­gessen, gen­ma­ni­pu­lierte Sorten, wie Getreide oder sogar Kar­toffeln, kommen nie alleine, sondern auch im Gepäck sind gesund­heits­ge­fähr­dende Pes­tizide wie Gly­phosat. In nur 100 Jahren gingen auf­grund von Mono­kul­turen über 75 Prozent der bio­lo­gi­schen Vielfalt ver­loren. Pflanzen, Insekten und Orga­nismen sind für die Nah­rungs­mit­tel­pro­duktion von ent­schei­dender Bedeutung, doch diese Arten­vielfalt geht ver­loren. Die UN-Lebens­mit­tel­be­hörde warnt deshalb vor der Bedrohung der welt­weiten Nah­rungs­mit­tel­pro­duktion durch man­gelnde Arten­vielfalt in der Umwelt. Wer die Debatten über die Land­wirt­schaft in den letzten zehn Jahren ver­folgt hat, wird fest­stellen: Durch die indus­trielle Land­wirt­schaft gibt es Was­ser­ver­un­rei­nigung und ‑ver­schwendung, Luft­ver­schmutzung, Boden­ver­nichtung und Schäden bei der lokalen Wirt­schaft. Indus­trielle Land­wirt­schafts­be­triebe behaupten, sie würden den Hunger in den armen Ländern der Welt beenden – doch der Großteil der Nah­rungs­mittel, die in Ent­wick­lungs­ländern angebaut werden, wird in reiche Länder expor­tiert! Eine andere Welt ist pflanzbar, das spüren bereits in den USA auch große Kon­zerne. Denn ein neuer Trend zur Indi­vi­dua­lität trifft Nestlé, Uni­lever, Mondelez, General Mills oder Kraft Heinz glei­cher­maßen. Jungen Start-ups dagegen kommt er zugute. Gerade die Silicon-Valley-Mil­li­ardäre inves­tieren lieber  in “gesunde Ernährung” statt Kon­zerne, die für ihr Junkfood bekannt sind. Und ein Mann, der schon vor Jahren erkannte, dass sich die Land­wirt­schaft ändern muss, ist  Paul Kaiser. Paul Kaiser zeigt mit seinem kleinen Hof, wie er trotz der Dürre reichlich erntet. Dieser kali­for­nische Landwirt hat eine Methode ohne Gen­ma­ni­pu­lation und Pes­ti­ziden  gefunden, Nutz­pflanzen in Dür­re­ge­bieten anzu­bauen! Kaisers System ermög­licht es ihm, fünf bis sieben Ernten pro Jahr zu ernten.

Der neue Trend in den USA – „gesund Essen“

Jeder, der an Amerika denkt, denkt auto­ma­tisch an Fastfood und unge­sunde Ernährung. Waren Fastfood-Ketten ein Teil des Ame­rican Way of Life, so setzen die an Fast-Food gewohnten Ame­ri­kaner  immer stärker auf gesunde Lebens­mittel. Bio-Super­märkte sprießen im ganzen Land wie Pilze aus dem Boden.

Immer mehr Restau­rants können es sich nicht mehr leisten, nichts Gesundes auf der Karte zu haben, und sie preisen diese auch mit der Kalo­rienzahl an und mit dem Zusatz „Wellness“. Sogar in  Schulen werden mitt­ler­weile 100% bio­lo­gische Mahl­zeiten ange­boten – alles Pro­dukte aus nach­hal­tigem Anbau und frei von gen­ver­än­derten Orga­nismen. In den USA hat sich seit einigen Jahren ein medial sehr prä­sentes Gesund­heits­be­wusstsein ent­wi­ckelt. Der Kampf gegen Über­ge­wicht – vor allem bei Kindern – wird offensiv ange­gangen. Dass Colas und andere Soft­drinks absolute Kalo­rien­bomben sind, wird den meisten Kindern bereits in der Schule bei­gebracht, dem­entspre­chend sehen auch die Umsätze der Kon­zerne aus, die „unge­sunde“ Lebens­mittel anbieten – sie gehen zurück. Wer als Konzern nun nicht auf­passt und dem Ver­braucher nicht bio­lo­gische Lebens­mittel anbietet, hat verloren.

Gerade die Silicon-Valley-Mil­li­ardäre inves­tieren lieber in „gesunde Ernährung“. So gründete Elon Musks Bruder ein Farm-to-Table-Restaurant, das Gerichte für 5 $ anbietet und Organic fast-food drive-thru joint wurde vom Berufs-Bas­ketball-Spieler Ray Allan gegründet.

Oder das Bei­spiel von And­re­essen Horowitz, eine private ame­ri­ka­nische Risi­ko­ka­pi­tal­firma, die 2009 von Marc And­re­essen und Ben Horowitz gegründet wurde. Weil sie als viel­be­schäf­tigtete Unter­nehmer  nicht mehr über Lebens­mittel nach­denken wollten und für sie eine gesunde Ernährung wichtig war, grün­deten die beiden ein eigenes Unter­nehmen mit dem Namen Soylent.  Sie inves­tierten 20 Mil­lionen US-Dollar.

Mit Stand­orten in Kali­fornien, Colorado, Illinois, Nevada, Ten­nessee, New York City und Texas wurde Lyfe Kitchen mit Sitz in Palo Alto im Jahr 2011 gegründet und es gewinnt seitdem immer mehr an Bedeutung und zahl­reiche neue Investoren.

Schul­spei­sungen sind bekanntlich weit davon ent­fernt, nahrhaft zu sein, aber Revo­lution Foods hat dies geändert. Dieses Unter­nehmen stellt pro Woche mehr als eine Million gesunde und frische Mahl­zeiten her und ser­viert Lebens­mittel, die frisch ver­ar­beitet werden. haben keinen Mais­sirup mit hohem Frucht­zu­cker­gehalt, künst­liche Aromen oder Zusatz­stoffe. Revo­lution Foods sorgt dafür, dass Kinder in der Schule eine ange­messene Ernährung erhalten (ins­be­sondere Kinder, die an kos­ten­losen und redu­zierten Mahl­zeiten teil­nehmen), was eine sehr gute Sache ist, das fand auch der Mit­be­gründer von AOL, Steve Case  und inves­tierte 30 Mil­lionen US-Dollar in das Unternehmen.

Aller­dings setzt sich dieser Trend vom „gesunden Essen“ nicht unbe­dingt in Deutschland fort, wie eine aktuelle Studie zeigt

 

Die Deut­schen sehen sich als Pio­niere für gesunde Ernährung und nach­haltige Nah­rungs­mit­tel­pro­duktion und glauben, dass die Men­schen in anderen Ländern sich dieser Pro­ble­matik weniger bewusst sind. Doch das Gegenteil ist der Fall: Während die US-Ame­ri­kaner schon länger Fast Food meiden, steigt der Umsatz in Deutschland. Auch andere Länder achten ver­mehrt auf gute Ernährung. Mexiko war sogar das erste Land, welches etwas gegen das „Dick­werden“ seiner Bürger unter­nommen hat. In allen Ländern kaufen bei­spiels­weise rund zehn Prozent der Ver­braucher Bio­fleisch. In Deutschland ist die Ent­scheidung für Bio­fleisch eher ein Wunsch­denken. Die Deut­schen sind für ihre offen­sicht­lichen Wider­sprüche bekannt.

Das Ver­brau­cher­ver­halten im 21. Jahr­hundert ist von Natur aus wider­sprüchlich: Sie möchten alles haben – höchste Qua­lität und öko­lo­gische und ethische Pro­duktion – und gleich­zeitig die güns­tigsten Preise. Genau damit beschäftigt sich auch die Werbung und sie hat sich darauf spe­zia­li­siert, Schnäpp­chen­jäger und Bio-Fans, obwohl ein deut­scher Wider­spruch, zu „befrie­digen“. Dies mit Erfolg, es reicht ein tolles Siegel, dazu noch Akti­ons­preis und so kauft der Deutsche die Ware, die eigentlich als ungesund gilt. Ob nun Pizza aus der Kühl­truhe oder schnell ein Snack bei McDo­nalds und Burger King, nicht nur die Pfunde steigen, sondern auch der Umsatz.

Laut Bun­des­mi­nis­terium für Land­wirt­schaft und Ernährung werden in Deutschland auf gerade mal 1% der land­wirt­schaftlich genutzten Fläche werden Obst und Gemüse angebaut. Nimmt man den Anbau von Kar­toffeln hinzu, sind es 2%. Übrigens nimmt auch der Deutsche Spargel viel Platz ein und zwar rund 22.400 Hektar. Das ent­spricht rund 18 Prozent der bun­des­deut­schen Anbau­fläche von Gemüse im Freiland. Dieser Spargel wird übrigens expor­tiert, während Spargel aus Peru und sogar China impor­tiert wird. Deutschland kann sich nicht selber ernähren, davor wurde Deutschland sogar schon mehrfach von der Welt­or­ga­ni­sation für Ernährung gewarnt.
Da alles billig angebaut werden soll, wird vieles auch in Afrika angebaut. Da aber in diesen Ländern eine schreck­liche Dürre herrscht, kommt es zu Lieferengpässen. 

Mega-Dürre bedroht Kalifornien

Reflection: A Walk with Water

Wasser spielt hier in Kali­fornien eine große Rolle. Es geht nicht nur um das Vor­han­densein oder Fehlen von Regen, obwohl das wichtig ist. Seit über 100 Jahren werden riesige Was­ser­mengen aus dem Central Valley und dem Colorado River umge­leitet, um Los Angeles und Umgebung mit Wasser zu ver­sorgen. Genau, damit beschäftigt sich eine neuer Doku­men­tarfilm: Reflection: A Walk with Water–  „Ein Spa­ziergang mit Wasser“.

In Reflection: A Walk with Water (Ein Spa­ziergang mit Wasser) wandert der Fil­me­macher Emmett Brown mit einer Gruppe die gesamte Länge des Aquä­dukts vom heu­tigen tro­ckenen Owens Lake Bed bis zu den Kas­kaden, die die Berge hin­unter in die Stadt führen. Entlang des Weges über­legen er und andere, was diese Umleitung von so viel Wasser das Land gekostet hat.

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Die Bedin­gungen, die Leben ermög­lichen, ändern sich schnell. Der 30-jährige Fil­me­macher rechnet mit dieser Rea­lität an der Schwelle zu einer wei­teren Tro­ckenzeit, die seine Gemeinde ver­wüsten könnte, und begibt sich auf eine bemer­kens­werte Reise. Und er trifft auf seiner Reise auch auf Singing Frogs Farm, die Farm von Paul Kaiser. Paul Kaiser zeigt mit seinem kleinen Hof, wie er trotz der Dürre reichlich erntet.

Singing Frogs Farm

Kennen Sie Paul Kaiser und seine Singing Frogs Farm?

Wir hatten Ihnen Paul Kaiser bereits schon vor­ge­stellt. Doch da auch Europa das Wasser ausgeht, zeigen wir Ihnen, wie Paul Kaiser mit der „Dürre tanzt“.

 

Erst im März 2023 fand ein Workshop für Cli­ma­te­farm­school statt und Paul Kaiser schreibt auf Facebook: „Nichts ist so früh­lingshaft wie ein prak­ti­scher Workshop zum Thema Direktsaat. “

Mitt­ler­weile sind Paul Paul und Elizabeth Kaiser von der Singing Frogs Farm in Sebas­tapol, Kali­fornien, in ganz USA bekannt und waren auch die Haupt­redner der 30. jähr­lichen NOFA/Mass Winter Con­fe­rence. Ihre Gemü­sefarm ist nicht nur nach­haltig – sie ist auch regenerativ.

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Wir haben Paul Kaisers Geschichte aus dem CRAFT­SMANSHIP Magazine über­setzt, denn Land­wirt­schaft geht auch anders, ohne GVO und Pestizide!

 

Der mit der Dürre tanzt – Paul Kaiser galt als umstrit­tener kali­for­ni­scher Landwirt, der die wirk­samste Methode gefunden hat, Nutz­pflanzen in einem sich erwär­menden Klima anzubauen?

Eines Nach­mittags im ver­gan­genen März ver­sam­melte sich eine Gruppe von Land­wirt­schafts­experten um einen 1,20 m hohen stäh­lernen Pfosten auf einem kleinen Hof, den Paul Kaiser in einem besonders kühlen Tal in Sebas­topol betreibt. Die Experten waren gekommen, um Tiefe und Qua­lität von Kaisers oberster Erd­schicht zu testen. Einer von ihnen, der alt­ge­diente Landwirt Tom Willey, lehnte sich auf den Pfosten, um ihn so tief in die Erde zu stoßen wie möglich. Nor­ma­ler­weise stößt man mit dem Pfosten nach weniger als 30 cm auf harten unfrucht­baren Unter­grund. Aber auf Kaisers Feld ließ sich der gesamte Pfosten in die Erde drücken, wobei Willey fast hinfiel. „Wow, das ist unglaublich“, sagte er und über­legte, ob er viel­leicht das Loch eines Erd­hörn­chens erwischt hatte. „Noch mal! Noch mal!“, sagte Jeff Mit­chell, lang­jäh­riger Pro­fessor für Land­wirt­schaft an der der kali­for­ni­schen Uni­ver­sität in Davis.

Die Gruppe wie­der­holte die Übung immer wieder mit Erfolg, um Fotos zu machen und um sicher­zu­gehen, dass Kaiser wirklich die tollen Dinge ange­wendet hatte, über die er spricht und die er fast unauf­hörlich tut, was nicht gerade einfach ist. Kaiser, ein über­spru­delnder frü­herer Holz­ar­beiter von erst 40 Jahren, bewirt­schaftet nur 3,2 Hektar Land und erntet nur auf circa einem Hektar. Nichts­des­to­we­niger stehen seine Methoden an vor­derster Stelle einer (zumindest in den USA) neuen Farmer-Bewegung, die ange­sichts einer kli­ma­tisch sich ver­än­dernden Welt mit gerin­geren Nie­der­schlägen gegründet wurde, um enorme neue Mög­lich­keiten zu eröffnen und zu eta­blieren. Man könnte diese Methode als nach­haltig auf der Basis von Ste­roiden (Pflan­zen­wachs­tums­hor­monen) bezeichnen, weil sie einen beträcht­lichen Gewinn erzeugen kann. Im ver­gan­genen Jahr erwirt­schaftete Kaisers Farm im Sonoma County mehr als 100.000 $ pro Acre und damit das Zehn­fache des durch­schnitt­lichen Ein­kommens ver­gleich­barer kali­for­ni­scher Farmen. Dazu gehören auch Sonomas legendäre Wein­berge, die schon vor Jahr­zehnten Farmland über­nommen hatten, weil Wein­trauben heut­zutage viel lukra­tiver als Acker­früchte sind, wenigstens bei der Methode, nach der die meisten Farmer sie anbauen.

Kaiser erreicht dies alles, ohne auch nur einen Qua­drat­zen­ti­meter seines Bodens zu pflügen, ohne Unkraut zu jäten und ohne zu sprühen — egal ob Chemie oder Orga­ni­sches. Während die meisten Land­wirte, sogar solche von orga­ni­schen Vor­zeige­farmen, ständig mit ver­schie­denen Dün­ger­cock­tails „her­um­basteln“, kon­zen­triert sich Kaiser nur auf eines: auf einen Haufen ver­rot­tender Lebens­mittel und Pflanzen, gemeinhin als Kompost bekannt, und zwar recht viel davon. Kaiser behandelt dann diesen Kompost durch eine seltene Mischung von sowohl alten als auch neuen land­wirt­schaft­lichen Ver­fahren, die alle nur das Ziel haben, orga­ni­schen Abfall und Schmutz in den reich­hal­tigsten, frucht­barsten Saat­boden zu ver­wandeln, der möglich ist. „Es ist ein­zig­artig“, erzählte Mit­chell mir nach seinem Besuch. „Ich habe nie zuvor etwas gesehen, das auch nur annä­hernd daran kommt“.

Kaisers Farm mag winzig sein im Ver­gleich zu den Mega-Farmen, die heute die meisten Ame­ri­kaner ernähren. Aber alle von Kaisers Methoden werden in gewisser Weise von weitaus grö­ßeren Betrieben innerhalb und außerhalb der USA ange­wendet— mit wach­sendem Erfolg. Kaiser kom­bi­niert all diese Ver­fahren an einem Ort und steigert einige von ihren ins Extrem und hat dadurch seine Farm in ein unge­wöhn­liches und zunehmend umstrit­tenes Feld­ex­pe­riment ver­wandelt. Wenn man seinen Erfolg bei diesem Expe­riment bis jetzt beur­teilt, könnte Kaiser viel­leicht nicht alle „Glei­chungen gelöst“ haben, wie er denkt. Was aber zählt, ist der Ehrgeiz seiner Bemü­hungen — und seine Ziel­ori­en­tierung. Viel­leicht kann man solche Bemü­hungen und ihre erreichten Ziele als Orga­nische Land­wirt­schaft 2.0 bezeichnen, weil die stan­dard­ge­mäßen Ver­fahren orga­ni­scher Land­wirt­schaft bisher ihre Umwelt­ziele nicht erreicht haben.

„Bei einigen der orga­ni­schen Farmen sind die Böden unglaublich zer­stört“, sagte mir kürzlich  Ray Arch­uleta, ein Agronom des US-ame­ri­ka­ni­schen Land­wirt­schafts­mi­nis­te­riums. Der Grund, den Arch­uleta mir nannte, ver­stößt eigentlich gegen jede Intuition: Während sie Che­mi­kalien ver­meiden, halten die meisten orga­ni­schen Land­wirte an im Wesent­lichen künst­lichen Kul­tur­me­thoden fest, die größ­ten­teils darin bestehen, den Boden mit Eggen und Pflügen auf­zu­reißen, so wie es kon­ven­tio­nelle Land­wirte tun, um ihn dann bis zur nächsten Saison lie­gen­zu­lassen. Sie ver­brauchen auch zu viel Wasser. Um Arch­uletas Aussage zu unter­mauern: In den fünf Jahren, seit Kaiser auf­hörte, seine Felder zu pflügen, ver­brauchte er halb so viel Wasser zur Bewäs­serung seiner Felder, bis hin zu einer Stunde pro Woche, während seine Felder immer mehr her­gaben. Inzwi­schen bewässert er nur noch mit einen Trop­fen­system mit­hilfe von dünnen Plas­tik­röhrchen, während einige seiner orga­ni­schen Nach­bar­kol­legen immer noch Sprinkler ver­wenden, die massive Was­ser­mengen ver­brauchen, von denen ein großer Teil durch Ver­dunstung verlorengeht.

Das ist groß­artig. Wie jeder inzwi­schen weiß, erlebt Kali­fornien gerade eine his­to­rische Dür­re­pe­riode. 2014 war das bisher hei­ßeste doku­men­tierte Jahr. In der Panik­welle im ganzen Bun­des­staat ver­fielen ver­zwei­felte Farmer darauf, auf eigene Kosten nach Quellen zu bohren. Infolge all dessen sank in Kali­fornien der Grund­was­ser­spiegel, sodass in einigen Gegenden Kali­for­niens  land­wirt­schaft­liche Flächen brach lagen. In einigen Gemeinden des Haupttals sank der Boden so stark, dass ein ört­licher Damm um circa einen Meter innerhalb von fünf Jahren absank. Im mitt­leren Westen sind die Umstände nicht viel besser. Die „Dust Bowl“ (Staub­schüssel) der der großen Depression in den 1930er-Jahren wie­derholt sich gerade an ziemlich den­selben Orten, die sie auch damals traf: den öst­lichen Teil von Colorado, Neu-Mexiko, Nebraska, Texas, Kansas und Oklahoma.

Die Dürre ist der offen­sicht­lichste Grund für diese Pro­bleme. Aber die geringen Regen­fälle heben das Problem hervor und erschweren es, ein Problem, das jahr­zehn­telang gewachsen ist: die stetige Aus­dünnung des frucht­baren ame­ri­ka­ni­schen Bodens. „Ich hätte niemals geglaubt, die „Dust Bowl“ wieder erleben zu müssen“, sagt Arch­uleta. „Wir haben Bil­lionen Dollar aus­ge­geben und sind noch keinen Schritt weiter. Was geht hier vor?“

Die Frage, die Arch­uleta auf­wirft, ent­wi­ckelt sich als vor­rangig, wie Wet­ter­auf­zeich­nungen des ame­ri­ka­ni­schen Westens deutlich auf­zeigen. Im Jahr 2014 gab es in Kali­fornien prak­tisch keine Regen­nie­der­schläge bis zum Dezember. Als die ersten endlich kamen, waren sie sint­flut­artig und erbrachten in manchen Gebieten die acht­fache Menge der für den Monat nor­malen Menge. Immerhin war es so warm, dass es kaum Schnee auf den Bergen gab — eine Kata­strophe, denn Schnee ist sehr wichtig, um Kali­fornien während der langen tro­ckenen Som­mer­monate bewässern zu können.

Nach den frühen Regens­int­fluten im Dezember herrschte wieder die übliche Tro­ckenheit. Gemäß den Klima-Experten wird dieses Muster wohl zur neuen Norm und es wird eher noch schlimmer im Verlauf der fol­genden Jahre. Drei nam­hafte Vor­her­sagen (zwei davon von US-Agen­turen und eine aus Japan) stellten kürzlich fest, dass 2014 das hei­ßeste Jahr seit Beginn der Auf­zeich­nungen war.

Diese Dür­re­pe­rioden sind nicht nur ein Problem der West­küste. Kali­fornien galt lange als der vor­rangige „Super­markt“ des Landes, der mehr als 90 Prozent seiner Arti­schocken, seines Sel­leries, Knob­lauchs, seiner Pflaumen, Kiwis und Wal­nüsse pro­du­ziert und mehr als 50 Prozent von prak­tisch jeder anderen Frucht und jedem anderen Gemüse, das gegessen wird. Wenn man Kaisers Farm aus dieser Per­spektive sieht, erkennt man ganz klar die Bedeutung von seiner Arbeit.

Singing Frogs Farm

Die Weisheit der Wälder

Ich traf Kaiser zum ersten Mal im letzten Herbst bei einer Kon­ferenz  zur Erhaltung der Land­wirt­schaft im Napa Valley, bei der er sein Konzept vor­stellte. Er trug einen aus­tra­li­schen Cow­boyhut aus Leder, der so abge­wetzt war, dass der Faden seiner Krempe seine Augen ver­hüllte wie ein kaputter Lam­pen­schirm. Kaiser hatte 10 Minuten zur Ver­fügung, um in einem Neben­forum sein Konzept vor­zu­stellen, für das er eigentlich zwei Stunden benötigt. Die Beschränkung schien jedoch kein Problem zu sein. Kaiser liebt Zahlen, die sein Gehirn schneller aus­spuckt, als sein Mund sie for­mu­lieren kann. In seinen Vor­trägen übt man das schnelle Zuhören, so als ob man bei einer Band­auf­nahme den schnellen Vorlauf eingibt. Er gibt dra­ma­tische Aus­sagen von sich, die eher zu einem Träumer der 1960er-Jahre passen würden. Einige wirken erst ein bisschen wackelig, aber die meisten erweisen sich nach Prüfung als wis­sen­schaftlich solide bewiesen.

[Foto­un­ter­schrift] Dank seines Systems kann Kaiser fünf bis sieben Mal pro Jahr ernten. Die meisten Farmer schätzen sich glücklich, wenn sie zwei schaffen.

Ehe Kaiser seinen Vortrag im Napa Valley beendete, prä­sen­tierte er der kleinen Zuhö­rer­schaft Dias, die die nega­tiven Aus­wir­kungen orga­ni­scher Sprüh­ver­fahren zeigten, den über­wäl­ti­genden Gegensatz zwi­schen der Frucht­barkeit seiner Felder und der seiner Nachbarn und hau­fen­weise Sta­tis­tiken der Regierung und solche von Uni­ver­si­täten. (Laut einer Zeit­schrift, die er prä­sen­tierte, ist die Land­wirt­schaft für 30 Prozent der Treib­hausgase ver­ant­wortlich; laut einer anderen könnten 89 Prozent von diesen  durch bessere Anbau­me­thoden ver­mieden werden. Eine weitere kam zu dem Schluss, dass die Land­wirt­schaft ihre Bei­träge zu den Treib­haus­gasen viel bil­liger redu­zieren könne als andere Indus­trie­zweige.)  Als eine Frau unter den Zuhörern Rat suchte und ihn fragte, wie sorg­fältig er alte Pflan­zen­über­bleibsel er während der Ernte ent­sorgt, ras­selte er eine lange Erklärung her­unter, warum er deren Wurzeln an Ort und Stelle lässt. (in Kürze, um den Würmern Nahrung zu geben, die wie­derum den Boden ernähren). Kaiser beendete seinen Vortrag mit einer ehr­gei­zigen Defi­nition von land­wirt­schaft­licher Nach­hal­tigkeit — und benutzte dazu eine Kreis­grafik mit drei Seg­menten. „Nach­haltige Land­wirt­schafts­me­thoden sind nur ein Bereich“, sagte er. „Wirt­schaft­liche Nach­hal­tigkeit ist ein zweiter und die soziale ein dritter“.

Kaiser stellt sich eine Welt vor, in der jede Stadt von kleinen gesunden Farmen umgeben ist wie der seinen — sogar in den tro­ckensten Regionen der Erde. Er schätzt, dass der höhere Ertrag, den diese Farmen erwirt­schaften können, es ihnen erlaubt, mehr Arbeiter ein­zu­stellen, und dass die Arbeiter kommen, weil die Arbeit qua­li­fi­ziert, Vollzeit und gut bezahlt ist. Kaiser argu­men­tiert, dass das, was Men­schen weltweit am meisten benö­tigen, gute Arbeits­stellen sind. Rein zufällig war es genau das Argument, das niemand anderer als die Weltbank, die Orga­ni­sation für Wirt­schaft­liche Zusam­men­arbeit und Ent­wicklung sowie die Ver­einten Nationen in einem ent­spre­chenden Bericht im Herbst 2014 ver­öf­fent­lichten. Kaiser glaubt so sehr an diese Zukunft und sein Modell, dass er seine Visionen „mis­sio­niert“, wo immer er die Gele­genheit bekommt — bei Kon­fe­renzen und Gemein­de­ver­an­stal­tungen, in seinen News­lettern und gegenüber Besu­chern seiner Farm.

Diese Mis­sio­nie­rungen werden von manchen Farmern in Sonoma und anderswo nicht so gern gesehen. Sie schätzen seine groß­spre­che­ri­schen Ver­gleiche nicht. Einige beschreiben ihn als „Bes­ser­wisser“. Einige glauben, dass sein System öko­lo­gisch gefährlich sei. Anderen finden nichts Beson­deres bei den Prak­tiken, die er feil­bietet. „Es hört sich an wie ein großer Garten“, sagte mir Ed Thompson, lang­jäh­riger Direktor des Ame­rican Farmland Trust. „Wie viele solcher klit­ze­kleiner Farmen benö­tigen wir denn dann, um uns zu ernähren? Könnte unser Wirt­schafts­system so etwas unter­stützen? Gäbe es genügend willige Farm­ar­beiter?“ Für Warren Weber, einen der ersten großem orga­ni­schen Farmer des Staates und den bekannten Gründer der Star Route Farms in Bolins,  ist Kaiser einfach nur naiv. „Es gibt nicht DEN voll­kom­menen Weg“, sagte Weber. „Er wird sich sehr ver­ändern, während er weiter Land­wirt­schaft betreibt“. Immerhin glauben einige andere, dass Kaiser etwas Gutem auf der Spur ist. Immer wieder kommen Men­schen auf seine Farm und suchen Rat beim Versuch, sein System selbst zu ver­wirk­lichen, und einige wenige haben dabei bereits ihr Ein­kommen gesteigert. Sogar der ame­ri­ka­nische Kon­gress gab 2013 eine Emp­fehlung zu seiner Arbeit. Bei einem kürz­lichen Sonntag-Regio­nal­markt wandten sich Ver­treter dreier ver­schie­dener land­wirt­schaft­licher Orga­ni­sa­tionen an Kaiser und baten ihn um Rat oder Hilfe bei ihren Bemü­hungen. Inzwi­schen quellen die Säle über, wenn Kaiser als Redner ange­kündigt wird. Im Januar 2015 sprach er vor einem vollen Saal bei der EcoFarm Con­fe­rence in Pacific Grove, Kali­fornien. Seit 1981 findet dieses fünf­tägige inno­vative Fes­tival statt, das sich zur größten Ver­an­staltung über nach­haltige Land­wirt­schaft im ame­ri­ka­ni­schen Westen über­haupt ent­wi­ckelt hat. Während Kaiser bei frü­heren Ver­an­stal­tungen eher über Son­der­ge­biete gesprochen hatte, stellte er hier nun zum ersten Mal sein kom­plettes System vor. Hörbar schnappten die Zuhörer nach Luft, wenn er von seinen astro­no­mi­schen Pro­fiten oder dem astro­no­mi­schen Ausmaß seiner Boden­frucht­barkeit sprach.

Die Situation ähnelt der eines Pre­digers, der das Evan­gelium verkündet.

Schon als Kind war Kaiser von Erde besessen, weiß seine Mutter. War diese Neigung gene­tisch bedingt? Obwohl seine Familie immer noch Kür­bisse in Illinois für Libby’s anbaut, wuchs Kaiser selbst in einer nord­ka­li­for­ni­schen Vor­stadt auf. Mit 20 suchte Kaiser, ein mus­ku­löses Bündel von Energie und Neugier, nach dem Geheimnis eines gesunden Pflan­zen­lebens. Er nährte seine Suche durch eine Reihe rast­loser Studien, die ihm höhere aka­de­mische Grade ein­brachten in den Bereichen Inter­na­tionale Bezie­hungen, Ver­waltung natür­liche Res­sourcen und nach­haltige Ent­wicklung. Eine seiner ersten gärt­ne­ri­schen For­schungen nahm er 1998 in West­afrika vor während einer Aufgabe für das Frie­dens­korps. Kaiser wurde nach Gambia geschickt, einem kleinen Land nahe der Sahara, das einst einer der großen Player im Skla­ven­handel war. Seine Aufgabe war es, die aus­ge­dörrte Land­schaft wie­der­zu­be­leben, die er mit einer Kom­bi­nation von Land- und Forst­wirt­schaft (agro-forestry) in Angriff nahm.

Obwohl heute kaum prak­ti­ziert, ist Land-Forst­wirt­schaft eine Jahr­hun­derte alte Methode, die auf einem sehr ein­leuch­tenden Prinzip basiert: Wenn man mit einer Auswahl an Bäumen beginnt, die alle ver­schiedene Auf­gaben über­nehmen können —  Wind­schutz und Mulch z. B. oder das Bewahren von Wasser, von Nähr­stoffen oder Bodenkrume—wird Frucht­barkeit die Folge sein. Kaiser sam­melte zuerst Baum­samen und pflanzte sie überall. Auch errichtete er einen kleinen Ver­suchs­garten mit Gemü­se­sorten, die die Dorf­be­wohner nie oder nur selten zuvor gesehen hatten—Kohl, Paprika und etwas Salat.

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Kaisers Äcker von etwas mehr als zwei Acres ist nach den Stan­dards der meisten Land­wirte ein unge­ord­netes Sam­mel­surium — keine großen, weiten, sorg­fältig gepflügten Felder; keine end­losen Reihen von immer den­selben Acker­früchten. Jedoch erkennen immer mehr Land­wirte, dass wenn sie eine Mischung von Früchten pflanzen und sie mit Bäumen, Büschen, Blumen umgeben und den unzäh­ligen Insekten, die diese anziehen — dann wächst die Produktivität.

Gambia leidet sowohl unter sen­gender Hitze als auch unter geringem Regen. Die einzige ver­läss­liche Was­ser­quelle in Kaisers Gemein­schaft war ein 35 m tiefer Brunnen. Darum folgte Kaiser einer leider meist miss­ach­teten Grund­regel: Schütze deinen Boden. „Ich nahm alles, was ich an Ästen, Zweigen und Blättern noch in den fast zer­störten Wälder finden konnte“, sagt Kaiser, „und warf sie auf die Gar­ten­beete. Den Rest wird das Leben selbst über­nehmen“. (So roman­tisch diese Behauptung klingen mag, funk­tio­niert diese Maß­nahme aus ein­fachen bio­lo­gi­schen Gründen: Boden, der abge­deckt ist, bleibt feuchter und kühler; dadurch bilden Pflanzen ihre Wurzeln und deren guten Mikroben näher an der Ober­fläche, wo es die meisten Nähr­stoffe gibt.) Sehr bald stellte Kaiser fest, dass er wesentlich weniger Brun­nen­wasser brauchte als die Dorf­bauern. „Sie müssen 100 Eimer täglich schöpfen, während ich nur 20 alle zwei Tage brauche.“

Während er die Dorf­felder weiter ent­wi­ckelte, ver­liebte er sich in Elizabeth Johnson, eine Volon­tärin des benach­barten Frie­dens­korps, die sich in ihn und seine Mission ver­liebte. Johnsons Familie stammt aus Holcomb, Kansas — einem trost­losen Flecken des Mitt­leren Westens von zweifach trau­riger Berühmtheit: die Morde, die Truman Capote zu seinem Meis­ter­stück „Kalt­blütig“ (In Cold Blood) inspi­rierten, und ein Teil des ver­dorrten Landes, das Teil der Dust Bowl wurde. (Bis vor kurzem konnten immer noch Lebens­mit­tel­kon­serven hinter den Wänden der Fami­li­en­garage der Johnsons gefunden werden — sie zeugen noch heute von der kata­stro­phalen Wirkung der Dust Bowl auf die Bewohner.)  Während ihrer Zeit in Gambia fiel Johnson, die Abschlüsse in Öffent­licher Gesundheit und Kran­ken­pflege hat, auf, wie sehr die Dorf­be­wohner darum kämpfen mussten, um von ihrer Ernte so gerade leben zu können. „Wenn sie einen Man­gobaum pflanzten, kostete es sie solche Mühe, ihn zu erhalten!“, sagte sie mir. „Dann durch­brach eine Ziege ihren Zaun und zer­störte den Baum, weil sie selbst hungrig war“. Während Kaisers Garten wuchs und gedieh, beob­achtete Johnson, wie die ört­lichen Bauern zunehmend neu­gierig wurden. Nach und nach erkannten die Dorf­be­wohner, dass auch sie etwas anderes anbauen könnten außer Hirse und Erd­nüssen, die ihre Grund­nah­rungs­mittel seit Gene­ra­tionen gewesen waren.

In das Herz der Krume

Schwarz­maler warnen seit Beginn des Ackerbaus vor dem Miss­brauch des Bodens, wenigstens seit 5000 v. Chr. Wir wissen aber auch seit 1882, wie man seine Frucht­barkeit wie­der­her­stellt, denn in diesem Jahr ver­öf­fent­lichte Charles Darwin eine seiner weniger bekannten Ent­de­ckungen: Der Mut­ter­boden wird durch nichts anderes geschaffen als durch den kleinen, aber feinen Regenwurm, und zwar in einer Menge von 10 bis 20 Tonnen pro Acre. (Regen­würmer erschließen Fels­ge­stein, mischen dabei dessen Mine­ralien mit Wurzeln, Blättern und anderen bio­lo­gi­schen Über­bleibseln zu einer schönen, voll­wer­tigen Mahlzeit. Seine Aus­schei­dungen sind fruchtbare Erde.) Aber wenn diese Erde zu Staub pul­ve­ri­siert wird, wie es auf der ganzen Erde geschieht, gibt es für den Wurm nichts Ver­zehr­bares mehr darin—oder, im wei­teren Sinne, für den Rest des Ökosystems.

Über die letzten Jahr­zehnte haben boden­kundige Wis­sen­schaftler her­aus­ge­funden, dass dieses Öko­system weitaus reich­hal­tiger ist als alles, was man je an Land oder im Meer gefunden hat. Einige zählten mehr Orga­nismen in einem ein­zigen Tee­löffel Erde, als es Men­schen auf der Erde gibt. Andere wie Noah Fierer, ein auf mikro­bielle Öko­logie spe­zia­li­sierter Pro­fessor der Uni­ver­sität Colorado, fanden, dass die bio­lo­gische Vielfalt des Bodes so weit­rei­chend ist, dass sie nicht in DNA-Tests erfasst werden kann. Unter einem Mikroskop sieht die Boden­probe in dem Tee­löffel aus wie eine Kreuzung des Ama­zonas-Dschungels mit einen belie­bigen exo­ti­schen tro­pi­schen Koral­lenriff, in dem es wimmelt von Algen, Plankton und mons­trösen Geschöpfen aus einem Jules-Verne-Roman. All diese unsicht­baren Lebe­wesen arbeiten zusammen, sie stärken den Boden, damit er Wasser halten, Erosion wider­stehen, die Pflanzen mit Nähr­stoffen füttern und ihr Immun­system stärken kann, und, wie vor­her­ge­hende Studien nahe­legen, sym­bio­tische Mikroben im mensch­lichen Ver­dau­ungs­ap­parat sti­mu­liert, während wir diese Pflanzen essen, die unser Immun­system stärken. Unter Berück­sich­tigung all dessen können Kaiser und die wach­sende Zahl seiner Befür­worter nicht ver­stehen, wie wir die Welt unter unseren Füßen behandeln. „Was erschafft Leben?“, fragt Kaiser. „Sonne, Regen und Boden. Nur eines dieser drei Dinge können wir beein­flussen — den Boden. Der Boden kann als ein­ziger hier auf unserem Pla­neten den Tod auf­nehmen und ihn in Leben zurück­ver­wandeln. Und alles, was wir mit ihm ange­stellt haben, ist, ihn zu zer­stören.“ Offen­sichtlich stimmen die Ver­einten Nationen dem zu, denn 2015 wurde gemäß einer UN-Dekla­ration und „Jahr des Bodens“ erklärt.

Einige Jahre, nachdem er Gambia ver­lassen hatte, arbeitete Kaiser an seiner Examens­reihe in Costa Rica, als ein Kollege, der zwei Obst­plan­tagen mit Zitrus­früchten stu­dierte, etwas Unge­wöhn­liches ent­deckte. Die erste Plantage. die an einen dichten Wald voller Bäumen, Büsche und wildem Wein angrenzte, war mehr als 90 Prozent weniger von Schäd­lingen befallen als die zweite Plantage, die sich in einer offenen Ebene befand und eine Meile ent­fernt war. Das ver­blüffte Kaiser. „Solch ein Ergebnis kann man nicht einmal mit che­mi­schen Pflan­zen­schutz­mitteln erreichen“, sagt er. „Diese che­mi­schen Sprays töten alles — die Schäd­linge und die Nütz­linge“. (Nütz­linge sind Insekten, die nicht die Acker­früchte fressen, sondern sie beim Wachsen unter­stützen. Bienen z. B. helfen beim Bestäuben; andere wie Mari­en­käfer und Got­tes­an­be­te­rinnen fressen die Insekten, die die Ernte auf­fressen.) Jeder Landwirt möchte Nütz­linge haben; Nach jedem Ver­sprühen von Insek­ten­ver­nichtern kommen die Schäd­linge immer schneller zurück als die Nütz­linge. (Bio­logen erklären dies damit, dass Schäd­linge sich schneller und effek­tiver ver­mehren und dass sie durch jahr­hun­der­te­langes Bekämpft­werden wider­stands­fä­higer wurden.) Weitere Sprit­zungen folgen und die Todes­spirale geht immer weiter. Para­do­xer­weise geschieht dieser Prozess unab­hängig davon, ob diese Spritz­mittel che­misch oder orga­nisch sind.

In Costa Rica erkannten Kaiser und seine Kol­legen, dass die schäd­lings­freie Plantage dem Schicksal der anderen Plantage aus einem ein­fachen Grund entging: Die Nütz­linge hingen in den Baum­blättern nahe der Plantage und konnten so die Ernte erhalten. Während seiner Studien besuchte Kaiser eine Bana­nen­plantage, deren Pro­duk­ti­vität um das Dop­pelte gesteigert werden konnte, indem man den Superbaum Moringa Oleifera anpflanzte, der sowohl Schatten spendete als auch Stick­stoff, den wich­tigsten Nähr­stoff für eine Pflanze. Kaiser war so beein­druckt von den unzäh­ligen Kräften dieses Baumes, dass er später ein kleines Buch über sie ver­fasste. In Kaisers Gehirn mani­fes­tierte sich ein Muster. „Wenn man sich zuerst darum kümmert, dass es der Natur ins­gesamt gut geht“, sagt er heute, „ist die Land­wirt­schaft leicht.“ Miguel Altieri, Pro­fessor für Agro­öko­logie an der kali­for­ni­schen Uni­ver­sität Ber­keley, kam in anderen Ver­suchs­reihen in ver­schie­denen Regionen Latein­ame­rikas zu den gleichen Schluss­fol­ge­rungen: In vielen Fällen erlangten Klein­bauern höhere Profite und größere Erträge als kon­ven­tio­nelle Bauern, die Che­mi­kalien und andere Hilfen der kon­ven­tio­nellen Land­wirt­schaft ein­setzten, indem sie die natür­lichen Res­sourcen ihrer eigenen Land­flächen zur Frucht­bar­ma­chung ihres Bodens nutzten. Besonders dra­ma­tisch (im posi­tiven Sinn) ist diese Ent­wicklung in Kuba, wo man neue Frucht­barkeit durch die Rückkehr zu alten Anbau­me­thoden erlangt. (Siehe “Cuba’s Harvest of Sur­prises,” von Chris­topher Cook.)

2005 kehrten Kaiser und Johnson schließlich in die USA zurück, um zu hei­raten, eine Familie zu gründen und das bisher Gelernte auf ihrem eigenen Land aus­zu­pro­bieren. Nach einigen Monaten der Suche fanden sie schließlich ihr Ziel­objekt: die Singing-Frogs-Farm, ein Gebiet von acht Acres (=3,275 Ha) nahe der Innen­stadt von Sebas­topol. Es war nicht die nahe­lie­gendste Wahl. Die Farm war jah­relang ver­nach­lässigt worden; Sie war kalt und feucht und an einem Hang gelegen, wes­wegen sich dort die Abwässer aus der Nach­bar­schaft ein­fanden. Sie bestand nicht aus weiten Flächen, die einen Reihen-Anbau möglich machten. Anders gesagt: Das ideale Gebiet für Kaiser. „Ich suchte nach einem Ort, den ich heilen konnte“, sagt Kaiser. „Mir war klar, dass ich Dinge anbauen wollte, aber ich hatte keinen Plan davon, was das bedeutete“. Jedoch hatte der Ort auch ein gutes Omen: Auf der anderen Seite der Stadt war die Farm und das frühere Haus des groß­ar­tigen Pflan­zen­züchters Luther Burbank (1849–1926).

2007 beackerte Kaiser sein Land mit allen Werk­zeugen, die die Farm vor­hielt. Er pflügte den Boden, wie es jeder andere Farmer tut. Da die Farm jah­relang nicht bear­beitet worden war, hatte der ein­fache Unkraut­be­wuchs das Land sehr fruchtbar gemacht. Darum erblühte die Farm rasch. Aber auch die Arbeit nahm massiv zu. „Das Unkraut war gewaltig“, sagt Kaiser. „Wir arbei­teten sogar des Nachts mit Schein­werfern auf dem Feld und jäteten stun­denlang!“ Eines Morgens im Frühling sah er eine Keil­schwanz-Regen­pfei­ferin (ein Vogel der Region), die seinen Traktor ankreischte. Nachdem er ein paar Male auf seinem Feld hin- und her­ge­fahren war, wurde ihm klar, dass sie ihre Eier schützen wollte, die in einem Nest unsichtbar im Boden lagen. Als Kaiser anhielt, um sich das genauer anzu­sehen, bemerkte er alle mög­lichen Schäden, die sein Pflug ver­ur­sacht hatte — zer­schnittene Regen­würmer und Schlangen, zer­störte Bie­nen­stöcke, wert­volle Wurzeln und Käfer­ko­lonien, die jetzt der heißen Sonne aus­ge­setzt waren. Einige Monate später, als sein Daumen im Motor seines Traktors zer­quetscht wurde, hatte er eine Erscheinung: „So etwas werde ich nie wieder machen!“, erinnert er sich. „Es muss einen bes­seren Weg geben“.

Kaiser nahm seine Studien wieder auf und ent­deckte eine gewaltige Menge an Lite­ratur, die die Vorzüge von Direktsaat-Land­wirt­schaft (Land­wirt­schaft ohne Boden­be­ar­beitung) preist — anders gesagt, eine Land­wirt­schaft ohne Maschinen wie Pflug oder Spaten zum Umgraben des Bodens. Die Praxis erfolgt nach der zweiten oft nicht beach­teten Anbau­regel: Störe deinen Boden so wenig wie möglich. Immerhin hatte diese Anbau­me­thode eine über­ra­schend gemischte Bilanz.

Auf der Posi­tiv­seite steht die Vielzahl wesent­licher Nähr­stoffe, wenn die Pflanzen zu ergie­bigem Kompost ver­rotten; Die Bal­last­stoffe ver­ringern auch die Was­ser­ver­dunstung, die Erosion und die Reihe ver­deckter Schäden, die beide ver­ur­sachen. Die Bun­des­re­gierung nimmt hier kein Blatt vor den Mund. In einem Bericht des Jahres 2010 teilte die USDA (US-Department of Acri­culture) mit: „Den Boden zu pflügen ist gleich­be­deutend mit einem Erd­beben, einem Hur­rikan, einem Tornado und einem Wald­brand, die sich alle gleich­zeitig in der Welt der Boden­or­ga­nismen ereignen“. Don Tyler, ein Natur­schutz-Experte der USDA, führt ins Feld, dass ein Jahr Boden­be­ar­beitung 25 Jahre Boden­ver­bes­serung durch Direktsaat zer­stören kann. Aber diese Methode hat auch ihre negative Seite: Wenn Felder nicht besonders sorg­fältig behandelt werden, kann die Pro­duk­ti­vität auch sinken. Sie ten­diert auch dazu, mehr Pes­tizide und Her­bizide zu benutzen als bei der her­kömm­lichen Anbau­me­thode, weil die Pflanzen, die übrig bleiben, irgendwo bleiben müssen. Iro­ni­scher­weise trifft dies besonders zu, wenn Direktsaat-Farmer ver­suchen, außerhalb der Haupt­wachs­tums­pe­riode mehr Frucht­barkeit zu erlangen suchen, indem sie „Abdeck­pflanzen“ ein­setzen. (Dazu gehören Pflanzen wie Bohnen und bestimmte Gräser, die den Boden bedeckt halten und die Nähr­stoffe im Boden belassen, anstatt sie her­aus­zu­ziehen.)  Während der Win­ter­monate sprühen viele solcher Land­wirte immer noch, während „kon­ven­tio­nelle“ Nachbarn Ferien dank netter, leerer und brach­lie­gender Felder genießen.

Aber auf Kaisers Farm war Sprühen kein Thema. Was er in Übersee gelernt hatte, imi­tierte Kaiser, indem er seine Farm mit Baum­hecken und Büschen ein­rahmte, die von jenen Nütz­lingen geliebt werden. Er baute auch seine eigenen Gewächs­häuser. Auf diese Weise konnte er neue Pflan­zungen ankurbeln durch Säm­linge, die er gut reifen lassen konnte. Diese sorgten für ständige Ernten, sogar im Winter.

Vor­gänge wie diese beinhalten zu viel schlammige Arbeit und fordert zu viel von ihren Böden — so denken die meisten Farmer. Tat­sächlich lohnt sich aber diese Arbeit. Je länger die Acker­pflanzen im Boden ver­bleiben, desto besser für den Boden — weil all solche Jules-Verne-Krea­turen sich von Pflan­zen­wurzeln ernähren. Das lässt diese zahl­losen schei­ben­för­migen Felder im ganzen Land, die im Winter brach liegen, in neuem Licht erscheinen. Sie ruhen nicht aus, sie sterben. Jerry Hat­field, Ern­tephy­siologe beim land­wirt­schaft­lichen For­schungs­dienst der USDA, erklärte mir kürzlich: Wenn ein Farmer gepflügtes Land brach liegen lässt, „lässt Du dein bio­lo­gi­sches System ver­hungern. Ich frage sie immer: ‚Wie würde es Ihnen ergehen, wenn ich Ihnen nur einmal im Jahr Nahrung gäbe?’“  Dieses Prinzip bedeutet für Kaiser einfach nur: „Lass immer die Wurzeln im Boden“.

Danach pro­bierte Kaiser etwas anderes: Statt des stan­dard­mä­ßigen Ver­teilens von Dünger auf seinen Feldern legte er eine dicke Schicht Kompost oben drauf.

 

Kaiser beherzigt fana­tisch, was er die drei Haupt­regeln für Boden­ge­sundheit nennt: Wurzeln so weit wie möglich im Boden lassen. Den Boden so weit bedecken wie möglich. Störe den Boden so wenig wie möglich. Kaiser pflügt nur dann, wenn er alten Boden für eine Neu­an­pflanzung wie­der­belebt. Danach pflügt er nicht wieder. Wenn ein Pflan­zenbeet gele­gentlich Belüftung benötigt, sticht er mit einem Spaten wie diesem hinein.

Kaisers Weg hat aber auch seine Risiken. Kompost ist eine Art Ein­brennsauce der Natur: kon­zen­triert, nähr­stoff­reich, eine hoch­wirksame Mischung von Pflan­zen­es­senzen. Es beginnt mit einem Eimer voll Abfällen — aus unseren Küchen, aus dem Garten und vom Baum­schnitt und manchmal von Mist­haufen benach­barter Farmer. Um nutzbar zu werden, müssen all diese Sachen gründlich ver­rotten; Und wenn sie es erst tun, ver­wandeln sie sich in eine Art kon­zen­trierter Erde. (Um einen Geschmack für diese Vor­gänge zu bekommen, lohnt es sich, “The Bug Whisperer” (Der Insek­ten­flüs­terer) von Kristin Ohlson zu lesen.) Trotz seiner Leben­digkeit kann dieses Material für junge Pflanzen zu viel sein, weil es ihre zarten Schöss­linge durch seine unver­dünnten Sub­stanzen ver­brennt. Kaiser ent­deckte bei wei­terem Lesen, dass er seinen Kompost mit Kalzium (aus zer­bro­chenen Aus­tern­mu­scheln) und Spu­ren­ele­menten (aus gemah­lenem Fest­ge­stein) neu­tra­li­sieren konnte. Und so schichtete er die gesamte Masse auf den Boden und setzte die Pflanzen durch sie hin­durch an.

Dank der Nähr­stoff­ba­lance in seiner Erde bekamen Kaisers Säm­linge, die schon robust waren, einen  zusätz­lichen Vor­sprung. „Unsere Acker­früchte  über­holen die Unkräuter von Anfang an“, sagt Kaiser. „Auf diese Weise brauchten wir nicht mehr Unkraut jäten“. John Cheatwood, einer von Kaisers Ange­stellten, drückt es so aus: „Der Kompost ist unsere Antwort auf Egge und Pflug“. Dieser hoch­in­tensive Zyklus —  Kompost, Steck­linge setzen, Ernten, Wie­der­holen — erlaubt es Kaiser, bis zu sieben Mal pro Acre pro Jahr zu ernten. Das ist das Drei- bis Fünf­fache dessen, was die meisten Farmen erzeugen. Warum sollte man das nicht leben?!

Eine Frage des Maßstabs

Eines Morgens im Juli kamen zwei Besucher von Zentrum für Agro­öko­logie und nach­haltige Ernäh­rungs­systeme der kali­for­ni­schen Uni­ver­sität Santa Cruz zur Singing-Frogs-Farm. Einer von ihnen war Jim Leap, der jahr­zehn­telang das Farm- und Gar­ten­pro­gramm des Zen­trums leitete. Es war in den 1960er-Jahren von Alan Chadwick ange­schoben worden, dem legen­dären und quick­le­ben­digen Paten der kali­for­ni­schen Bewegung für orga­nische Land­wirt­schaft. Über die Jahre wurde der Uni­ver­si­täts­garten, der auf einem fel­sigen Hang blühte und gedieh, so legendär wie sein Gründer; legendär waren auch zahl­reiche leider ver­geb­liche Bemü­hungen, das Modell Chad­wicks auf die große Agro-Industrie zu über­tragen. Leap litt unter vielen dieser „roman­ti­schen“ Bemü­hungen  und den damit ver­bun­denen Erfah­rungen — bis zu jenem Morgen.

Während Leap und sein Kollege Darryl Wong an Kaisers über­bor­denden Gemü­se­beeten entlang gingen, zeigten sie sich inspi­riert durch diese Masse an Inno­va­tionen. Die meisten Farmer bauen nur eine kleine Auswahl von Gemü­se­sorten an. Und einige, sogar solche, die „orga­nische“ oder „nach­haltige“ Ver­fahren für sich bean­spruchen, kon­zen­trieren sich nur auf eine (übli­cher­weise Salat). Dieses Ver­fahren, „Mono-Cropping“ (Mono-Anbau) genannt, wird weithin kri­ti­siert. Es laugt den Boden aus und redu­ziert die Vielfalt der wilden Lebe­wesen, die nor­ma­ler­weise auch auf einer Farm leben. Es schafft ein Vakuum, das bestimmte Schäd­linge begünstigt. Im Gegensatz dazu zielt Kaiser auf Vielfalt, und das extrem. Auf nur acht Acres hat er Hun­derte ein­hei­mi­scher Bäume und Büsche. Auf den zwei­einhalb Acres davon, die er kul­ti­viert, baut er eine ent­spre­chende Zahl ver­schie­dener Gemü­se­sorten an, dar­unter Brokkoli, Blu­menkohl, Kohl, Paprika, Gurken, Win­ter­kürbis, Kopf­salat und Sarep­tasenf — und diese in ungefähr sechs Vari­anten pro Sorte — dazu 30 bis 35 ver­schiedene Arten von Tomaten. „Niemand anders macht das“, sagte Leap mit ver­wun­derter Miene.

Ein frisch bear­bei­tetes Feld war mit einer dicken, filz­ar­tigen Decke bedeckt — Kaisers Version der Meilen schwarzer Plas­tik­folien, die man sieht, wenn man im Winter durch ame­ri­ka­ni­sches Farmland fährt. Diese langen „Laken“ heißen „Plastik-Mulch“ und sie sind höchst wirksam — beim Unter­drücken von Unkräutern, beim Feucht­halten und beim Füttern der Boden­mi­kroben. Jedes Jahr landen diese schwarzen Plas­tik­folien auf Deponien. Kaiser zeigt auf seine Mulch­decken und sagt: „Die halten 10 Jahre. Wenn wir sie im Frühling auf­rollen“ — und plötzlich fing Kaiser an, mit hoher Stimme zu singen: „Der Boden dar­unter ist soooooooooo wun­derbar!“ Könnte die Agro-Industrie auch solche Mulch­decken ver­wenden? „Sicher“, sagte Leap. „Wenn sie sie zur Deponie bringen, können sie sie auch auf­heben und zusam­men­legen, um sie wieder zu ver­wenden.“ In einem von Kaisers Gewächs­häusern ent­lockten Größe und gesundes Aus­sehen der Auber­ginen großes Erstaunen aller. „Ich habe noch nie solche Auber­ginen hier an der Küste gesehen“, sagte Leap. „Auber­ginen ziehen alle mög­lichen Schäd­linge und Krank­heiten an“. Sogar die unbe­ar­bei­teten Wege zwi­schen den Gemü­se­beeten beein­druckten Leap und Wong. Übli­cher­weise sind diese kahl und hart; Kaisers Wege waren weich und grün. „Es macht solch einen Spaß zu sehen, wie all dies im kleinen Rahmen funk­tio­niert“, sagte Leap, „weil Jedermann hofft, so etwas zu tun.“

Der Reichtum der Farm brachte Leap dazu, Kaiser mit der Frage zu nerven, die jeder stellen würde: „Ich bin mir nicht sicher, ob so etwas auch im großen Rahmen geht“, sagte er. Kaiser liebt diese Frage, denn sie ist ent­scheidend, aber er hasst die Art und Weise, mit der sie immer gestellt wird. „Ich dachte früher, die beste Weise, dies zu tun, sei eine rie­sen­große Farm mit einem Haufen Felder wie diesem hier rund um ein Zentrum zu haben“, ant­wortete Kaiser. „Aber mein Nachbar bepflanzt 44 Acres (knapp 18 Ha), pro­du­ziert weniger als ich, ver­kauft bei weniger Regio­nal­märkten und hat weniger Ver­trags­kunden. Darum brauchen wir keinen grö­ßeren Rahmen. Wir brauchen mehr kleine Farmen wie diese in städ­ti­schen Bereichen und weniger Rie­sen­farmen von 100 Acres, die weit, weit weg von den Men­schen sind, die ihre Früchte essen.“

Wenn Ihnen Kaisers Ziele zu idea­lis­tisch und roman­tisch erscheinen, so gibt es durchaus große Player in der Ernäh­rungs­in­dustrie, die das dif­fe­ren­ziert sehen. Miles Reiter, CEO (Chief Exe­cutive Officer = Geschäfts­führer) von Driscoll’s, des größten Pro­du­zenten und Ver­ar­beiters von Bee­ren­früchten  mit Sitz in Wat­son­ville, kün­digte öffentlich an, dass er eines Tages nicht mehr in der Lage sein werde, Beeren zu trans­por­tieren  — einfach wegen der stei­genden Kosten und der immer grö­ßeren Knappheit von Treib­stoff. Bei der Abschluss­ver­an­staltung des Welt­kon­gresses zur nach­hal­tigen Land­wirt­schaft im ver­gan­genen Jahr zeigte Dwayne Beck, Pro­fessor für Land­wirt­schaft der Uni­ver­sität Süd-Dakotas, auf, dass 80 Prozent der Kosten dessen, was Farmer auf ihre Felder aus­bringen (Wasser, Spritz­mittel, Dünger, Arbeiten) fossile Energien aus­beuten. „Vor 120 Jahren lag dieser Pro­zentsatz bei Null“, sagte Beck. „120 Jahre später wird diese Zahl wieder Null sein müssen“.  Als Leap Kaisers Felder besuchte, die nur knapp oberhalb vom Zentrum Sebas­topols liegen, musste er sich geradezu eine andere Zukunft vor­stellen. „Wenn der Ölpreis mal so richtig steigt“, sagte er, „wird sich diese Methode wie ein Lauf­feuer ver­breiten“. Wong nickte ernsthaft: „Das muss sein“.

Wenn dieser Tag jemals kommt, was dann genau ein­tritt, könnte die Anbau­me­thoden weltweit ändern. Wenn diese Ände­rungen sich ver­breiten, werden ihre Macher sich, bewusst oder unbe­wusst,  der Methoden Kaisers bedienen. Einige von ihnen werden auch jetzt ange­wendet mit über­ra­schenden Erfolgen auf Getrei­de­feldern des Mitt­leren Westens — mit Inno­va­tionen, die unser gesamtes Han­dels­system umwandeln könnten. (Siehe auch: “A Brand New Idea for Com­modity Exports” = Eine brandneue Idee für Han­dels­exporte). Abge­sehen davon ist es bei Acker­früchten wie Mais und Weizen relativ einfach, gesündere Methoden wie Direktsaat anzu­wenden; Jedoch scheint diese Methode für Gemü­se­felder im großen Stil wohl schwie­riger. Dennoch sind einige wenige Men­schen einigen viel­ver­spre­chenden Lösungen auf der Spur. (Siehe: “Your Salad’s Dif­fi­culty with Sus­tainable Farming”=Die Pro­bleme Ihres Salats mit nach­hal­tiger Landwirtschaft).

Im Laufe von Leaps und Wongs Spa­ziergang kamen weitere Gedanken auf. „Wir haben hier einen Über­fluss-Markt. Könnte so etwas wie deine Farm in Modesto oder Fresno funk­tio­nieren?“, fragte Leap im Hin­blick auf die Armut und die heißen kli­ma­ti­schen Bedin­gungen der Gegend. „Ich habe das bereits in Gambia gemacht“, erwi­derte Kaiser, „am Rand der Sahara! Ich fände es toll, die Chance in Modesto dafür zu bekommen.

Könnte es wirklich so leicht sein? Lohn­kosten in Kali­fornien unter­scheiden sich sehr von denen in Afrika. Und Kaiser s Lohn­kosten sind noch höher — er braucht auf jedem Acre vier bis fünf  Mal so viele Arbeiter wie ähn­liche Farmen. Aber Kaiser ist stolz auf diesen Unter­schied. Während die Arbeit auf den meisten Farmen Teil­zeit­arbeit ist und nur sai­son­be­dingt, ist die Arbeit auf der Singing-Frogs-Farm Voll­zeit­arbeit über das ganze Jahr. Kaiser zahlt auch etwas höhere Löhne im Ver­gleich zur Norm wegen der höheren Fähig­keiten, die sein System erfordert — Boden­be­din­gungen erkennen können, die Methoden von Beet zu Beet anpassen können je nach den Bedürf­nissen der Pflanzen auf dem Beet, und schnell arbeiten können. Aber er gibt kein Geld für Her­bizide, Pes­tizide, ton­nen­weisen Dünger, Trak­toren, Treib­stoff und Maschi­nen­un­terhalt oder täg­liche Bewäs­serung aus. Auf diese Weise, sagt er, steht er immer prima da. Das ist für Kaiser gut, aber ist es das auch für seine Arbeiter?

Kaisers ältere Arbeiter bekommen 15 $ pro Stunde. Das ist weit höher als die durch­schnitt­lichen Löhne, die etwa bei Kali­for­niens Min­destlohn von 9 $ die Stunde liegen — dennoch kann es in einer Gemeinde mit hohen Lebens­hal­tungs­kosten wie Sebas­topol ziemlich eng mit solch einem Lohn werden. „Wenn die Men­schen möchten, dass Farm­ar­beiter fair bezahlt werden“, sagt Marty Renner, Kaisers ältester Arbeiter, „werden sie auch viel mehr für ihre Lebens­mittel bezahlen müssen“. (Wenn Sie mehr erfahren möchten, was das Leben in Sonoma bei einem Stun­denlohn von 15 $ bedeutet, lesen Sie bitte Anmerkung 1 am Ende des Artikels)

Das Kompost-Rätsel

An einer Stelle während Leaps Gang über die Farm gruben wir alle unsere Hände in Kaisers Boden. Er roch sehr aro­ma­tisch und war über­ra­schend leicht. „Er fühlt sich fast wie Blu­menerde an“, sagte Leap, als er die Erde durch seine Finger rinnen ließ. Das lag teil­weise an der Jah­reszeit (Die Som­mer­hitze trocknet den Boden aus.) Aber der Haupt­grund war, dass sie fast ganz aus Kompost bestand, der sehr locker beim Trocknen wird. All dieser Kompost war Leap unheimlich. „Er braucht weit mehr davon als sonst üblich“.

Kompost ist eine kom­pli­zierte Ange­le­genheit. Einer­seits regen seine reichen Inhalts­stoffe das Pflan­zen­wachstum so wirksam an, dass man sich wundert, warum nicht mehr Farmer davon Gebrauch machen. „Wir haben einfach nicht den Koh­len­stoff“, sagt Ray Arch­uleta von der USDA. Arch­uleta bezieht sich auf die Lücke zwi­schen ver­füg­baren Kom­post­vor­räten und die 920 Mil­lionen Acres (=3.723.108 km²), die gegen­wärtig in diesem Land beackert werden; Aber er meint das Wort „Koh­len­stoff“ auch pro­vo­kativ. Koh­len­stoff ist schlecht, nicht wahr? Wenn er sich in Koh­len­dioxid ver­wandelt, trägt er haupt­sächlich zur Kli­ma­er­wärmung bei. (Das­selbe geschieht mit Stick­stoff, wenn es sich in Stick­stoffoxid ver­wandelt, ein Kli­magas, das 300 Mal wirk­samer ist als Co2.) Nun, Koh­len­stoff und Stick­stoff sind auch die Haupt­be­stand­teile von Kompost und nach und nach der frucht­baren Anteile der Boden­krume. Das bedeutet, dass diese Che­mi­kalien nur dann schädlich sind, wenn wir sie falsch ein­setzen — in unserer Luft, wenn sie besser im Boden auf­ge­hoben wären. Kaiser drückt es so aus: Was ich als Farmer am meisten brauche, ist Koh­len­stoff für die Boden­struktur und Strick­stoff für das Pflanzenwachstum“.

Ande­rer­seits hat Kompost auch seine häss­lichen Seiten. Weil weltweit immer mehr ame­ri­ka­nische Ern­te­früchte ver­langt werden, sind Farmer überall von Stick­stoff abhängig geworden. Wenn ein Feld zu viel Stick­stoff enthält, sickert er ins Grund­wasser. An dieser Stelle sagt Leap: „Jede was­ser­füh­rende Schicht unterhalb von land­wirt­schaftlich genutzten Flächen ist mit Nitrat ver­seucht“. (Wenn Nitrat sich in Nitrit ver­wandelt, ersetzt es den Sau­er­stoff im Blut seiner Kon­su­menten. In der Mitte des ver­gan­genen Jahr­hun­derts waren einige Grund­was­ser­quellen so sehr mit Nitrat ver­seucht worden, dass dies zum „Blue-Baby-Syndrom“ mit einigen Dutzend Todes­fällen führte. Das Problem ist seitdem fast ver­schwunden, aber Agro­nomen haben sich bis heute Sorgen darum gemacht.) Die meisten Ver­seu­chungen durch Nitrat geschehen bei sint­flut­ar­tigen Regen­fällen, die auf Mast­an­lagen und indus­trielle Farmen treffen, die unwahr­schein­liche Mengen an syn­the­ti­schen Stick­stoff­düngern ein­setzen. Viel jedoch kommt auch von ein­fachem Kompost, der übli­cher­weise viel Stick­stoff enthält.

Selt­sa­mer­weise gehören Farmer, die Kompost lieben, zu den übelsten Stick­stoff­ver­seu­chern. Und Leap fürchtet, dass Kaiser ein besonders her­aus­ra­gender Umwelt­sünder ist. Über die letzten paar Jahre hat Kaiser mehr als 60 Tonnen besonders stick­stoff­hal­tigen Kompost auf jeden Acre seiner Farm aus­ge­bracht — fünf bis zehn Mal so viel wie üblich. Vor jeder Pflanzung unter­stützt er die Böden auch durch eine geringe Menge orga­ni­schen Dünger, der besonders viel Stick­stoff und auch Phosphor enthält — ein wei­terer pro­ble­ma­ti­scher Nährstoff.

 

[Foto­un­ter­schrift] Kaiser düngt seine Acker­flächen mit unge­wöhnlich großen Mengen Kompost — mehr als 60 Tonnen pro Acre im Jahr — den seine Arbeiter vor jeder Pflanzung mit Schub­karren auf­bringen. Das sind 5–10 Mal mehr Kompost , als die meisten Farmer anwenden. Kaiser baut mehr Früchte an als der durch­schnitt­liche Farmer, aber jüngste Tests zeigen an, dass sein Kompost mehr Nähr­stoffe auf­bringen könnte, als die Pflanzen benö­tigen. Bei Über­schüssen einiger solcher Nähr­stoffe — haupt­säch­liche Stick­stoff, Phosphor und einige Spu­ren­me­talle — werden sie giftig sowohl für Was­ser­vorräte und auch für Kon­su­menten seiner Acker­früchte. Es ist daher wichtig für Kaiser und seine Nach­ahmer, genauere Mess­me­thoden für den Nähr­stoff­gehalt von Feldern zu entwickeln.

„Das ist ein Prä­ze­denzfall“, sagt Leap. „Das ist eine rie­sen­große Über-Anwendung. Falls Paul zer­ti­fi­zierter Bio­farmer werden wollte, könnte das Ärger geben“. Erstaun­li­cher­weise ist Kaisers Farm das nicht – er wider­steht diesem Label wegen der Kosten, des kom­pli­zierten Ver­fahrens und der Stan­dards, die er ober­flächlich findet. Eben­falls erstaunlich ist, dass das seinen Kunden nichts aus­macht. Bei Befra­gungen befür­wor­teten quasi alle seine unkon­ven­tio­nellen Anbau­me­thoden. Robin Boyle, Mar­ke­ting­di­rek­torin von Cali­fornia Cer­tified Organic Farmers, sagt jedoch, dass im Fall einer Bean­tragung des Labels Kaisers seine Kom­post­mengen „sämt­liche rote Lampen in unserem Büro angehen lassen würden“.  Aber sie sagte auch, dass solche gewal­tigen Mengen durchaus auch im Rahmen des Erlaubten sein könnten, je nach der indi­vi­du­ellen Situation der Farm.

Kaiser argu­men­tiert, dass die Situation seiner Farm klar innerhalb der erlaubten Grenzen ist — aus vier Gründen. Erstens sei der zusätz­liche Stick­stoff not­wendig, weil er so sehr viel mehr Acker­früchte pro Acre anbaut als eine Durch­schnittsfarm. Zweitens zeigten Boden­proben, dass dessen Stick­stoff­gehalt „genau dort ist, wo er sein sollte für gesunde Pflanzen“. Drittens bemerkt er, dass die Pflanzen den Stick­stoff wirklich „auf­essen“: Manchmal werden die Blätter gelb (was ein Zeichen für Stick­stoff­mangel ist). Und viertens fügt er hinzu, dass seine Teiche, die das auf­fangen, was vom Farm­boden abfließt, sichtbar klar und voller Leben sind. Außerdem ergaben kürz­liche Regen­was­sertest auch absolute Sau­berkeit. (Durch Stick­stoff oder Phosphor belas­tetes Wasser ist nor­ma­ler­weise durch Algen ver­stopft, die Fische und andere Was­ser­le­be­wesen töten, indem sie ihnen den Sau­er­stoff nehmen. Mit diesem Problem hatte Kaiser im ersten Jahr zu kämpfen, nachdem er besonders viel Kompost auf­ge­bracht hatte, aber danach trat es nicht mehr auf.) „Alle unsere Felder und Anzei­ge­geräte zeigen, dass unser Stick­stoff­gehalt in Ordnung oder nicht hoch genug ist“, sagt Kaiser.

Hier könnte Kaisers Behauptung über­trieben sein. Die sicht­baren Zeichen lassen ver­muten, dass seine Pflanzen alles kon­su­mieren, das er ihnen gibt, aber wenn es um seine Boden- und Was­ser­tests geht, ergibt sich beträchtlich mehr, als das Auge erkennen kann. Das wirk­liche Bild gleicht einem Puzzle, aber es lohnt sich, sich Zeit zu nehmen, um wenigstens die viel­fäl­tigen Aspekte zu beachten — und wenn es nur dazu dient, mög­liche Nach­ahmer darauf hin­zu­weisen, was dazu gehört, eine solch ambi­tio­nierte Form der Land­wirt­schaft zu beherr­schen wie Kaiser.

Zunächst weisen Kaisers Boden­proben leicht erhöhten Nitrat­gehalt und einen noch etwas höheren Phos­phor­gehalt auf. Aber seine Regen­was­ser­proben — die Agronome als den gol­denen Weg ansehen, um Dün­ge­le­ckagen einer Farm fest­zu­stellen — sind immer kristallklar.

Wie kann das sein? Wenn man Agro­nomen und Boden­wis­sen­schaftlern zuhört, die Kaisers Methoden gegenüber skep­tisch sind, ver­stecken sich diese Ver­schmutzer. Es könnte stimmen, aber genauso gut das Gegenteil. Wenn Sie den genauen Zahlen dieses Puzzles nicht wider­stehen können — und die Debatte, die sie aus­löste — lesen Sie bitte Anmerkung #2 am Ende des Artikels.

Glaubt man Kaiser, ver­fehlen die Labor­tech­niker das richtige Ergebnis. Die Ver­schmutzer sind nicht sichtbar, einfach weil alles bio­lo­gische Leben, das er in seinen Feldern auf­gebaut hat, sie aufisst. „Die hoch­or­ga­nische Bio­masse puffert jedes Ungleich­ge­wicht in jenen Nähr­stoffen ab“, sagt Kaiser. „Mir scheint, dass all diese Kritik von Men­schen geäußert wird, die ein wirklich bio­lo­gi­sches System nicht ver­stehen“. Diese Behauptung ist kühn, aber Kaiser hat auch einige Wis­sen­schaftler auf seiner Seite. „All das mikro­bielle Leben geht durch einen Kreislauf dieser Nähr­stoffe“, sagt Jerry Hat­field von der USDA. Ray Ward, ein füh­render Experte für Boden­proben, stimmt zu. (Ward unterhält die Ward-Labore in Kearny, Nebraska, die einige von Ame­rikas umfas­sendsten Test­ver­fahren für Nähr­stoff­ge­halte und mikro­bielles Leben in Böden ent­wi­ckelt haben. Kaisers letzte Tests wurden durch die Ward-Labore durch­ge­führt.) Jeff Creque, oberster Wis­sen­schaftler beim Marin Carbon Project, steht auch zu Kaisers Methoden. Creque fügt an, dass die indus­trielle Land­wirt­schaft sich von bio­lo­gi­schen System ver­ab­schiedet hat, was in erster Linie zur Ver­schmutzung durch Koh­len­dioxid geführt hat. „In frü­heren Zeiten konnte man den Stick­stoff­gehalt im Boden nur in Ver­bindung mit Koh­len­stoff anheben“, sagt Creque. Heute füttern wir die Chemie des Bodens, anstatt die Bio­logie des Bodens zu nähren. Zudem ver­brennen wir die Kohle“.

Das Problem ist, dass, egal wie qua­li­fi­ziert diese Beob­achter sind, sie letzt­endlich nur Ver­mu­tungen anstellen. Stick­stoff und Phosphor sind nur zwei von Mil­li­arden natür­lichen und lebenden Bestand­teilen, die so etwas wie einen Boden aus­machen. Wis­sen­schaftler haben erst kürzlich ange­fangen zu ver­stehen, wie dieses Öko­system Frucht­barkeit beein­flusst, während seine win­zigen Bewohner mit­ein­ander agieren. Einige solcher Inter­ak­tionen könnten die Ent­schul­digung für Kaisers Exzesse sein, andere können sie ver­schlimmern. „Wir wissen viel­leicht weniger über den Boden, als wir über den Mond wissen“, sagt Morris.

In den Monaten nach seinem Besuch dis­ku­tierte Leap diese Fragen — mit sich selbst, mit Kaiser, mit vielen seiner Kol­legen in der orga­ni­schen Land­wirt­schaft und mit mir. Lange E‑Mails gingen hin und her, alle voller end­loser Fragen und end­loser Zah­len­reihen. In Zuge dieses Pro­zesses mutete ich den beiden und vielen anderen, die sich der nach­hal­tigen Land­wirt­schaft widmen, so viele spitz­findige Befra­gungen zu, dass ich Hem­mungen hatte, sie wieder anzu­sprechen. Die zen­trale Frage, die diese Befra­gungen befeuerte, war grund­sätzlich und fast unlösbar: Wenn Kaisers Methoden wirklich feh­lerhaft sind, kann man sie korrigieren?

Anfangs war Leap ziemlich pes­si­mis­tisch. „Ich bin nicht sicher, ob er auf dem jet­zigen Niveau ohne diese Exzesse pro­du­zieren kann“, sagt mir Leap. Ich fürchte, sie sind untrennbar mit seinem System ver­bunden. Es ist, als würde das Gemüse durch den Kompost auf­ge­pumpt“. Als ich Tim Hartz, einen aner­kannten Pro­fessor der Pflan­zen­wis­sen­schaften der kali­for­ni­schen Uni­ver­sität Davis, fragte, ob er Kaisers System für nach­haltig hält, war seine Antwort ein knappes Nein. All das hat Leap zunehmend Sorgen bereitet ange­sichts Kaisers extrem öko­lo­gi­scher Behaup­tungen. „Was mich stört“, sagte Leap, „ist, dass Paul solch eine große Ange­le­genheit aus diesem Keil­schwanz-Regen­pfeifer macht, wes­wegen er nicht mehr pflügt. Aber so sieht er es eben. Was er nicht sehen kann, sind die Folgen für die Fische fluss­ab­wärts von seiner Farm“.

Um fair zu sein, muss man sagen, dass Kaiser stu­fen­weise seine Kom­post­mengen redu­ziert hat teil­weise wegen des Sturms der Befürch­tungen von außerhalb, was Leap wie­derum opti­mis­tisch stimmt. Aber immer noch ver­wendet Kaiser weitaus mehr Kompost als unter Farmern im All­ge­meinen bekannt ist. Und wenn Kaiser fest­stellt, dass er seine Ver­fahren nicht wesentlich ändern kann, wenn er bei seiner Version orga­ni­scher Land­wirt­schaft bleiben will und seiner Pro­duk­ti­vität –– was dann? Es bleibt ein zwei­schnei­diges Schwert: wichtige Nahrung für den Boden einer­seits und Nah­rungs­ver­schmutzung (durch Aus­wa­schung von Stick­stoff, Phosphor etc.) andererseits.

Was auch bedeutsam ist für einige Men­schen: Bei der kom­mer­zi­ellen Pro­duktion von Kompost werden ton­nen­weise fossile Brenn­stoffe ver­brannt. Kaiser selbst kann nur etwa ein Drittel des Kom­posts, den er für seine Farm braucht, selbst pro­du­zieren. Der Rest kommt von seinen Nachbarn im Sonoma County. Wenn Essens­reste und Gar­ten­ab­fälle zur ört­lichen Deponie gebracht werden, durch­laufen sie in die­sel­be­trie­benen Anlagen 15 ver­schiedene Phasen des Trennens, der Rei­nigung, des Zer­klei­nerns und der Belüftung, um zu neuem Boden zu werden –– der dann mit einer Rate von 150 Tonnen pro Tag die Deponie ver­lässt. Und auch dieses End­produkt ist weit davon ent­fernt, perfekt zu sein. Ich bemerkte dies eines Morgens, als ich Kaisers Team beim Pflanzen von Gurken half. In fast jedem Loch fand ich einen oder zwei kleine Schnipsel Plastik, Alu­folie oder andere Mate­rialien, die sich nicht zer­setzen. Das ist all jenen Nachbarn geschuldet, die nach nahezu zwei Jahr­zehnten voller Öffent­lich­keits­kam­pagnen immer noch nicht richtig Müll trennen können.

 

Obwohl der Kompost, den Kaiser kauft, eine unge­wöhnlich hohe Qua­lität hat, finden sich doch immer wieder Abfall­reste darin wie dieser Rest einer Plas­tiktüte. Bis die Bürger gelernt haben, was Abfall ist und was nicht, werden diese Stückchen wei­terhin unver­meidbar sein. Sie sehen zwar nicht schön aus, sind aber harmlos, denn sie werden weder von der Erde noch von den Pflanzen aufgenommen.

Darum sieht Leap ein System, das von so viel Kompost abhängt, sehr skep­tisch. „Wenn die Boden­mi­kroben ihre Arbeit ver­richten“, sagte Leap mir, „braucht man nicht zusätzlich Stick­stoff zusetzen.“ Andere bevor­zugen eher Kaisers Antwort: „Wo soll denn all unser Biomüll hin?“, fragt er. „Es gibt nur zwei Mög­lich­keiten — ver­senkt man ihn im Meer, führt er zu exzes­sivem Pflan­zen­wachstum, das Mee­res­le­be­wesen den Sau­er­stoff weg­nimmt. Oder man bringt ihn auf die Deponien“. Mit anderen Worten: Viel­leicht ist die mensch­liche Evo­lution selbst der letzte Kom­promiss unseres Pla­neten. Alles Leben bedeutet Energie, in der einen oder anderen Form. Und der Abfall dieser Energie muss irgendwo hin. Es gibt kein orga­ni­sches Mit­tag­essen ohne Kompromiss.

Nach­hal­tigkeit ange­sichts der Städte von Morgen

Nach einigen neuen Zäh­lungen pro­du­zieren die Ame­ri­kaner so viel kom­pos­tier­baren Abfall und nutzen so wenig davon, dass in Kali­fornien wenigstens 15 Mil­lionen Tonnen dieses reich­hal­tigen Mate­rials (ist es erst mal trocken) und mehr als 200 Mil­lionen Tonnen lan­desweit jedes Jahr auf Deponien landen.  Vor­rangig pro­du­ziert es dort Methan, das besonders zur Kli­ma­er­wärmung beiträgt.

Auf einem Acker erzeugt Kompost jedoch neben Pflanzen eine Menge guter Dinge. Land­wirte nennen es „Orga­ni­sches Boden­ma­terial“ oder „SOM“ (soil organic matter) und es ist haupt­sächlich zuständig für die Frucht­barkeit des Bodens. SOM ist im Wesentlich alles Rest­gewebe, egal ob lebend oder nicht, aller lebenden Orga­nismen — Pflanzen, Wurzeln, Käfer, Mikro­or­ga­nismen, Pilze, Schwämme, Flechten, was auch immer. All dieses Ver­rotten ist wun­derbar effektiv. Es hilft dem Boden, das Wasser zu halten. Was noch wich­tiger ist: Wenn Wasser knapp ist, nährt all dieses ver­rot­tende Material die Wurzeln der Pflanzen und die Mikro­or­ga­nismen um sie herum, sodass die Pflanzen weiter wachsen können. Dwayne Beck beschreibt es so: „SOM ist das Lebendige, das Tote und das sehr Tote. Wenn man schlechten Boden beackert, benutzt man das sehr Tote. Wenn man gut ackert, ver­wendet man das Tote. Das Lebendige aber ist das, was man nutzen möchte“. Lebendig oder tot, SOM besteht immerhin zu 60 Prozent aus Koh­len­stoff. Und je mehr davon im Boden ist, desto weniger davon geht in die Luft über, wo es Koh­len­dioxid pro­du­zieren würde.

1920, vor dem Ent­stehen der indus­tri­ellen Land­wirt­schaft, machte SOM durch­schnittlich zwi­schen 6 und 8 Prozent unserer Boden­krume aus. Über die Jahre, in denen ame­ri­ka­nische Farmer ein System anwen­deten, das mehr extra­hierte als hin­zu­fügte, sank das Niveau des SOM durch­schnittlich auf 2 Prozent, in einigen Gebieten sogar unter 1 Prozent — was mehr als die Hälfte der Min­dest­menge für einen gesunden Boden bedeutet. Eine ein­fache Maschine, die all­ge­gen­wärtig wurde, ver­ur­sachte diesen Verlust: der Streich­brett­pflug (mold­board plow) (erfunden — wer hätte es gedacht? — von Thomas Jef­ferson). In einem Bericht der Uni­ver­sität von Min­nesota im Jahr 2002 heißt es: „Je tiefer und aggres­siver das Pflügen erfolgt, desto mehr CO2 geht in die Atmo­sphäre über“. Und der Streich­brett­pflug, so die Autoren des Berichts, sei „das aggres­sivste Gerät, das je ver­wendet worden ist“.

Als die Kaisers die Singing-Frogs-Farm kauften, war deren Boden fünf Jahre lang nicht gepflügt oder bepflanzt worden, wes­wegen er relativ gesund war: SOM wurde mit 2,4 Prozent getestet (nicht schlecht für den san­digen Lehm, der typisch für diese Gegend ist). Nachdem Kaiser sein kom­post­ba­siertes System in die Tat umsetzte, stieg der SOM-Grad der Farm bis auf 10 Prozent an. Dieses Niveau wäre sogar noch höher, wenn man die Boden­proben aus höheren Schichten nähme. Ver­suche in diesem Herbst zeigten, dass sein Boden auch besonders reich an Mikroben war, sowohl men­gen­mäßig als auch, was die Vielfalt betrifft. Dieses ver­borgene Material könnte ein Grund dafür sein, warum Kaisers Felder so üppig waren trotz der Dürre. Immer wieder weist er darauf hin, dass jedes Prozent mehr auf einem Acre Land bedeutet, dass die oberste Boden­schicht von 30 cm zusätzlich 4360 Liter Wasser halten kann.

Diese 4360 Liter prä­sen­tierte Kaiser seinen Zuhörern bei der Land­wirt­schafts­kon­ferenz in Napa, wo ich ihn zum ersten Mal traf. Das zen­trale Thema dieser Kon­ferenz war die Erhaltung von land­wirt­schaft­lichen Böden und zahl­reiche Refe­renten stellten die ver­schie­denen Maß­nahmen vor, die eine Handvoll kali­for­ni­scher Land­kreise (Counties) gerade treffen, um zu ver­meiden, dass Städte sich immer mehr aus­breiten und dabei immer mehr Land­wirt­schafts­fläche schlucken. Trotz solcher Initia­tiven ist der all­ge­meine Trend hier eher schwach. Seit 1982 haben die USA 13 Mil­lionen Acre (=52.610 km²) erst­klas­siges Farmland der städ­ti­schen Ent­wicklung opfern müssen.

Diese Zahlen schmerzen besonders, wenn man an Kaisers Langzeit-Hoffnung denkt: ein Netzwerk kleiner Farmen in den Welt­städten, die uns gegen Treib­stoff- und Was­ser­knappheit in der Zukunft schützen könnten. Wenn seine Vision über­haupt eine Chance bekommen soll, müssen wir unsere Städte voll­kommen anders struk­tu­rieren. „Die meisten Städte befinden sich in der Mitte besten Farm­lands“, sagte Ed Thompson vom Ame­rican Farmland Trust den Zuhörern der Napa-Kon­ferenz, „weil der Ursprung aller Städte land­wirt­schaft­liche Regio­nal­märkte waren“.

Das Geschenk der Dürre

An einem fros­tigen Morgen im letzten Januar saß ich an einem Picknick-Tisch, von dem aus ich die Felder der Singing-Frogs-Farm sehen konnte, während Kaiser und seine Frau, ein­ge­hüllt in Fleece-Jacken, mir ihre Geschichte erzählten. Die ersten Zeichen einer erneuten Dürre kün­digten sich an und ich fragte sie, ob sie besorgt seien. „Mit den Pflanzen wird alles in Ordnung sein“, sagte Kaiser schul­ter­zu­ckend. „Mir machen eher die Bäume Sorgen“. Kaiser traut seinen Pflanzen einiges zu, weil er sie nicht mit Sprü­hungen und Dünger schwächt. Das kräftigt sie und sie können ihre eigenen Poly­phenole ent­wi­ckeln — das ist der Kern des pflanz­lichen Immun­systems. Es scheint, dass Pflanzen nach dem­selben Grundsatz funk­tio­nieren wie die Men­schen: was nicht gebraucht wird, ver­schwindet. „Wenn wir all den Schutz für sie über­nehmen“, sagte Kaiser, „werden sie sich nicht mehr selbst ver­tei­digen“. Plötzlich machte Eli­sabeth Paul auf einen gebro­chenen Schlauch auf­merksam, aus dem eine Was­ser­fontäne hoch­sprang. Kaiser stöhnte und drehte einen Anschluss ent­spre­chend ab. „Ich habe diese Fröste echt satt“, sagte er, als er wieder zurückkam.

 

[Foto­un­ter­schrift] Kaiser beschleunigt seine Pro­duktion, indem er seine Säm­linge päppelt und sie erst richtig anwachsen lässt, bevor er sie auf die Felder pflanzt. Viele anderen Farmer tun das auch, aber Kaisers Weg unter­scheidet sich zweifach: Erstens pflanzt er seine Saaten in Kompost. Die meisten Farmer fürchten mög­liches Krank­heits­po­tenzial im Kompost und benutzen statt­dessen sterile Gar­tenerde. Diese ist zwar sicher, aber auch nicht sehr nähr­stoff­reich, was die Pflanzen schwächt und für weniger Nähr­stoffe in den reifen Früchten sorgt. Zweitens ver­pflanzen die meisten Farmer, um den Platz maximal aus­zu­nutzen, ihre Säm­linge schon, wenn sie noch relativ klein und erst zwei Wochen alt sind. Kaiser ver­wendet größere Con­tainer, damit seine Säm­linge einen ganzen Monat bis zum Ver­setzen wachsen können. Das beschleunigt nicht nur ihren Start, sondern erhöht auch ihre Über­le­bensrate auf dem Feld.

In den letzten paar Wochen schwankten die Tem­pe­ra­turen jeden Tag um bis zu 10 Grad, wes­wegen die ört­lichen Zei­tungen von wüs­ten­artig sprachen. „In den letzten zwei Jahren fiel der letzte Regen am 1. Februar“, sagte Kaiser, „und es sieht dieses Jahr wieder danach aus.“ Nicht nur fällt wenig Regen, es gibt auch Frost­phasen — der erste Frost schlägt auf Kaisers Farm typi­scher­weise Ende Sep­tember zu, der letzte Mai. „Wir haben Tem­pe­ra­turen von wenigstens  ‑7° C vier Wochen lang jedes Jahr“, sagte Kaiser. Der Grund: Singing Frogs befindet sich am Tief­punkt eines flachen Tales, wo die Tem­pe­ra­turen im Schnitt 5 Grad nied­riger sind als im Durch­schnitt als bei den Nachbarn, die nur wenige hundert Meter weiter bergauf leben. An jenem Morgen sahen Kaisers Acker­früchte ent­mu­tigter aus, als er selbst war — viele waren ver­welkt oder tot. Fress­lustige Fliegen summten überall herum.

Als ich mit Kaiser Monate später wieder sprach, war er wieder voller Energie. Trotz der Dürre erntete er reichlich und seine Ein­nahmen waren da schon höher als zum selben Zeit­punkt im Jahr zuvor. Das lag zum Teil daran, dass er weniger Kon­kurrenz auf dem regio­nalen Bau­ern­markt hatte. Viele Nach­bar­farmen hatten schwer in dem harten, tro­ckenen Winter gelitten. Einer kaufte sein Gemüse von der Singing Frogs Farm. Aber auch Kaisers eigene Kunden waren wohl­ver­sorgt. „Beim Regio­nal­markt“, sagte Kaiser, „kamen tat­sächlich Leute zu mir und fragten: „Bekommt Ihr Blu­menkohl Drogen?“

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Anmerkung #1

Die Wirk­lich­keitswelt der Arbeit

Mit Land­wirt­schaft Geld zu ver­dienen war immer schon sehr hart. Wenn das nicht stimmte, hätte es nicht diese welt­weiten Wan­de­rungs­be­we­gungen vom Land in die Städte seit dem Beginn der Zivi­li­sation gegeben. In den letzten Jahren jedoch hat die Land­wirt­schaft so etwas wie einen roman­ti­schen Glanz bekommen (zumindest in den USA), was teil­weise der wach­senden Beliebtheit der Regional- bzw. der Von-der-Farm-auf-den-Tisch-Bewegung und ihrem Widerhall in ent­spre­chenden Life­style-Ver­öf­fent­li­chungen geschuldet ist. Der Alltag dieses „Life­style“ ist jedoch ein bisschen komplexer.

Kaisers lang­jäh­rigster Arbeiter ist ein junger drah­tiger Mann namens Marty Renner, der einen Bachelor und Master in Geschichte und einen Dok­torgrad in Ernäh­rungs­wis­sen­schaft hat mit dem Fokus auf die Beziehung zwi­schen Boden und Zahn­ge­sundheit. Diese Abschlüsse und Refe­renzen zusammen mit vier Jahren Erfahrung auf der Singing-Frogs-Farm „erhöhen“ seinen Wert auf einen Stun­denlohn von 15 $ ohne weitere Zuschläge.

Das ist mehr, als die meisten Farmen bezahlen (Farm­ar­beiter bekommen übli­cher­weise eine Art Min­destlohn, der in Kali­fornien gegen­wärtig bei 9 $ steht). Dennoch findet Renner, dass sein Lohn in einer so teuren Gegend wie Sebas­topol nicht sehr hoch ist. „Wenn man nicht ohnehin schon Geld und Land hat, kann man sich mit solch einem Lohn kein Leben im Mit­tel­klas­sen­be­reich leisten.“ Um die Miete im Sonoma County stemmen zu können, nahm Renners Frau eine Arbeit in San Fran­cisco an, das eine Stunde ent­fernt ist. Eine Zeitlang lebte das Paar in einer Hütte auf einem Stückchen Land, das Renners Eltern gekauft hatten. Aber die Abzah­lungen waren so hoch, dass Renners Vater das junge Paar irgendwann vor die Tür setzen musste, um selbst da wohnen zu können. Inzwi­schen ver­dient John Cheatwood, Renners Kollege, genauso viel und es geht ihm gut damit.. Er und seine Frau, die auch arbeiten geht, konnten ihren Stu­di­en­kredit von 42.000 $ innerhalb von drei Jahren abbezahlen.

Wenn man sich ein bisschen näher damit befasst, wird das Bild inter­es­santer. Beide Paare sind jung, beide erwarten ihre ersten Kinder innerhalb von Monaten. Ihre Lebens­um­stände machen also einen fairen Eindruck.

Cheatwood macht sich jeden­falls keine Sorgen. „Jetzt gerade sind wir in einer Tret­mühle“, sagt er. „Es geht nicht vor­wärts, aber auch nicht rück­wärts“. Cheatwood sagt, dass ihr dop­peltes Ein­kommen dafür sorgt, dass sie ihre Rech­nungen bezahlen können, dazu auch die Ver­si­che­rungs­po­licen und sich eine gele­gent­liche Reise mit dem Auto oder eine Abend­ver­an­staltung leisten können. Für diesen Mann reicht das aus. „Wir sehen uns eher in der Arbei­ter­klasse als in der Mit­tel­klasse“, sagt er ohne jede Bit­terkeit. Renner jedoch ver­folgt größere Ziele. Er hat zwei Nebenjobs — in dem einen zieht er 300 Hühner auf seines Vaters Eigentum auf, in dem anderen unter­richtet er Geschichte an der kali­for­ni­schen Uni­ver­sität Ber­keley, mit dem er sich den lang gehegten Traum des Leh­rer­berufs erfüllt. Diese Mischung an Ver­pflich­tungen erschöpft ihn sehr. „In einem guten Teil meiner Freizeit muss ich mich einfach kör­perlich erholen“, sagte er mir. „Wenn meine Frau mit mir kochen oder spa­zieren gehen möchte, muss ich sagen: ‚Nein, ich muss mich ein paar Tage einfach nur aus­ruhen’“ Kurz gesagt, Kaisers wirt­schaft­liche Struktur mag die täg­lichen Bedürf­nisse seiner Ange­stellten zufrie­den­stellen, aber sie scheint nicht stark genug zu sein, ihnen eine Wei­ter­ent­wicklung zu ermög­lichen. Marty Bennett, eme­ri­tierter Pro­fessor für Labor­ge­schichte am benach­barten Santa Rosa Junior College, macht sich Sorgen darüber. „15 $ pro Stunde ohne Zuschläge sind ent­scheidend unterhalb des aktu­ellen Exis­tenz­mi­nimums“, sagt er. Es ist nicht ver­wun­derlich, dass die meisten Farmer selten Men­schen wie Renner und Cheatwood ein­stellen — aus­ge­bildete weiße Männer mit ver­gleichs­weise vielen Mög­lich­keiten. Oder wenigstens nicht auf lange Zeit. (Das vor­herr­schende Zau­berwort in der Welt orga­ni­scher Land­wirt­schaft  lautet „WWOFer“, ein Begriff, der zugleich Unre­gel­mä­ßigkeit und Unzu­ver­läs­sigkeit bedeutet. WWOFer sind Men­schen, die gegen Unter­kunft und Ver­pflegung und Vor-Ort-Aus­bildung und sonst ohne Lohn auf orga­ni­schen Farmen arbeiten möchten (WWOF = Willing to Work on Organic Farms). Mit der Zeit ringt sich jede erfolg­reiche Farm dazu durch, eine pro­fes­sio­nelle Mann­schaft von Latinos anzuheuern“.

Anmerkung #2

Der unsichtbare Tanz der Bodenchemie

In einer Reihe von Boden­tests über die letzten zwei Jahre wiesen Kaisers Felder durch­schnittlich 50 ppm (parts per million) Nitrat auf — doppelt so viel wie die Norm von 25 ppm. Seine Phos­phat­mengen sind noch höher — eine Messung betrug 247 ppm. Das ist ungefähr das Fünf­fache dessen, was als öko­lo­gisch von den Ward-Laboren in Nebraska bezeichnet wird. (Zu den Ward-Laboren siehe weiter oben) „Ich würde sagen, dass das viel zu viel ist“, sagt Direktor Ray Ward ange­sichts des Phosphatgehalts.

Was einigen Boden­wis­sen­schaftler wirklich Sorgen bereitet, mit denen ich sprach: Nach den Stan­dards für Boden­proben sollen der oberen Boden­schicht von 15 cm ent­nommen werden, um sich darauf zu kon­zen­trieren, wo wachs­tums­för­dernde Ele­mente am inten­sivsten sein sollen. In einigen Direkt­saat­s­ys­temen werden diese Proben nur aus einer Schicht von 0 bis 10 cm ent­nommen, weil man all­gemein glaubt, dass ohne Boden­be­ar­beitung mit Pflug oder Egge die Nähr­stoffe unver­mischt bleiben und auf diese Weise dichter an der Ober­fläche. Kaiser jedoch glaubt, da sein Boden so nähr­stoff­ge­sättigt ist, dass sein Profil tiefer gehen muss und dass auch die Wurzeln seiner Acker­früchte dies aus­drücken. Darum testet er generell in einer Tiefe von 23 bis 30 cm.

Welchen Unter­schied macht das? „Ich weiß noch nicht einmal, wie ich das inter­pre­tieren soll“, sagte mir Thomas F. Morris, Pro­fessor für Pflan­zen­wis­sen­schaften der Uni­ver­sität von Con­nec­ticut, der sich auf Boden­frucht­barkeit spe­zia­li­siert hat. Eine Probe ist bedeu­tungslos, wenn sie nicht in der vor­ge­schrie­benen Tiefe vor­ge­nommen wird. Wenn er in 23 bis 30 cm Tiefe misst, bedeutet dies, dass bei 15 cm Tiefe sein Nähr­stoff­gehalt zwei bis vier Mal höher ist. Sein Phosphor betrüge viel­leicht sogar 500 bis 700 ppm, wenn er ordentlich mäße“. Das bedeutet: Das Phosphat in Kaisers Feldern könnte 10 Mal höher sein, als es sein müsste, um das Grund­wasser sauber zu halten.

Aber warum schlagen sich diese hohen Werte nicht in Kaisers Teichen nieder? Die Antwort ist der Schluss­bau­stein in Kaisers Nitrat-Phosphat-Puzzle —  wenigstens fürs erste. Wis­sen­schaftler sagen, dass sowohl Nitrat als auch Phosphat sich im Boden ver­stecken. Nitrat kann von Boden­mi­kroben ver­schluckt werden und wird nur sichtbar, wenn diese sich ent­leeren oder sterben. Phosphor ver­steckt sich anders — er klebt an Erd­par­tikeln und setzt sich über einen Zeitraum von Jahr­zehnten frei, wenn er sich in Regen­wasser löst. Manchmal ent­wi­schen diese Nähr­stoffe und Dut­zende anderer, die gegen­wärtig messbar sein können, allen Tests. Diese letzt­ge­nannte Mög­lichkeit kommt in Frage, weil Kaiser seine Boden­proben in grö­ßerer Tiefe als die meisten anderen vor­nimmt — bei 23 bis 30 cm. Boden­labore ver­langen generell, dass die Proben aus einer Tiefe von 0 bis 15 cm ent­nommen werden, weil in dieser Schicht die Nähr­stoffe am kon­zen­trier­testen sind. Kaiser kümmert sich nicht um solche Vor­schriften, weil er glaubt, dass sie nicht die Tiefe seines Boden­reichtums berück­sich­tigen. Dies nervt die aka­de­mi­schen Experten sehr. „Diese Daten sind wertlos“, sagt Tim Hartz, ein aner­kannter Agronom der kali­for­ni­schen Uni­ver­sität Davis. Thomas Morris, Con­nec­ticut, pflichtet ihm bei: „Ich brauche wirk­liche Zahlen“, sagt er. „Ich brauche einen Bodentest, der den Richt­linien folgt. Er [Kaiser, Anm.] ver­steht das System nicht, Er geht blind vor“. Morris ist sich sicher: „Sein System ist lückenhaft. Wenn er das weitere sieben Jahre bei­behält, wird es mit 99%iger Sicherheit zu einer Umwelt­ka­ta­strophe kommen“.

Ray Ward hat jedoch eine ganz andere Ansicht. Nach Über­prüfung von Kaisers  Boden- und Was­ser­proben und unter Berück­sich­tigung des vollen Aus­maßen von Kaisers Arbeiten kam Ward der Ver­dacht, dass seine Kri­tiker Unrecht haben könnten. Was ihn darauf brachte, waren nur zwei Proben, die im selben Loch in zwei unter­schied­lichen Tiefen gezogen worden waren. Der Test zeigte, dass beide Proben den gleichen Nähr­stoff­gehalt auf­wiesen. Da dieser Test in seiner Art ein­zig­artig war — und noch dazu allem wider­spricht, was die meisten tra­di­tio­nellen Agro­nomen und Boden­wis­sen­schaftler über das Wirken der Frucht­bar­ma­chung wissen — waren die meisten geneigt, ihm keine Beachtung zu schenken. Und doch gleicht er einigen inter­es­santen neuen Studien, die Ward in Nebraska beob­achtete. Diese Studien ver­glichen maschinell bear­beitete Felder mit solchen, die über­haupt nicht bear­beitet werden. Nach ein paar Jahren des Anbaus tes­teten die For­scher die Böden in Schichten von jeweils 4 cm Dicke bis hin­unter zur Tiefe von 20 cm. Zu jeder­manns Über­ra­schung waren die Nähr­stoffe in den bear­bei­teten Böden lang­samer nach unten gewandert als in den nicht bear­bei­teten Böden, wo nichts ver­mischt und unter­ge­pflügt worden war. Die For­scher schlossen daraus, dass in unbe­ar­bei­teten Feldern sich eine viel größere Zahl an Boden­mi­kroben ent­wi­ckeln konnte. Jene Mikroben bil­deten kleine Netz­werke von Straßen und Wegen durch den Boden, sodass sie Nähr­stoffe schneller und effek­tiver trans­por­tieren konnten, als ein Pflug dies kann. „Wenn man solche Poren durch Nicht­be­ar­beitung öffnet“, erklärt Ward, „bewegen sich diese Stoffe rascher wegen der Akti­vität der Würmer“. Mit anderen Worten: Was in der einen Umgebung über­trieben ist, muss es nicht in einer anderen sein. „Paul hat viel­leicht genug Boden ent­wi­ckelt, der diese über­trie­benen Maß­nahmen ver­kraften kann“, sagt Ward. „Er kann das jetzt tun, weil er immer noch orga­ni­sches Material aufbaut. Aber kann nicht auf diese Weise immer so weiter machen, sonst wird der Boden irgendwann überlaufen“.

Ange­sichts von Kaisers beson­deren Umständen ist Ward nicht besorgt wegen dessen hohen Menge an Nitrat (sogar, wenn sie bei 40–55 ppm liegen). Aber Kaisers Phos­phat­mengen beun­ru­higen ihn schon und fast jeden anderen, mit dem ich sprach. Das ist kein Wunder. Mitte Januar berich­teten 18 For­scher im Magazin „Science“, dass die Ver­schmutzung durch Phosphat und Nitrat eine der vier Ver­än­de­rungen dar­stellen, die durch mensch­liches Zutun über Jahr­hun­derte ange­richtet worden ist und die jetzt dabei ist, die Belas­tungs­grenze unseres Pla­neten zu über­schreiten. Das sollte wirklich jeden beun­ru­higen. Über­an­wendung von Phos­phor­dünger — ein Fehler vieler Farmer — trägt noch zu einem anderen sich anbah­nenden Problem bei: die Erschöpfung der welt­weiten Phos­phor­re­serven, die im Bergbau gewonnen werden.

Quelle: netzfrauen.org