Draghis Nied­rig­zins­po­litik – Staatlich geför­derte Enteignung

Die EZB auch heute wieder: Der Nullzins bleibt – Draghi ver­tritt nicht die Inter­essen der EU-Staaten, sondern die der unsolide wirt­schaf­tenden. Keine Über­ra­schung; denn Draghi ist Italiener

Mahner gegen Draghi gab und gibt es genügend. Doch sie beißen sich die Zähne aus. Die Mahner haben ver­geblich ange­mahnt, auch die Skep­tiker, die Kri­tiker, die­je­nigen, die die Geld- und Zins­po­litik von Mario Draghi für äußerst risi­ko­reich halten, viel­leicht sogar für kata­strophal. Unver­drossen bleibt der Chef der Euro­päi­schen Zen­tralbank (EZB) dabei: Die Zinsen werden nicht erhöht. Sie stehen wei­terhin auf null Prozent. Europas Zen­tral­banker aber bleiben bei der extrem lockeren Geld­po­litik. (EZB-Rat heute, 7.9.:

Der Leitzins in der Eurozone bleibt bei null Prozent. Auch beim Ankauf von Staats­an­leihen signa­li­siert die EZB keine Änderungen.)

Und ebenso schlimm: Die EZB hält auch fest an den so umstrit­tenen Käufen von Staats­an­leihen. 60 Mil­li­arden Euro (i. W.: sechzig Mil­li­arden) gibt Mario Draghi jeden Monat dafür aus. Das ergibt eine Rechnung, die inzwi­schen Bil­lio­nen­schwer ist, und es ist immer noch kein Ende in Sicht. Immer mehr Banken erheben schon Nega­tiv­zinsen, auch für ihre Kunden und auch für die kleinen Kunden. Die Erspar­nisse vieler schmelzen dahin, weil es keine Zinsen mehr gibt, und viele Renten- und Ver­mö­gens­an­lagen ver­lieren immer mehr an Wert, weil sie keine Rendite mehr abwerfen.Bla­sen­bildung im Vermögensbereich

Das Ganze führt dazu, daß die Ver­mö­gens­preise, die Preise von Aktien, aber vor allem von Staats­an­leihen und auch von Immo­bilien, immer weiter in die Höhe getrieben werden. Das ist Gift für die Wirt­schaft. Das gefällt zwar den­je­nigen, die Aktien haben, aber auch die Immo­bi­li­en­be­sitzer freuen sich zunächst. Aber diese Freude hat einen Haken: Der Erwerb von Immo­bilien wird natürlich immer schwerer. Und – und das ist das Gra­vie­rendste – irgendwann werden die Preise wieder her­un­ter­gehen. Irgendwann werden die Preise fallen. Das heißt, es besteht die Gefahr letztlich einer Bla­sen­bildung im Vermögensbereich.

Die Wirt­schaft wird auch deshalb nicht belebt, weil durch die lockere EZB-Politik viele ver­un­si­chert werden. Gerade in Deutschland sagen viele, ich spare für die Alters­ver­sorgung, aber bei dem nied­rigen Zins muß ich sogar viel­leicht noch mehr sparen. Das heißt, die Nach­frage steigt nicht in dem Umfang, den man sich erhofft durch die Geld­po­litik, sondern es greift eher Ver­un­si­cherung um sich. Auch die Banken bekommen Schwie­rig­keiten. Die Banken leben vor allem von Zins­dif­fe­renzen, und die werden immer kleiner. Das heißt, der Ban­ken­sektor wird belastet durch diese Politik, so daß, ins­gesamt betrachtet, die Kosten den Nutzen übersteigen.

Irgendwann muß Schluß sein mit dieser lockeren Geld­po­litik, mit dieser Null-Zins-Politik, auch mit der Über­flutung der Märkte mit Geld und mil­li­ar­den­schweren Ankäufen.

Für den EZB-Chef steht offenbar ganz stark das Risiko im Vor­der­grund, es könnte vor allem in den süd­eu­ro­päi­schen Ländern wieder zu Krisen kommen. Und es steht für ihn wohl auch das Risiko im Vor­der­grund, daß eine Straffung der Geld­po­litik unan­ge­nehme poli­tische Folgen in sich berge. Er ist der (irrigen) Über­zeugung, daß diese Geld­po­litik noch etwas bewirkt.

Partei- und wahl­tak­tische Überlegungen

Sowohl bei der EZB als auch über­haupt bei der Politik in Europa treten par­tei­po­li­tische oder wahl­po­li­tische Über­le­gungen stark in den Vor­der­grund. Erinnern Sie sich daran, daß zum Bei­spiel Spanien nicht für seine Defizite bestraft wurde, weil es hieß, nein, sonst hilft man auch dort den „Popu­listen“, an die Macht zu kommen. Das ist hoch pro­ble­ma­tisch, aber diese Haltung greift in Europa um sich – aus Angst vor ver­meint­lichen „Rechts­po­pu­listen.

Euro­päi­sches Recht über Bord geworfen – aus Angst vor den „Popu­listen“

In Frank­reich redet kein Mensch mehr darüber, daß die Fran­zosen seit vielen Jahren immer wieder die Defi­zit­marke reißen. Offenbar ist das in der Politik auch bei Jean-Claude Juncker längst ein­ge­preist. In Frank­reich hatte (und hat) man nämlich Angst davor, den Front National zu unter­stützen. Aber das ist hoch problematisch.

„Wir können nicht euro­päi­sches Recht oder euro­päische Regeln über Bord werfen, nur weil wir Angst haben, daß „Popu­listen“ an die Macht kommen. Das muß ja quasi ermu­tigen, in diesen Ländern diese Leute zu wählen. Aber das ist derzeit ein Trend in der euro­päi­schen Politik, daß man sehr kurz­fristig denkt und Regeln, Ver­träge, die man eigentlich ver­einbart hat, über Bord wirft auf­grund irgend­welcher (partei-)strategischer Überlegungen… 

Letztlich ist das Recht die Grundlage der euro­päi­schen Inte­gration, und deshalb ist diese Tendenz schlecht, und das darf nicht so wei­ter­gehen. Wir müssen da her­aus­kommen. Jetzt ist es ja nicht so, daß auf allen Ebenen dieses Recht nun fort­während gebrochen würde, sondern es gibt Fälle, in denen das zumindest sehr, sehr stark gebeugt wird, und davon müssen wir wieder weg­kommen“, warnt ifo-Prä­sident Prof. Dr. Clemens Fuest, einer der renom­mier­testen und wich­tigsten Wirt­schafts­fach­leute unseres Landes, im DLF.

Ver­mögen ver­nichtet und Omas Sparbuch verpfändet

Sagen wir es ´mal in ein­fachem Deutsch: Es geht zwar in erster Linie um Geld­po­litik, die sich auf das Preis­niveau aus­wirkt und auf den Kon­junk­tur­verlauf. Das Ganze hat aber auch Aus­wir­kungen auf die Sparer, und viele fühlen sich ent­eignet. „Ent­eignung“ klingt hart, aber die Sparer haben sind in aller­erster Linie die Gelack­mei­erten; sie müssen deut­liche Ein­bußen hin­nehmen – letztlich also eine Ver­mö­gens­ver­nichtung. Das heißt, die deut­schen Sparer, die ja mit dieser (ins­be­sondere süd­län­di­schen) Pro­ble­matik gar nicht so viel zu tun hatten, im natio­nalen, euro­päi­schen und inter­na­tio­nalen Kontext, haften jetzt defi­nitiv aber mit – zumindest indirekt („Omas Sparbuch ist ver­pfändet“). Die deut­schen Sparer sind indirekt auch Gläu­biger von Regie­rungen und Unter­nehmen und Haus­halten im Ausland.

Wenn die Großen Fehler machen, haften vor allem auch die Kleinen

Zehn Jahre ist es her, daß die Finanz­krise wie ein Meteorit in Deutschland ein­schlug. Klar, die Pro­bleme auf dem ame­ri­ka­ni­schen Immo­bi­li­en­markt waren damals auch hier­zu­lande bekannt. Kenner wußten, daß zig­tau­sende Hypo­theken auf der anderen Seite des Atlantiks geplatzt waren, aber Amerika schien ja weit weg zu sein, bis dann plötzlich Mitte 2007 klar­wurde, wie tief deutsche Banken in das ame­ri­ka­nische Desaster ver­quickt waren. Erst war es die IKB, dann folgten die Lan­des­banken, schließlich die Pri­vat­banken. Es drohte ein Super-GAU des Finanz­sektors. Zehn Jahre liegt der Anfang der Finanz­krise jetzt zurück.

Leben wir jetzt, was die Finanz­branche angeht, wieder in nor­malen Zeiten? Nein, ein­deutig nicht, denn wir haben nach wie vor eine immer noch vor­handene Finanz­krise in ganz Europa, und die Zins­po­litik der Euro­päi­schen Zen­tralbank ist im Wesent­lichen eine Krisenpolitik.

Clemens Fuest, bezweifelt, daß die lockere Geld­po­litik der Euro­päi­schen Zen­tralbank noch etwas bewirkt. Der Versuch von EZB-Prä­sident Draghi, so das Risiko wei­terer Krisen in Süd­europa zu ver­hindern, muß man deshalb äußerst skep­tisch betrachten – wenn er nicht bereits gescheitert ist. Es ist Zeit, sehr bald, jetzt(!), einen geord­neten Aus­stieg zu orga­ni­sieren; denn wir haben keine Nor­ma­lität an den Finanz­märkten. Wir haben eine Über­flutung der Finanz­märkte mit Geld, wir haben eine Insta­bi­lität innerhalb unserer Wäh­rungszone. Wir haben keine Nor­ma­lität in der Zins­po­litik der EZB, und wir haben auch grund­le­gende Ver­än­de­rungen im Ban­ken­sektor, was etwa die Kre­dit­vergabe angeht.

Markt­wirt­schaft­liche Prin­zipien verletzt

Das Umkippen von Banken wie Domi­no­steine ist zwar heute nicht mehr so sehr zu befürchten wie vor zehn Jahren. Das ist aber im Wesent­lichen darauf zurück­zu­führen, daß damals von poli­ti­scher Seite ein Ret­tungs­schirm auf­ge­spannt worden ist, der markt­wirt­schaft­liche Prin­zipien ver­letzt und nur vor­über­gehend sinnvoll ist. Denn auf Dauer ist das Ersetzen von Markt­ri­siken durch staat­liche Garantien keine Lösung.

Man hätte ver­hindern müssen, daß man über­haupt in eine solche Situation gerät. Und das hängt ganz eng auch mit der hohen Staats­ver­schuldung zusammen und der Pri­vi­le­gierung von Staats­an­leihen, die mas­sen­weise in den Bank­bi­lanzen vor­zu­finden waren, und man sich ein­ge­redet hat, daß Staats­an­leihen niemals aus­fallen könnten, bis man sich darüber klar wurde, daß die Trag­fä­higkeit einiger euro­päi­scher Länder schlicht und einfach nicht mehr gegeben war – von Soli­dität erst gar nicht zu reden.

Die Staats­ver­schuldung galop­piert, die Struk­tur­re­formen bleiben aus

Nachdem die Banken damals mit Staats­knete gerettet worden waren, haben sich die EU-Staaten geschworen, das dürfe nie wieder der Fall werden, aber genau das sehen wir jetzt wieder in Italien. Glaub­wür­digkeit geht anders!

Der Grund liegt auf der Hand, aber wird von ver­ant­wort­lichen Poli­tikern allen­falls kaum hörbar gemurmelt: Die Misere ist deshalb noch nicht zu Ende, weil die Politik sich immer noch ein­redet, wir könnten um die not­wen­digen Struk­tur­re­formen in Europa her­um­kommen. Es gibt erheb­liche Schwie­rig­keiten, Mehr­heiten in den Par­la­menten für struk­tu­relle Reformen in Süd­europa zu finden und schiebt das Problem immer weiter in die Zukunft. Dadurch löst es sich aber nicht, und schon gar nicht von selbst.

Zunächst einmal muß der Preis des Geldes wieder wirken. Wir müssen die Zinsen wieder zu einer markt­wirt­schaft­lichen Wirkung bringen, auch bei der Staats­ver­schuldung – Draghi her, Draghi hin, der meint, dadurch würde die Kon­junktur abgewürgt.

Das Problem ist in der Tat, daß man im Moment immer noch im Kri­sen­modus ist und sich nicht traut, die Zinsen wieder wirken zu lassen. Aber das kann auf Dauer so nicht wei­ter­gehen; denn wir haben immer noch Fehl­an­reize im System, die durch die Sta­bi­li­sie­rungs­me­cha­nismen sogar ver­stärkt worden sind. Der richtige Weg wäre der, zu dem Schritt zurück­zu­kehren, zu dem man eigentlich am Anfang mit dem Euro hin wollte, nämlich, daß die Schul­den­trag­fä­higkeit eines Staates sich im Zins­niveau abbildet.

Wenn die Zinsen zu hoch werden, dann muß sich der Druck auf die Politik erhöhen, mit struk­tu­rellen Reformen die Situation zu ver­bessern. Heute ist es eher so, daß man sich um die Reformen her­um­drückt und durch eine gemein­schaft­liche Haftung ver­sucht, die Staats­fi­nan­zierung sicherzustellen.

Die Zinsen mit diesem Niveau sind auf Dauer schädlich. Sie schaden bei­spiels­weise der deut­schen Alters­vor­sorge. Die nied­rigen Zinsen ermög­lichen es heute vielen nicht, die not­wendige ergän­zende Alters­vor­sorge auf­zu­bauen, die wir auf­grund unserer demo­gra­phi­schen Ent­wicklung brauchen. Es werden Spar­ver­mögen ent­wertet, die Lebens­ver­si­cherung als ein ganz wich­tiges Finan­zie­rungs­in­strument im Alter ist quasi heute kein Konzept mehr. Das kann auf Dauer so nicht bleiben, und diese Not­maß­nahmen, die damals getroffen worden sind, um die gemeinsame Währung zu sta­bi­li­sieren, den Ban­ken­sektor vor dem Umkippen zu bewahren, diese Not­maß­nahmen ent­wi­ckeln sich zunehmend als ein Dau­er­zu­stand, und das darf nicht passieren.

Mehr Sicherheit durch Basel III

Richtig und not­wendig war aber, mehr Eigen­ka­pi­tal­an­for­de­rungen zu stellen – ebenso wichtig wie die Auflage, Staats­an­leihen mit den ent­spre­chenden Risiken in den Bank­bi­lanzen zu bewerten. Stichwort „Basel III“: Basel III, da geht es auch darum, daß die Rück­lagen auf­ge­stockt werden. Die Banken müssen mehr Geld in der Hin­terhand haben, wenn sie in eine Krise kommen.

Wenn man die Eigen­ka­pi­tal­aus­stattung betrachtet, wird deutlich, daß da – was die Robustheit angeht – sicherlich noch Stei­ge­rungs­bedarf besteht. Es gibt auch unter Öko­nomen eine Dis­kussion darüber, ob das wirklich die ange­mes­senen Aus­stat­tungs­quoten sind, oder ob die nicht sehr viel höher sein müssen, um das gesamte System robuster zu machen; denn sonst wird man bei der nächsten Krise ganz andere Fragen zu stellen haben.

Es geht in Basel III auch um die Liqui­di­täts­aus­stattung, was muß man vor­halten als Gegen­bu­chung zu Kre­diten, die man in einer bestimmten Laufzeit aus­ge­reicht hat. Auch das ist etwas, was nicht gerade einfach ist, was auch Ver­än­de­rungen in der Finan­zierung von Unter­nehmen bedeutet. Das bleibt wirklich ganz zentral, bei allem, was wir an Ver­bes­serung sehen. Dem der­zei­tigen Finanz­system steckt noch das Ver­mächtnis der Krise unver­mindert in den Knochen.

In der Ver­gan­genheit war meistens eine Immo­bi­li­en­blase die Ursache für eine Finanz­krise. Und wenn wir uns die Immo­bi­li­en­preis­ent­wicklung anschauen, in vielen Ländern übrigens, auch in Deutschland, dann gibt es durchaus Grund zur Sorge. Das sind alles keine gesunden Ent­wick­lungen, und sie sind darauf zurück­zu­führen, daß wir uns im Augen­blick bequem in einer Noten­bank­po­litik ein­richten, die alles andere als kon­ven­tionell und üblich ist.

Neben­wir­kungen des bil­ligen Geldes inzwi­schen enorm

Georg Fah­ren­schon, Prä­sident des Deut­schen Spar­kassen- und Giro­ver­bandes, mahnt deshalb:

„Dar­unter leiden wir alle. Wir wissen, daß mitt­ler­weile die Kapi­tal­märkte in Unordnung sind. Wir wissen, daß die Lebens­ver­si­che­rungen, wir wissen, daß die Stif­tungen, wir wissen, daß selbst die Gesund­heits­kasse des Bundes dar­unter leiden und natürlich auch die kom­plette tra­di­tio­nelle Kre­dit­wirt­schaft, Spar­kassen, Volks- und Raiff­ei­sen­banken und Privatbanken.“

Des­wegen müssen sich die gemein­samen Anstren­gungen in Europa jetzt darauf richten, der Euro­päi­schen Zen­tralbank es zu ermög­lichen, wieder zu einer nor­malen Geld­po­litik zurück­zu­kehren und diese Dau­er­nied­rig­zins­po­litik zu beenden. Die Zeit des bil­ligen Geldes in Europa sollte enden – trotz des starken Euro.

 

Dieser Beitrag erschien zuerst auf conservo.wordpress.com