Die Ver­treibung aus dem Steuerparadies

Poe­tisch, para­die­sisch: Warum nur werden „Tax Havens“ mit so wohl­klin­genden Namen bedacht? Die Steu­er­oasen gaukeln Anlegern und vor allem solchen, die gerne welche wären, geradezu ein Bild von wogenden Palmen und klarem Brun­nen­wasser vor, inmitten der Steu­er­wüste. Viel­leicht eine Freud’sche Fehl­leistung? Denn nach außen hin geben sich alle empört. Vor allem die, die „para­die­sisch“ inves­tiert sind.

(Von Reinhard Schlieker)

Ins­geheim wäre viel­leicht mancher gern mit von der Partie, der all­mo­natlich hilflos seine Lohn­ab­rechnung betrachtet. Da schlummert dann auch schon eine Antriebs­feder der all­ge­meinen Steu­er­hys­terie: Dass es jemandem offen­sichtlich bes­sergeht als anderen, dass jene sich teuere Anwalts­firmen leisten können und Zugang zu fernen Ländern mit laxer Gesetz­gebung haben. In der Tat eine Art von Ungleichheit, die unver­dient und unver­schuldet ist, je nach Stand­punkt. Was bei nüch­terner Betrachtung aber dazu führen müsste, kon­fis­kato­rische Steu­er­sätze wie in Belgien oder Deutschland mal auf den Prüf­stand zu bringen – mit Sicherheit findet sich eine Vielzahl von Regu­lie­rungen, die den Bürger oder seine Firma eine Menge kosten, ohne dem Staat son­derlich viel ein­zu­bringen. Da wäre schon mal ein Ansatz, mit Ent­rüm­pelung für weniger Belastung zu sorgen.

Was die Ver­wendung der unglaub­lichen Mil­li­arden angeht, die der Staat in diesen Tagen ein­nimmt, weil die Bewohner des Landes die Wirt­schaft am Laufen halten, so hat gerade der Sach­ver­stän­di­genrat seine Emp­feh­lungen gegeben. Welche mit abso­luter Sicherheit stan­tepede im Papierkorb landen, denn ver­nünf­tiges Wirt­schaften und Schonung der Steu­er­pflich­tigen steht bei der Ber­liner Politik nir­gendwo auf der Agenda. Ist das Geld anderer Leute erst einmal dort, so wird sich schon eine mehr oder minder schwach­sinnige Ver­wendung dafür finden. Muss ja nicht gleich so groß geklotzt sein wie bei den sinn­losen Mil­li­arden für die soge­nannte Ener­gie­wende, an der die Welt genesen sollte, oder dem Ver­teilen des Erwirt­schaf­teten an zuge­wan­derte Dea­ler­banden, die dank sozialer Wohl­taten aus und in Berlin jeder Sorge ent­hoben sein dürften, dass flaue Tage im Crack-Business sich exis­tenz­be­drohend aus­wirken könnten.

Es ist unschön, dass manche Ver­mö­gende offenbar bereit sind, zur Ver­meidung relativ unschäd­licher Steu­er­be­träge hor­rende Kosten inter­na­tio­naler Wirt­schafts­kanz­leien auf sich zu nehmen – psy­cho­lo­gisch aber wird es sofort ver­ständlich, wenn man bedenkt, dass ein regel­mäßig erneu­ertes Buch wie „1000 ganz legale Steu­er­tricks“ in Deutschland jah­relang immer wieder die Best­sel­ler­listen anführte. Das wurde bestimmt nicht gekauft, um den Kindern abends daraus vor­zu­lesen. Ein jeder, der nach seinen Mög­lich­keiten trickst und ver­schweigt und schwarz­ar­beitet oder arbeiten lässt, sollte sich zumindest der ganz großen Empörung enthalten.

In der all­ge­meinen Hys­terie dürfte es auch kaum gelingen, auf die eigentlich durchweg gel­tende Unschulds­ver­mutung hin­zu­weisen oder die Tat­sache, dass die Recherchen jener 400 Jour­na­listen über ein ganzes Jahr hinweg ja damit begonnen haben, dass jemand Daten­dieb­stahl begangen hat – was wir Facebook oder Google nicht ver­zeihen, auch wenn die es mit Zustimmung der Kund­schaft tun, nämlich fremde Daten zu Geld machen, das ist plötzlich nicht der Rede wert, wenn es nur die Reichen trifft.

Wäre nur noch zu klären, ab welchem Jah­res­ein­kommen das Grund­recht auf infor­ma­tio­nelle Selbst­be­stimmung nicht mehr gilt und ab welchem Ver­mögen sich jemand auto­ma­tisch nicht mehr auf die Unschulds­ver­mutung berufen darf. Das sollte man dann aber fai­rer­weise auch ver­suchen, rechtlich zu ver­ankern, damit die Betref­fenden wissen, was ihnen blüht, wenn der Dieb kommt. Ansonsten ist noch zu ver­muten, dass die eif­rigen For­scher in den Redak­ti­ons­stuben ganz tapfer sein müssen, wenn sie zusehen, wie ihre Fleiß­arbeit den Weg alles Irdi­schen geht: In Zeiten der all­ge­meinen Hys­terie und Auf­ge­regtheit über wirklich jede Neben­säch­lichkeit werden die Para­dies­pa­piere in Kürze nur noch Para­dies­vögel inter­es­sieren – und die Welt dreht sich weiter.

Diese Kolumne erschien zuerst in Ihrer BÖRSE am Sonntag und TheEuropean.de

 

https://dieunbestechlichen.com/2017/06/wie-die-gier-belohnt-wird-erwin-mueller-und-die-cum-ex-deals/