Didier Jansen - Liberté, Égalité, Fraternité - flick.com CC BY-NC 2.0

“Libe­ralala” bis zum Untergang?

Einer der fol­gen­reichsten Irr­tümer unserer Zeit ist es, die Belie­bigkeit mit dem Libe­ra­lismus zu ver­wechseln. Diese Kon­fusion hat zwei Gründe: In Kon­ti­nental-Europa hat der echte Libe­ra­lismus keine wirk­liche Tra­dition und man hat den Begriff “liberal” in den letzten Jahr­zehnten oft miss­braucht, um vor­wiegend linke Inhalte damit zu über­tünchen und umzumünzen.

Links ist nicht liberal

Der Sozia­lismus, der heute “Sozi­al­de­mo­kratie” heisst, hat nicht nur den Begriff Demo­kratie in diese seine nicht mehr ganz neue Selbst­de­fi­nition geschummelt, sondern er ver­wendet auch liebend gern das Wörtchen “liberal”, wenn es um die Bewerbung und Ver­harm­losung der sozia­lis­ti­schen Ideo­logie geht: Links­li­beral nennen sich heute alle jene, die gern modern sein wollen und sich dabei als frei­zügig, pro­gressiv und huma­nis­tisch gerieren, letztlich aber doch nur Inter­na­tional-Sozia­listen und Kol­lek­ti­visten alter Schule sind.

Alles, was links ist, kann grund­sätzlich nicht liberal sein, denn das Wesen des Linken ist das kol­lek­ti­vis­tische, staats­ori­en­tierte und ver­mö­gens­um­ver­tei­lende, eigen­tums­feind­liche Denken — ganz egal, ob man nun ein blut­roter Kom­munist oder “nur” ein hell­roter Salon-Sozialist ist. Links und liberal sind gegen­sätz­liche Begriffe, dazu haben schon die beiden welt­be­rühmten öster­rei­chi­schen Natio­nal­öko­nomen Ludwig von Mises und Friedrich August von Hayek glän­zende Ana­lysen verfasst.

Der schludrige Gebrauch der Begriffe

Die bei uns so unsaubere Begriffs­ver­wendung des “Libe­ralen” machte es möglich, dass allzu viele Leute heute glauben, liberal sein heisst auto­ma­tisch, alles gut zu heissen, was irgendwer irgendwo irgendwie für richtig befindet, nur weil es ihm grad passt. Jede x‑beliebige gesell­schafts­po­li­tische Idee findet dadurch ihre Anhänger und wird von den falsch­mün­zenden Libe­ralen für legitim erklärt, weil doch angeblich ein jeder das Recht auf indi­vi­duelle Selbst­ver­wirk­li­chung und Selbst­be­stimmung hat ‑egal, wie diese auch aus­sehen mag.

Auf diese Weise haben absurde und gesell­schafts­zer­set­zende Ansprüche wie die Ehe für Alle oder das “Recht auf Abtreibung” den Anschein erhalten, als Anliegen grund­sätzlich in Ordnung zu sein und poli­tisch wie gesell­schaftlich unter­stützt werden zu müssen. Das wild um sich grei­fende und undif­fe­ren­zierte Belie­big­keits­denken im Mantel des Libe­ralen mani­fes­tiert sich in der fal­schen Toleranz allem und jedem gegenüber.

Eigene Meinung: Lieber keine!

Das einzige, was nicht tole­riert wird, sind die Wert­ur­teile, die mit dem tole­ranz­be­sof­fenen, stets diffus dahin­wa­bernden und sich als huma­nis­tisch gebenden Main­stream nicht über­ein­stimmen. Man hat für die Kennt­lich­ma­chung dieses Into­le­rablen das Instrument der Poli­tical Cor­rectness erfunden. Mit ihr hat das Belie­big­keits­denken seine end­gültige soziale Legi­ti­mation und damit seine Vor­macht­stellung erhalten. Ergebnis: Man nennt sich heute “liberal” und ist doch nur beliebig, denkfaul und angepasst.

Der letzte Mensch

Aus dieser begriff­lichen Kate­go­rien­ver­wechslung ent­stehen nun immer weitere Denk­fehler, die letztlich zu haar­sträu­benden gesell­schaft­lichen Ver­wer­fungen führen und beim Ein­zelnen nur noch Des­ori­en­tierung hin­ter­lassen. Wenn alles beliebig ist und wenn es egal wird, wie die Indi­viduen ihr Leben gestalten, dann mündet das all­ge­meine Denken zwangs­läufig in einen gesell­schaft­lichen Nihi­lismus, in dem nur noch der schnelle Kick, das Event und das “Hier und Jetzt” zählen.

Sämt­liche selbst­ver­ant­wort­liche Lebens­ent­würfe werden dann sekundär und am Ende sogar obsolet — am besten man dele­giert seine Lebens­ge­staltung daher gleich an den Staat und an die Medien, die werden es schon richten. Die Haupt­sache ist doch, wir haben Spaß! Und damit sind wir bei Nietzsche‘s letztem Men­schen ange­langt: Der hat sein Lüstchen für den Tag und sein Lüstchen für die Nacht — und blinzelt.

Dr. Marcus Franz / thedailyfranz.at