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Die CDU braucht kein Mensch!

„Will die CDU eigentlich auch was?“, fragt Robin Alex­ander in der „Welt am Sonntag“. Nein, die CDU ist jetzt ganz Merkel. Sie will nichts, außer zu regieren.

(Von Dr. Rainer Zitelmann)

Seit Wochen hört man täglich, was die CSU, die FDP oder die Grünen bei den Jamaika-Son­die­rungen erreichen wollen. Darüber, was die CDU will, gibt es keine Berichte, was auch kein Wunder ist. Sie will ja nichts. Das sollte die Ver­hand­lungen eigentlich ein­facher machen.

Die CDU steht für – nichts. Schon das Wahl­kampf-Pro­gramm war absurd: Als Haupt­for­derung erklärte die CDU aus Ver­le­genheit, sie wolle die Arbeits­lo­sigkeit bei 2025 hal­bieren. Dabei emp­finden bei Umfragen (ZDF-Polit­ba­ro­meter) gerade einmal 8 bis 9 Prozent der Deut­schen die Arbeits­lo­sigkeit als Problem, während sich jeder zweite Sorgen macht um die Pro­bleme im Zusam­menhang mit der Zuwanderung.

Die CDU ist jetzt ganz Merkel

Die CDU ist jetzt genau dort ange­kommen, wo Merkel schon lange ist. Merkel will schließlich auch nichts – außer zu regieren. Sie ist die typische machia­vel­lis­tische Poli­ti­kerin, die den Oppor­tu­nismus und den Macht­erhalt um seiner selbst willen zum Pro­gramm gemacht hat. Deshalb dürfte es ihr sehr schwer fallen, die anderen Ver­hand­lungs­partner zu ver­stehen, die darüber hinaus auch inhalt­liche Anliegen haben.

Merkel wird auch nicht, wie von manchen Ver­schwö­rungs­theo­re­tikern ange­nommen, von irgend­welchen geheimen Mächten aus Amerika fern­ge­steuert. In dem kind­lichen Weltbild dieser Men­schen ist kein Platz für eine Poli­ti­kerin, die nichts will und für nichts steht – außer für sich selbst. Obwohl Merkel auf den ersten Blick das Gegenteil von Donald Trump zu sein scheint, ist sie ihm in vieler Hin­sicht ähnlich. Sie ist nur kon­se­quenter als Trump, der hie und da außer der eigenen Macht doch noch Über­zeu­gungen hat.

Merkel dagegen ist schon früh in ihrer Kar­riere zu der Über­zeugung gelangt, dass irgend­welche inhalt­lichen Anliegen beim Streben nach Macht nur hin­derlich sind. Sie hat seit Jahren die Union auf einen grünen Kurs gebracht, weil sie als Macht­po­li­ti­kerin gesehen hat, dass die Option eines Bünd­nisses mit den Grünen irgendwann wichtig wird, um ihre Macht zu sichern. Und weil sie wusste, dass die Mehrheit der Jour­na­listen grün denkt.

Merkel nicht unterschätzen

Die Geschichte Merkels ist die Geschichte ihrer Unter­schätzung. Eine durch­schnitt­liche Frau, ohne irgend­welche inhalt­lichen Anliegen, wäre nie zur mäch­tigsten Frau der Welt geworden, wenn sie nicht bei einem ein­zigen Thema weit über­durch­schnittlich wäre, und zwar als Macht­po­li­ti­kerin. Bisher hat sie jeden Koali­ti­ons­partner klein gemacht – und die FDP fast ver­nichtet. Sie hat alle inner­par­tei­lichen Gegner, die ihr irgendwie hätten gefährlich werden können, aus­ge­schaltet. Sie hat sogar Helmut Kohl gestürzt, und der war wirklich ein begna­deter Macht­po­li­tiker. Wer glaubt, Merkel auf dem Gebiet der Macht­po­litik schlagen zu können, könnte eines Tages mit der bit­teren Erkenntnis auf­wachen, dass er sich in die Reihe der­je­nigen ein­reiht, die sie unter­schätzt haben. Wenn sie in einer Jamaika-Koalition die Grünen unter die 5‑Prozent-Hürde drücken würde, hätte sie für Deutschland doch eine gute Tat getan. Um die FDP täte es mir aller­dings leid, denn in der Oppo­sition hätte sie das Potenzial, 20 Prozent zu erhalten, in der Regierung hin­gegen könnte es ihr so gehen wie es allen bislang ging, die sich mit Merkel ein­ge­lassen haben.

Die CDU braucht kein Mensch – außer Merkel

Die Wähler wachen langsam auf. Die Union hat bei der letzten Umfrage so wenig Zustimmung bekommen (30 Prozent) wie seit sechs Jahren nicht mehr. Warum auch CDU wählen? Wer für „soziale Gerech­tigkeit“ ist, kann SPD oder die Linke wählen. Wem Öko­themen wichtig sind, der wählt grün. Wer für eine bür­gerlich-liberale Politik und Markt­wirt­schaft ist, hat in der FDP eine Alter­native. Und wem kon­ser­vative und rechte Posi­tionen am Herzen liegen, kann AfD wählen. Da fragen sich immer mehr, warum sie CDU wählen sollen. Die CDU braucht kein Mensch. Außer Merkel.

Dr. Rainer Zitelmann / TheEuropean.com