Ent­eignung — weil es mit der Inflation nicht klappt?

Schulden können nicht ewig schneller wachsen als die Wirt­schaft. Um sie los­zu­werden, setzen Politik und Noten­banken auf Inflation. Und wenn die nicht kommt auf Enteignung.

William White gehört zu jenen, die die Finanz­krise vor­her­sagten. Der damalige Chef­volkswirt der Bank für Inter­na­tio­nalen Zah­lungs­aus­gleich in Basel („Notenbank der Noten­banken“) legte sich beim all­jähr­lichen Noten­banker-Treffen in Jackson Hole mit Alan Greenspan an und warnte vor den Folgen der Politik des bil­ligen Geldes. Bekanntlich ohne Erfolg. Nicht nur Greenspan, sondern auch die anderen Teil­nehmer nahmen die Mahnung nicht ernst.

Untragbare Schulden

Der Rest ist Geschichte. Heute warnt White erneut vor den Folgen der Politik zu bil­ligen Geldes. Weltweit wachsen die Schulden noch schneller als vor der Krise 2008, Blasen an den Finanz­märkten sind unüber­sehbar und niemand macht sich groß Sorgen. Was soll man ange­sichts der tiefen Zinsen schon anderes machen, als Aktien und andere Ver­mö­gens­werte zu kaufen? So die Logik derer, die es als „alter­na­tivlos“ ansehen, mit­zu­machen im großen Spiel der Suche nach dem Greater Fool.

Dabei ver­folgen die Noten­banken mit ihrer Politik zwei Ziele: die Sta­bi­li­sierung des bestehenden Schul­den­berges durch Auf­recht­erhalten der Illusion der Bedien­barkeit und zugleich eine Inflation um die Schulden – und damit die For­de­rungen – zu ent­werten. Das erste Ziel haben sie bisher erreicht. Mit dem zweiten Ziel sieht es schlecht aus. Allen Bemü­hungen zum Trotz ver­harrt die Infla­ti­onsrate auf tiefem Niveau. Nur in den Ver­mö­gens­märkten herrscht Inflation. 

Stellt sich die Frage: wie umgehen mit einer Schul­denlast, die immer wei­ter­wächst und die Real­wirt­schaft zunehmend belastet?

Keine schmerz­freie Lösung

Schon 2010 hat William White dazu in der „Financial Times“ einen Gast­beitrag ver­öf­fent­licht, der auch dem letzten Opti­misten vor Augen führt, wohin uns 30 Jahre bil­ligen Geldes und leichter Ver­schuldung gebracht haben: „We need a plan B to curb the debt head­winds“. Nach einer kurzen Zusam­men­fassung der Situation dis­ku­tiert White vier Mög­lich­keiten, mit dem Schul­denberg umzu­gehen: 

  • Sparen und zurückzahlen
  • Aus dem Problem herauswachsen
  • Die Schulden abschreiben
  • Ent­wertung durch Inflation

Ein­schätzung von White: sparen und zurück­zahlen ist poli­tisch nicht ver­kraftbar, schon gar nicht, wenn es mehrere Länder gleich­zeitig ver­suchen. Höheres Wirt­schafts­wachstum setzt Reformen voraus, die in schlechten Zeiten schwer durch­zu­setzen sind. Schul­den­schnitte wären denkbar, sind aber unpo­pulär. Ver­bleibt nur die Inflation als ver­meintlich schmerz­freie Lösung. 

Heute, sieben Jahre später kann man nur sagen, dass White Recht hatte mit seiner Ein­schätzung: die Kri­sen­länder haben mehr, nicht weniger Schulden (Staaten und Private zusammen). Reformen gab es zwar, aber ohne den gewünschten Effekt beim Wirt­schafts­wachstum, zu schwer wirken die Gegen­winde aus Über­schuldung und Demo­grafie. Schul­den­schnitte gab es nur in Grie­chenland und auch dort wurden sie nur sehr halb­herzig umge­setzt. Inflation wurde pro­biert – bislang ohne Erfolg. 

Wäre Inflation leicht zu erreichen, hätten wir sie schon längst. Zu groß sind aber die defla­tio­nären Kräfte aus Über­schuldung, Demo­grafie, schwacher Pro­duk­ti­vi­täts­ent­wicklung, neuen Tech­no­logien und feh­lender Berei­nigung von Über­ka­pa­zi­täten und Zom­bie­un­ter­nehmen. Letz­teres auch Folge der Politik bil­ligen Geldes.

Dass es nicht zur Inflation kommt, ist aus Sicht der poli­tisch Ver­ant­wort­lichen und der Schuldner mehr als misslich. Solange der Schul­den­überhang bestehen bleibt, wird die Wirt­schaft nicht zu nach­haltig höheren Wachs­tums­raten zurück­kehren – trotz der guten Kon­junktur zurzeit. Damit wächst aber die Gefahr poli­ti­scher Unfälle, wie bei­spiels­weise die Wahl einer euro­kri­ti­schen Regierung in Italien. 

Also doch offen

Bleibt keine andere Wahl, als das Schul­den­problem offen anzu­gehen. Am ver­nünf­tigsten wäre es natürlich, die faulen pri­vaten und staat­lichen Schulden durch Schul­den­schnitte zu redu­zieren. Die Schuldner würden nur einen Teil der Ver­pflich­tungen erfüllen, die Gläu­biger ent­spre­chend ver­lieren. Das wäre die fairste Vor­ge­hens­weise, tragen doch auch die Gläu­biger eine Mit­schuld, wenn sie unso­liden Staaten, Banken oder Unter­nehmen Kredit gewähren. Prak­tisch wäre eine schwere Rezession die Folge, da die Banken alleine in der Eurozone min­destens 1000 Mil­li­arden ver­lieren würden. 

Aus diesem Grunde habe ich schon 2011 die Mög­lichkeit dis­ku­tiert, dass die Staaten durch Ver­mö­gens­ab­gaben den Schul­den­abbau finan­zieren. Auch diese sind natürlich nicht populär, haben aber den Vorteil, dass sie geordnet voll­zogen und damit die gesamt­wirt­schaft­lichen Folgen begrenzt werden können.

Nun, im Jahre 10 seit Aus­bruch der Finanz- und im achten Jahr der Euro­krise, kommt das Thema erneut auf die Agenda. In Deutschland wenig beachtet, hat France Stra­tegie, ein staats­naher fran­zö­si­scher Think Tank vor­ge­schlagen, die Staats­schulden der Eurozone durch Abgaben auf Immo­bilien zu finan­zieren. Der Staat soll – so der Vor­schlag – Mit­ei­gen­tümer werden und dafür jährlich eine Ver­zinsung bekommen. Zahlen die Eigen­tümer nicht jährlich, sollen Ein­mal­zah­lungen bei Verkauf oder Erb­schaft anfallen. Ver­bunden wird diese Über­legung mit der For­derung nach mehr „Soli­da­rität“ und Umver­teilung innerhalb der Eurozone.

Immo­bilien trifft es immer

Schon in frü­heren Bei­trägen habe ich auf die Gefahren der Geld­anlage in Immo­bilien hin­ge­wiesen. Zwar gehören Immo­bilien in jedes diver­si­fi­zierte Port­folio, aller­dings muss man sich der erheb­lichen Gefahren des Zugriffs des Staates bewusst sein. Miet­preis­bremse und neu­er­dings „Milieu­schutz“ geben einen Vor­ge­schmack auf das, was noch kommen könnte.

So ist es kei­neswegs neu, Immo­bilien mit Zusatz­ab­gaben zu belegen (Lesen Sie dazu: Vor­sicht Ent­eignung! – Werden Zwangs­ab­gaben auf Immo­bilien bereits heimlich vor­be­reitet?). In der Wei­marer Republik wurde die Haus­zins­steuer ein­ge­führt, um Immo­bi­li­en­be­sitzer nach der Hyper­in­flation höher zu besteuern. Die Nazis haben später die Mög­lichkeit geschaffen die Steu­er­schuld auf einen Schlag zu bezahlen, die soge­nannte Hausz­ins­ab­gel­tungs­steuer. So inno­vativ ist France Stra­tegie nun also wahrlich nicht. 

Auf den ersten Blick leuchtet es ein, dass sich die Über­le­gungen auf Immo­bilien fokus­sieren. Steht doch der Wert­zu­wachs der Immo­bilien hinter dem von Thomas Piketty und anderen bedau­erten Zuwachs an welt­weiten Ver­mögen. Rechnet man die Immo­bilien heraus, gibt es das Problem nicht.

Auf den zweiten Blick wird es pro­ble­ma­ti­scher. Hinter der Ent­wicklung der Immo­bi­li­en­preise steht – für Leser dieser Kolumne keine Neu­igkeit – der Anstieg der Ver­schuldung. In unserem Geld­system können Banken fak­tisch unbe­grenzt Kredite ver­geben und damit neues Geld schaffen. Am liebsten machen sie das zur Finan­zierung von „risi­ko­freien“ Assets, also vor allem Immo­bilien. Somit leihen wir uns immer mehr Geld, um uns wech­sel­seitig zu immer höheren Preisen vor­handene Ver­mö­gens­werte zu ver­kaufen. Ohne den Anstieg der welt­weiten Ver­schuldung, wäre der Boom der Immo­bilien gar nicht möglich gewesen.

Käme es nun zu der Son­der­steuer auf Immo­bilien darf getrost davon aus­ge­gangen werden, dass die Preise von Immo­bilien deutlich unter Druck geraten. Damit würden die Sicher­heiten der Banken an Wert ver­lieren und nicht wenige Immo­bi­li­en­be­sitzer in Schwie­rig­keiten geraten. Folge wäre somit auch bei diesem Vor­gehen eine (erneute) Bankenkrise. 

Ver­mögen bleiben gefährdet

Will man diesen Effekt ver­hindern, muss man alle Ver­mögen besteuern, um die Last breit zu ver­teilen. Ver­mutlich dient die Idee den Beratern des fran­zö­si­schen Prä­si­denten Macron ohnehin nur als Ver­suchs­ballon um eine andere For­derung poli­tisch durch­setzbar zu machen: die direkte Staats­fi­nan­zierung durch die EZB. Immer mehr scheint die Politik in der Eurozone zu erkennen, dass die Krise ohne eine echte Ver­rin­gerung der Schulden nicht über­wunden werden kann. Will man keine Schul­den­schnitte oder Ver­mö­gens­ab­gaben ein­führen, was ange­sichts der unklaren real­wirt­schaft­lichen Folgen mit erheb­lichen Risiken ver­bunden wäre, bleibt nur der massive Einsatz der Geld­po­litik, um letztlich über eine Zer­rüttung des Ver­trauens in Geld eine Inflation zu erzeugen. 

Aus Sicht des Ver­mö­gens­be­sitzers bleibt die Initiative aus Frank­reich ein Weckruf erster Ordnung: 

  • Umver­teilung und Schul­den­so­zia­li­sierung bleiben das Kernziel unserer Part­ner­länder im Euro.
  • Finan­ziert werden soll die Soli­da­rität über Steuern auf Ver­mögen, die tief in Eigen­tums­rechte eingreifen.
  • Sollte es nicht dazu kommen, wird auf die Mone­ta­ri­sierung der Schulden gesetzt. 

So oder so bleibt es beim Ziel der Ver­rin­gerung der Schulden – und damit der Ver­mögen. Europa bleibt ein schlechter Platz für Kapi­tal­be­sitzer. Zeit, die Kon­se­quenzen zu ziehen.

Dr. Daniel Stelter / www.think-beyondtheobvious.com