Die Abgewählte lässt nicht locker. Unter allen Umständen will sie Kanzlerin bleiben. Wie gut, dass ihr da noch jemand einen Gefallen schuldet. Und so wird immer wahrscheinlicher, dass nach dem Jamaika-Aus nun ein Linksbündnis aus Union und SPD zusammenfindet. Nach dem Sondierungsdebakel will Angela Merkel rasch Nägel mit Köpfen machen, um gemeinsam mit den sich nur noch halbherzig wehrenden Genossen auch in den nächsten vier Jahren an der Macht zu bleiben. Da kommt der von ihr selbst installierte Bundespräsident wie gerufen. Neuwahlen dürfe es keinesfalls geben, warnten am Sonntag unisono der scheidende CSU-Vorsitzende Seehofer und CDU-Fraktionschef Kauder. Die Demokratie sei in Gefahr, Radikale würden gestärkt und man könne ja nicht so lange wählen lassen, bis es passt. Es gäbe gar einen Wählerauftrag für eine CDU-geführte Regierung, und es sei nun an der SPD, sich der Umsetzung nicht zu verschließen. Tatsächlich ist es die nackte Angst vor weiteren Verlusten, die aus den Warnungen vor Neuwahlen spricht. Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Merkels Getreue so vehement nach einer schnellen Regierungsbildung verlangen. Niemand muss so viel Sorge haben wie CDU und CSU, bei einem neuerlichen Urnengang noch tiefer abzurutschen. Umfragen zeigen, dass die Union mit dem schlechtesten Ergebnis seit Bestehen der Bundesrepublik rechnen müsste. Inzwischen lehnt eine Mehrheit der Deutschen auch eine weitere Kanzlerschaft Angela Merkels ab.
Die vergangene Legislaturperiode hat gezeigt, dass die SPD nicht davon profitieren kann, wenn eine Merkel-Regierung ihre Handschrift trägt
Zwar bemühen sich Deutschlands Redaktionen hingebungsvoll, eine Minderheitsregierung mit Merkels grünem Wurmfortsatz im Spiel zu halten, doch dürfte längst feststehen, dass Gabriel, Nahles & Co. ein weiteres Mal als Mehrheitsbeschaffer fungieren werden – zur Not auch ohne Martin Schulz. Allerdings rumort es in der SPD. Die Flügelkämpfe sind voll entbrannt. Dabei verlaufen die Gräben nicht mehr nur zwischen ultralinken und weniger linken Gesinnungstätern, sondern vor allem zwischen Realisten und Opportunisten. Am Ende könnten jene Mahner recht behalten, die der verzwergten SPD vorhersagen, dass eine weitere Merkel-Schrumpfkur die Substanz der Partei angreifen werde. Die Genossen dürften in einer künftigen Regierungskoalition zwar einen Großteil ihrer Ziele umsetzen, weil eine ausschließlich am Machterhalt interessierte Kanzlerin die wenigen verbliebenen CDU-Positionen opfern wird. Doch die vergangene Legislaturperiode hat gezeigt, dass die SPD nicht davon profitieren kann, wenn eine Merkel-Regierung ihre Handschrift trägt. Viel zu sehr wildert die auf links gedrehte CDU längst im ehemals klassischen SPD-Revier. Für die Wähler sind Angela Merkel und die SPD nicht mehr unterscheidbar. Ungemach droht aber nicht nur den Sozis, sondern vor allem Deutschlands Steuerzahlern, wenn sich die 20%-Partei mit ihrer Forderung nach einer europäischen Sozialunion, höheren Einkommenssteuern oder dem Familiennachzug für subsidiär Schutzberechtigte durchsetzt.
Der Mann, der Angela Merkel das Amt des Bundespräsidenten verdankt, sieht nun die Stunde gekommen, sich erkenntlich zu zeigen
Ironischerweise könnte eine künftige “Große Koalition” trotz massiver Verluste weiterhin komfortabel regieren, weil die vier Oppositionsparteien zu sehr mit der gegenseitigen Abgrenzung beschäftigt sind. Dies vor allem deshalb, weil niemand in den Verdacht geraten will, gemeinsame Sache mit der AfD zu machen. Schon aus diesem Grund fürchten Merkel und ihre Getreuen eine Minderheitsregierung wie der Teufel das Weihwasser. Kaum auszudenken, wenn sie in einer Bundestagsabstimmung einmal auf die Unterstützung der AfD-Fraktion angewiesen wären. Dies zu verhindern, ist der aktuelle Auftrag an Frank-Walter Steinmeier. Der Mann, der unter Merkel acht Jahre lang als Außenminister dienen durfte und ihr das Amt des Bundespräsidenten verdankt, sieht nun die Stunde gekommen, sich erkenntlich zu zeigen. Nur zu gerne hatte er SPD-Chef Schulz zu sich zitiert, um ihn darauf zu verpflichten, seiner Gönnerin eine vierte Amtszeit zu bescheren. Steinmeier versteht sich offenbar weder als unparteiisch, noch als überparteilich. Ohnehin ist die Rolle des Bundespräsidenten in der Berliner Kungelrepublik klar definiert, seit Horst Köhler weggemobbt wurde: Deutschlands Staatsoberhaupt soll die Berliner Politik in Ruhe lassen, artig Gesetze unterzeichnen und alles dafür tun, dass die Macht der Regierenden nicht in Gefahr gerät. Am Ende wird alle Kungelei die CDU nicht davor bewahren können, sich erneuern zu müssen. Denn auch wenn sie nun noch ein bisschen weiterregieren darf, ist Merkels Uhr abgelaufen. Die eingelöste Schuld eines treuen Weggefährten kann darüber nicht hinwegtäuschen.
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