Deutsche Frei­heits­kämpfer: Volksheld Joß Fritz und 500 Jahre Bundschuh-Bewegung

Vor lauter Luther hat die Medien-Schi­ckeria im schei­denden Jahr 2017 einen wirk­lichen Volks­helden über­gangen. Der badi­schen Bau­ern­führer Joß Fritz rief im Jahr 1517 zum dritten und letzten Auf­stand der Bund­schuh-Bewegung gegen Knecht­schaft und Fron unter Kirche und Adel. Dabei wagte Fritz Kopf und Kragen für die Freiheit. Der gefeierte Augus­tiner-Mönch Bruder Martin ris­kierte allen­falls einen blauen Daumen, als er zur selben Zeit seine 95 Thesen an die Schloß­kirche zu Wit­tenberg nagelte.
Anders als Luther hielt sich der Anführer der badi­schen Auf­stän­di­schen nicht mit „theo­lo­gi­schen Dis­puten“ auf. Die Liste seiner For­de­rungen umfaßte nur ein Dutzend Punkte. Aber die hatten es in sich. Es waren frei­heitlich-demo­kra­tische Ansprüche, die sich bis heute sehen lassen können. Der Bund­schuh verlangte:
 

  • keinen Herr über sich außer Gott, Kaiser und Papst
  • kein Gericht außer dem am Wohnort
  • kirch­liche Gerichte allein für die Geistlichkeit
  • nur eine einzige Pfründe für jeden Kleriker
  • Ver­teilung der übrigen Kir­chen­güter an Arme
  • Tilgung des Zehnten, unbil­liger Steuern und Zölle
  • Zins­zah­lungen nur bis zur Höhe des Dahrlehens
  • Nutzung von Wald und Weide für jedermann
  • Fisch- und Vogelfang frei
  • ewiger Friede für die Christenheit
  • Unan­tast­barkeit für Mit­glieder des Bundschuh
  • Strafe für ihre Gegner

 
Im badi­schen Unter­grombach, wo Joß Fritz 1470 als Sohn der Leib­ei­genen Michel und Mag­dalena Fritz geboren ist, tragen zwei Schulen heute noch seinen Namen. Der Ort ist inzwi­schen nach Bruchsal ein­ge­meindet. Die Unter­grom­bacher habe feiern alle zwei Jahre ein Fest zu seinen Ehren. Der süd­deutsche Hei­mat­dichter Ludwig Gang­hofer beschrieb das Leben Frei­heits-Kämpfers in dem Roman „Das neue Wesen“, erschienen 1902. Lie­der­macher Franz-Josef Degen­hardt aus dem west­fä­li­schen Schwelm widmete ihm 1973 eine Ballade, die von der Netz­plattform Youtube in meh­reren Fas­sungen abrufbar ist. Unter andrem unter:

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Zeitnah ver­ewigte Albrecht Dürer (1471 — 1528) den Volks­helden in einem Holzschnitt
 
 

Bildnis des Joß Fritz von Albrecht Dürer (gemeinfrei)

 
 
Die Erdentage des Vor­kämpfers für Men­schen­rechte fielen in eine Zeit des Auf­bruchs. 1359 hatte der Frei­burger Fran­zis­kaner-Mönch und Alchemist Berthold Schwarz das Schieß­pulver ent­deckt. Das ver­än­derte die Kriegs­technik grund­legend. Kaum erwachsen ver­dingte sich Joß Fritz als Lands­knecht und kam so in Europa herum. Kauf­manns-Gilden der Hanse sorgten für emsigen Aus­tausch von Gütern über Staats­genzen hinweg. Große Unter­nehmer wie die Fugger und Welser kamen zu Augsburg zu unge­ahntem Wohlstand.
Um 1440 erfand der Mainzer Johann Gutenberg den Buch­druck. Zuvor kannte man nur Abschriften von Hand, was die Auf­lagen natur­gemäß beschränkte. Danach ver­brei­teten Flug­blätter und andere Schriften mit wach­sender Auflage Nach­richten, Mei­nungen und Ergeb­nisse der Wis­sen­schaft über Land und Meer. So erfuhr auch Joß Fritz von den Vor­gängen in der Welt, weil er lesen und schreiben konnte.
Der Por­tu­giese Bar­to­lomeu Diaz umse­gelte 1487 die Süd­spitze Afrikas. 1492 gelangte Christoph Kolumbus mit drei Cara­vellen bis Mit­tel­amerika. Fritzens etwa gleich­al­terige Zeit­ge­nosse Nikolaus Koper­nikus aus dem pom­mer­schen Thorn erkannte, daß sich die Erde um die Sonne dreht, nicht umge­kehrt wie die Kirche es wahr haben wollte.
In England Jetzt machte John Wicliff von sich reden, der den welt­lichen Macht­an­spruch des Papstes bestritt. In Böhmen beklagte Johannes Hus, daß die Geist­lichkeit durch Gewinn­sucht und Heu­chelei die Kirche in Verruf brachte. 1476 erschien die „Refor­matio Sigis­mundi“ im Druck, eine Abhandlung über not­wendige Reformen von Kirche und Reich. Zudem ent­hielt die Schrift eine Erzählung von Kaiser Sigismund (1368 — 1437), und würde deshalb nach ihm benannt.
Wahr­scheinlich kannte Fritz auch das Mem­minger Flug­blatt von 1487, das Bauern und Hand­werker in den Mit­tel­punkt der Gesell­schaft stellte. Als er zum Ende seines Kriegs­diensts nach Unter­grombach zurück kehrte, fand er eine ver­armte Land­be­völ­kerung vor. Ludwig von Helm­statt, Fürst-Bischof von Speyer, preßte seinen Unter­tanen die Mittel ab, die er für seine auf­wendige Hof­haltung brauchte.
Mit diesen Miß­ständen wollte sich Fritz nicht abfinden. Nach dem Jahr der Pest 1501 scharte er unzu­friedene Bauern um sich und gründete im Geheimen die Bund­schuh-Bewegung, benannt nach dem damals volks­tüm­lichen Schuhwerk.
Der Bund­schuh oder Bunt­schuh war seiner Zeit Sinnbild bäu­er­lichen Auf­be­gehrens. Wenn sich ein­fache Leute durch Macht­haber unge­recht behandelt fühlten, war es Brauch das Schuhwerk auf eine Stange zu stecken. Damit brachte man nach dama­ligem Ver­ständnis seinen Groll zum Aus­druck. „Den Bunt­schuh auf­werfen“ war ein geflü­geltes Wort. Es bedeute sich Recht zu ver­schaffen, not­falls mit Waffen.
Soweit bekundet, hatten sich erstmals 1439 die Bauern aus dem Umland von Straßburg unter dem auf­ge­steckten Bund­schuh ver­sammelt, um gegen maro­die­rende Arma­gnaken vor zu gehen. Söld­ner­banden dieses Namens zogen damals durch Europa, um sich gegen Lohn zu ver­dingen, wo gekämpft wurde. Hatten sie keinen Kriegs­herren, zogen sie auf eigene Rechnung plün­dernd und drang­sa­lierend über Land.
1443 steckten die Bewohner des Dorfs Schli­engen am Ober­rhein, heute im Land­kreis Lörrach, den Bund­schuh auf, um sich gegen die Land­schatzung des Bischofs von Basel zu wehren. Das hieß nach heu­tigem Sprach­ge­brauch, der Kir­chen­fürst wollte aus dem deut­schen Umland einen Soli­da­ritäts-Zuschlag erheben. Joß Fritz nutzte die macht­volle Wirkung des Worts, in dem er seine Bewegung nach diesem all­ge­gen­wär­tigen Begriff benannte.
Die mul­ti­kul­ti­vierten Qua­litäts-Jour­na­listen im heu­tigen Deutschland mut­maßten den „Schuh als Symbol der Ver­achtung“ unlängst in der „ara­bi­schen Welt“ von 2008. So beschrieb es „Die Welt“ in einem „Hin­ter­grund-Bericht“. Von seiner Bedeutung in der Geschichte des eigenen Lands kein Wort. Offenbar hatten sie davon keine Ahnung.
Bald hatte der umtriebige Fritz etwa 7.000 waf­fen­fähige Männer und an die 400 Frauen unter der Fahne des Bund­schuh versammelt.
 

Auf­stän­di­scher mit der Bund­schuh-Fahne in einer zeit­ge­nös­si­schen Dar­stellung (Abbildung gemeinfrei)

 
Ihre Losung lautete: „Gott grüß dich, Gesell! Was ist dir für ein Wesen?“ Die Antwort, mit der sich der Ange­redete zu erkennen gab, hieß: „Wir mögen von den Pfaffen und Fürsten nit genesen.“
Doch bevor die Ver­schwörer los­schlagen konnten, wurden sie ver­raten. Ein Söldner namens Lukas Rapp beichtete alles seinem Pfarrer. Der meldete es unter Bruch des Beicht­ge­heim­nisses an die Obrigkeit. Die meisten Auf­rührer konnten zwar ent­kommen, unter ihnen auch Joß Fritz. Aber rund hundert Ver­schworene wurden gefaßt und gefoltert. Etlichen hackte man die Schwur­finger ab oder die ganze Hand. Zehn von ihnen ließ die Fürsten köpfen, vier­teilen und zur Abschre­ckung an den Land­straßen auf­hängen. Die unvor­stell­baren Grau­sam­keiten von Kirche und Adel wären noch heute ein Grund ihre Titel ab zu schaffen, die als „Bestandteil des Namens“ fort bestehen.
Fritz zog in den fol­genden Jahren im Ober­schwä­bi­schen, im Schwarzwald und am Bodensee umher. 1510 hei­ratete er die Bau­ern­tochter Else Schmid. Seinen Lebens­un­terhalt bestritt er als Bannwart, heute etwa Jagd­auf­seher, in der Ort­schaft Lehen, die mitt­ler­weile nach Freiburg im Breisgau ein­ge­meindet ist. Nach drei auf ein­ander fol­genden Mißernten rief er erneut zum Wider­stand gegen Fürsten und Pfaffen auf.
Wenn man von Lehen aus west­wärts Richtung Rhein wandert, kommt man nach Mun­denhof, damals Mun­den­hofen geheißen. Zwi­schen den beiden Orten erstreckte sich ein Wald mit einer grö­ßeren Lichtung. Diese Wald­wiese nannte man die Hart­matte. Noch immer ver­läuft hier der Hart­acker Weg. Dorthin bestellte Fritz zur Abend­stunde unzu­friedene Bauern, Tage­löhner und Leib­eigene. Rede­ge­wandt schil­derte er ihnen die einzig gangbare Abhilfe für Not und Unter­drü­ckung, eine neue Bundschuh-Bewegung.
Namentlich erwähnt die Über­lie­ferung tat­kräftige Gefolgs­leute des Bau­ern­führers wie Hans und Augustin Enderlin, Kilian Mayer, Hans und Karius Heintz, Jakob Hauser, Thomas Wirth und Hans Hummel. Auch ver­armte Ritter wie ein Stoffel von Freiburg schlossen sich dem Bund­schuh an. Aus Erfahrung klüger geworden bil­deten die Ver­schwörer meist kleinere Kreise von Anhängern, damit Gefangene unter der Folter nicht viele ver­raten konnten.
Doch trotz aller Vor­sichts­maß­nahmen bekamen Fürsten und Kir­chen­herren Wind davon, was sich unter ihrer Herr­schaft zusammen braute. Im Herbst 1513, kurz bevor der Bund­schuh los­schlagen wollte, setzte eine Welle von Fest­nahmen ein. Wessen sie Kriegs­knechte der Obrigkeit habhaft werden konnten, wurde gefoltert, gevier­teilt oder ent­hauptet. Allein Joß Fritz und einigen engeren Anführern gelang es des Häschern zu entkommen.
Im Jahr 1515 ver­ur­sachten außer­ge­wöhn­liche Regen­fälle Mißernten am Ober­rhein. Im Frühling 1517 brachte ver­spä­teter Frost erneut heftige Ein­bußen für Bauern und Winzer, so daß sie ihren Angaben an Kirche Adel nur um den Preis eigener Not nach­kommen konnten. Fritz nutzte die um sich grei­fende Unzu­frie­denheit, um ein letztes Mal mit dem Bund­schuh Bess­serung zu ver­suchen. Den ganzen Sommer über scharte er alte Mit­streiter um sich und warb neue Anhänger.
Doch wie­derum wurden die Auf­stän­di­schen ver­raten. Ein neue Welle von Ver­fol­gungen setzte ein. Die Bewegung wurde abermals in Blut erstickt. Fritz entkam. Ein letztes Lebens­zeichen von ihm wurde 1525 bekannt. Ungewiß blieb, was aus am Ende aus ihm geworden ist. Doch Dank Dürer flat­terte die Fahne des Bund­schuh weiter durch die Jahr­hun­derte und kündete der Nachwelt vom unbeug­samen Willen der Unter­drückten gegen Willkür und unbillige Macht auf zu begehren.