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GroKo: Von der SPD und dem patho­lo­gi­schen Neid

Ins­gesamt bean­sprucht die SPD-Führung für sich, 60 inhalt­liche Punkte in den Son­die­rungen bzw. 80 Prozent ihrer For­de­rungen durch­ge­setzt zu haben. Aber es rumort in der Partei, denn was nützen alle sozialen Wohl­taten, wenn der Neid unbe­friedigt bleibt?
(Von Dr. Rainer Zitelmann)
In einer „Erfolgs­liste“, die die SPD am Freitag ver­breitete, wird unter anderem die Ver­ein­barung auf­ge­führt, das Ren­ten­niveau bis 2025 auf 48 Prozent abzu­si­chern (das jedoch bis dahin ohnehin nicht unter diese Grenze gesunken wäre). Als Erfolge ver­bucht die SPD zudem die steu­er­fi­nan­zierte Grund­rente für lang­jährig Ver­si­cherte, das Recht auf Rückkehr in Vollzeit und die Ent­lastung von Eltern bei Kita-Bei­trägen. Weitere soziale Wohl­taten sind der staat­liche Arbeits­markt für Lang­zeit­ar­beitslose, ein Sofort­pro­gramm in der Pflege, eine bessere Erwerbs­min­de­rungs­rente, die Wie­der­her­stellung der Parität bei den Kran­ken­kas­sen­bei­trägen, der Bau von 1,5 Mil­lionen Woh­nungen usw.
Neid­in­stinkt unbefriedigt
Nachdem die Genossen in den ver­gan­genen Jahren ohnehin von der Union fast alles bekommen hatten, was sie wollten (Miet­preis­bremse, Min­destlohn, Rente mit 63, Frau­en­quote in Auf­sichts­räten usw.) müssten all diese wei­teren sozialen Wohl­taten ein Grund zur Freude für die SPD-Kli­entel sein. Aber wer so denkt, hat das sozi­al­de­mo­kra­tische Grund­gefühl nicht ver­standen: Was zählen noch so viele Dinge, die man bekommt, wenn den anderen nichts weg­ge­nommen wird?
Und so klagen die Jusos und die SPD-Linke: Es wurde keine Ver­mö­gen­steuer beschlossen und der Spit­zen­steu­ersatz wurde nicht erhöht. Und es bleibt bei der schrei­enden Unge­rech­tigkeit, dass der eine Patient im War­te­zimmer nicht so lange warten muss wie der andere, weil die soge­nannte „Bür­ger­ver­si­cherung“ nicht durch­ge­setzt werden konnte. Warum tut das alles so sehr weh? Weil „soziale Gerech­tigkeit“ für die Genossen eben nicht vor allem heißt, selbst mehr zu bekommen, sondern vor allem, den anderen etwas weg­zu­nehmen. Zwar wäre es keinem Arbeiter und keiner allein erzie­henden Mutter dadurch besser gegangen, dass man „den Reichen“ durch Erhöhung des Spit­zen­steu­er­satzes etwas weg­nimmt und sie in die Ein­heits-Genos­sen­ver­si­cherung zwingt. Aber geht es wirklich vor allem darum, selbst mehr zu haben?
Die „sym­bo­lische Wirkung“
Dem Nei­di­schen ist das im Grunde zweit­rangig. Er möchte zwar auch mehr für sich selbst, aber noch viel befrie­di­gender ist es, dem anderen – in diesem Fall: „den Reichen“ – etwas zu nehmen. Wenn man rech­ne­risch nach­weist, dass eine Erhöhung des Spit­zen­steu­er­satzes oder eine „Bür­ger­ver­si­cherung“ dem kleinen Mann gar keine Vor­teile bringen würde, dann ver­weisen Jusos und SPD-Linke stets auf die „sym­bo­lische Wirkung“, die doch viel wich­tiger sei. Gemeint ist damit: „Ja, wir wissen schon, dass uns selbst das nichts bringt, aber es ist doch ein so wich­tiges Zeichen von mehr sozialer Gerech­tigkeit, wenn die Bes­ser­ver­diener und die Reichen stärker zur Kasse gebeten werden.“ Und weil dieses Neid­gefühl nicht befriedigt wurde, wird es mas­siven Wider­stand gegen die GroKo geben – trotz der weit­rei­chenden Zuge­ständ­nisse der Union. Wenn die Funk­tionäre und Mit­glieder der SPD trotzdem für die Groko stimmen sollten, dann aus­schließlich aus der Furcht, dass die SPD bei Neu­wahlen weit unter die 20 Prozent rut­schen und die AfD noch stärker werden könnte. Dennoch halte ich es noch nicht für sicher, dass der Son­die­rungs-Kom­promiss die Hürden bei Mit­gliedern und Funk­tio­nären der SPD nimmt. Denn das hieße, zu unter­schätzen, wie sehr das Gefühl der unbe­frie­digten Neid­in­stinkte schmerzt.
Dr. Rainer Zitelmann / TheEuropean.de