Gerade einmal so viel Platz wurde dem „Familien- und Abstammungsrecht“ im 177 Seiten langen Koalitionsvertrag zugebilligt. Dies ist eine fast provozierende Missachtung des Familienrechts, von dem doch alle betroffen sind. „Enttäuschend vom Umfang her, aber auch in Bezug auf Konfliktlösung bei Trennung und Scheidung nichts Neues, keine dringend notwendigen Impulse für mehr Mediation, mehr Einvernehmen, mehr lösungsorientierte Beratung, kein modernes Leitbild, gemeinsame Elternschaft ja, aber dann nicht, wenn einer nicht will und beharrlich Nein sagt“, kritisiert der Vorsitzende des Interessenverbandes Unterhalt und Familienrecht (ISUV), Rechtsanwalt Klaus Zimmer.
Erwarten konnte man zumindest einen Satz, wie er im Koalitionsvertrag von NRW steht: „Ehen können scheitern. Doch von Kindern darf nicht erwartet werden, sich zwischen ihren Eltern entscheiden zu müssen. Wir fordern eine stärkere Berücksichtigung der Betreuungspflicht für beide Elternteile. Kinder sollen einen Anspruch darauf haben, auch im Trennungsfall mit beiden Eltern zu leben, idealerweise im regelmäßigen Wechsel (Doppelresidenz/Wechselmodell).” Ein ähnliches Leitbild oder gar der Begriff Wechselmodell steht nirgendwo im Koalitionsvertrag. Im Wahlkampf hatte Martin Schulz sich ausdrücklich zum Wechselmodell bekannt, aber auch Politiker aus der Union zeigten sich nicht abgeneigt. „Es ist desillusionierend, dass der Koalitionsvertrag darauf überhaupt nicht eingeht“, kritisiert Pressesprecher Josef Linsler.
Drei ISUV-Forderungen sollen angegangen werden: „Fortbildungen für Familienrichter/innen“, eine „verbindliche Regelung des Selbstbehaltes“ sowie die uneingeschränkte Entscheidungsbefugnis für „Ehepartner im Betreuungsfall“. „Dieses Recht sollte auch auf feste nichteheliche Partnerschaften ausgeweitet werden“, fordert der ISUV-Vorsitzende.
Sinnvoll und überfällig ist auch eine umfassende Änderung des Abstammungsrechts. Künstliche Befruchtung, Leihmutterschaft, Kinder aus Ehen von Schwulen und Lesben schaffen völlig neuartige Verwandtschafts- und Beziehungsverhältnisse. „Dabei geht es auch um Fragen des Umgangs, um Fragen der Identität, die geregelt werden müssen“, stellt Zimmer fest. Die Änderungen des Abstammungsrechts haben auch Auswirkungen auf das Erbrecht, das dann entsprechend angepasst werden muss.
Quelle: isuv
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