Koali­ti­ons­vertrag: 177 Seiten und nur 16 Zeilen fürs Familienrecht!

Gerade einmal so viel Platz wurde dem „Familien- und Abstam­mungs­recht“ im 177 Seiten langen Koali­ti­ons­vertrag zuge­billigt. Dies ist eine fast pro­vo­zie­rende Miss­achtung des Fami­li­en­rechts, von dem doch alle betroffen sind. „Ent­täu­schend vom Umfang her, aber auch in Bezug auf Kon­flikt­lösung bei Trennung und Scheidung nichts Neues, keine dringend not­wen­digen Impulse für mehr Mediation, mehr Ein­ver­nehmen, mehr lösungs­ori­en­tierte Beratung, kein modernes Leitbild, gemeinsame Eltern­schaft ja, aber dann nicht, wenn einer nicht will und beharrlich Nein sagt“, kri­ti­siert der Vor­sit­zende des Inter­es­sen­ver­bandes Unterhalt und Fami­li­en­recht (ISUV), Rechts­anwalt Klaus Zimmer.
Erwarten konnte man zumindest einen Satz, wie er im Koali­ti­ons­vertrag von NRW steht: „Ehen können scheitern. Doch von Kindern darf nicht erwartet werden, sich zwi­schen ihren Eltern ent­scheiden zu müssen. Wir fordern eine stärkere Berück­sich­tigung der Betreu­ungs­pflicht für beide Eltern­teile. Kinder sollen einen Anspruch darauf haben, auch im Tren­nungsfall mit beiden Eltern zu leben, idea­ler­weise im regel­mä­ßigen Wechsel (Doppelresidenz/Wechselmodell).” Ein ähn­liches Leitbild oder gar der Begriff Wech­sel­modell steht nir­gendwo im Koali­ti­ons­vertrag. Im Wahl­kampf hatte Martin Schulz sich aus­drücklich zum Wech­sel­modell bekannt, aber auch Poli­tiker aus der Union zeigten sich nicht abge­neigt. „Es ist des­il­lu­sio­nierend, dass der Koali­ti­ons­vertrag darauf über­haupt nicht eingeht“, kri­ti­siert Pres­se­sprecher Josef Linsler.
Drei ISUV-For­de­rungen sollen ange­gangen werden: „Fort­bil­dungen für Familienrichter/innen“, eine „ver­bind­liche Regelung des Selbst­be­haltes“ sowie die unein­ge­schränkte Ent­schei­dungs­be­fugnis für „Ehe­partner im Betreu­ungsfall“. „Dieses Recht sollte auch auf feste nicht­ehe­liche Part­ner­schaften aus­ge­weitet werden“, fordert der ISUV-Vorsitzende.
Sinnvoll und über­fällig ist auch eine umfas­sende Änderung des Abstam­mungs­rechts. Künst­liche Befruchtung, Leih­mut­ter­schaft, Kinder aus Ehen von Schwulen und Lesben schaffen völlig neu­artige Ver­wandt­schafts- und Bezie­hungs­ver­hält­nisse. „Dabei geht es auch um Fragen des Umgangs, um Fragen der Iden­tität, die geregelt werden müssen“, stellt Zimmer fest. Die Ände­rungen des Abstam­mungs­rechts haben auch Aus­wir­kungen auf das Erbrecht, das dann ent­spre­chend ange­passt werden muss.
Quelle: isuv