Wie der Sozia­lismus Vene­zuela zerstörte

Um die Kata­strophe zu ver­stehen, die sich in Vene­zuela abspielt, müssen wir auf das jüngste Jahr­hundert unserer Geschichte zurück­blicken und uns ansehen, wie sich unsere Insti­tu­tionen im Laufe der Zeit ver­ändert haben. Wir werden fest­stellen, dass Vene­zuela einst ein relativ hohes Maß an wirt­schaft­licher Freiheit genossen hat, trotz dik­ta­to­ri­scher Regime.
(Von Rafael Acevedo und Luis B. Cirocco)
Als Vene­zuela schließlich die Demo­kratie annahm, begannen wir, die wirt­schaft­liche Freiheit zu ver­nichten, was natürlich nicht schlag­artig pas­sierte. Es war vielmehr ein schlei­chender Prozess. Aber es geschah auf Kosten des Wohl­ergehens von Mil­lionen von Menschen.
Und schließlich haben wir gelernt, dass der Sozia­lismus niemals funk­tio­niert, egal, was Paul Krugman, Joseph Stiglitz oder was jemand in Spanien sagt, wie bei­spiels­weise Pablo Iglesias.
In den Jahren, in denen wir unter Hugo Chávez litten, war es üblich, dass diese Experten und Öko­nomen im Fern­sehen sagten, dass diesmal der Sozia­lismus „richtig gemacht“ würde. Die Vene­zue­laner hätten es nun herausgefunden.
Sie lagen und liegen falsch.
Ande­rer­seits gab es eine Zeit, in der dieses Land recht wohl­habend war und Vene­zuela in vielen Büchern und Artikeln zeit­weise sogar als „Wirt­schafts­wunder“ bezeichnet wurde.
In diesen Jahren waren jedoch von den fünf Prä­si­denten, die wir hatten, vier Dik­ta­toren und Generäle der Armee. Unsere bür­ger­lichen und poli­ti­schen Rechte waren ein­ge­schränkt. Wir hatten zum Bei­spiel keine Pres­se­freiheit, wir hatten kein all­ge­meines Wahl­recht. Aber, während wir unter einer Dik­tatur lebten, konnten wir wenigstens ein hohes Niveau öko­no­mi­scher Freiheit genießen.
Ein Über­blick über die Wirt­schafts­ge­schichte Venezuelas 
Das Wirt­schafts­wunder begann vor einem Jahr­hundert, als Vene­zuela von 1914 bis 1922 in das inter­na­tionale Ölge­schäft eintrat. 1914 gab es in Vene­zuela die erste Ölbohrung. Glück­li­cher­weise hat die Regierung nicht den Fehler gemacht, das Ölge­schäft selbst zu leiten oder die Ölquellen zu besitzen. Die Ölquellen befanden sich in Pri­vat­besitz und waren in vielen Fällen im Besitz von inter­na­tio­nalen Pri­vat­un­ter­nehmen, die in Vene­zuela tätig waren. Es war natürlich nicht totales laissez-faire, denn es gab steu­er­liche Anreize und andere Zuge­ständ­nisse. Die meisten Branchen – ein­schließlich der Ölin­dustrie – blieben jedoch privatisiert.
Darüber hinaus waren in diesem Zeitraum die Steu­er­sätze im Land relativ niedrig.
Im Jahr 1957 lag der Spit­zen­steu­ersatz für natür­liche Per­sonen bei 12 Prozent. Es gab durchaus eine staat­liche Präsenz, und die Staats­quote lag bei 20 Prozent des Brut­to­in­land­pro­duktes. Die Staats­aus­gaben dienten aber vor allem dem Aufbau der Infra­struktur des Landes.
Auch der Bereich des inter­na­tio­nalen Handels war relativ frei – und im Ver­gleich zu heute sogar sehr frei. Es gab relativ hohe Zölle, aber es gab keine grö­ßeren Han­dels­hemm­nisse wie Quoten, Anti­dumping-Gesetze oder andere Schutzmaßnahmen.
Auch andere Wirt­schafts­kon­trollen waren selten. Es gab nur wenige Staats­be­triebe und prak­tisch keine Preis­kon­trollen, keine Miet­preis­bindung, keine Zins­steuerung und keine Devisenkontrollen.
Natürlich waren auch wir nicht frei von Pro­blemen, die mit einer Zen­tralbank ein­her­gehen. 1939 gründete Vene­zuela eine eigene Zen­tralbank. Die Bank war jedoch weit­gehend inaktiv und ver­tei­digte vor allem einen festen Wech­selkurs zum US-Dollar.
Auf dem Weg zu mehr Interventionismus
Trotz des hohen Niveaus wirt­schaft­licher Freiheit in jenen Jahren, begann die Regierung mittels Gesetz­gebung, diese Freiheit aus­zu­höhlen. Zu den Maß­nahmen zählten die Ver­staat­li­chung der Tele­fon­ge­sell­schaft, die Gründung zahl­reicher staats­ei­gener Unter­nehmen und staat­licher Banken. All das geschah 1950. Die vene­zo­la­nische Regierung säte damit die Saat der Zer­störung, was sich anhand der anhal­tenden Ver­schlech­terung des Niveaus der wirt­schaft­lichen Freiheit in den 1950er Jahren erkennen lässt.
Als 1958 die Dik­tatur gestürzt wurde, wurde Vene­zuela zur Demo­kratie. Damit kamen auch all die üblichen Vor­teile der Demo­kratie wie Pres­se­freiheit, all­ge­meine Wahlen und andere Bür­ger­rechte. Leider sind diese Reformen mit der fort­ge­setzten Zer­störung unserer wirt­schaft­lichen Freiheit einhergegangen.
Der erste demo­kra­tisch gewählte Prä­sident war Rómulo Betancourt, ein Sozi­al­de­mokrat, der sich dem Kom­mu­nismus zuwandte. Im Exil in Costa Rica gründete er die Kom­mu­nis­tische Partei und half bei der Gründung der Kom­mu­nis­ti­schen Partei in Kolumbien. Kein Wunder, dass er als Prä­sident begann, unsere Wirt­schafts­in­sti­tu­tionen zu zer­stören, indem er Preis­kon­trollen, Miet­preis­kon­trollen und andere Regu­lie­rungen imple­men­tierte, die wir vorher nicht hatten. Darüber hinaus schuf er mit seinen Ver­bün­deten eine neue Ver­fassung, die dem Pri­vat­ei­gentum feindlich gesinnt war.
Trotzdem – oder viel­leicht gerade deshalb – wird Betancourt in Vene­zuela fast überall als „Vater unserer Demo­kratie“ verehrt, was auch heute noch gilt, während Vene­zuela zusammenbricht.
Natürlich hatten wir unter Betancourt weitaus größere wirt­schaft­liche Frei­heiten als im heu­tigen Vene­zuela. Aber alle Prä­si­denten – mit einer Aus­nahme -, die nach Betancourt kamen, haben ähn­liche Posi­tionen ein­ge­nommen und die wirt­schaft­liche Freiheit weiter zer­stört. Die einzige Aus­nahme bildete Carlos Andrés Pérez, der in seiner zweiten Amtszeit einige markt­wirt­schaft­liche Reformen ver­suchte. Aber er führte diese späten Reformen so planlos und zufällig durch, dass die Märkte am Ende für die daraus resul­tie­renden Krisen ver­ant­wortlich gemacht wurden.
Der Auf­stieg von Hugo Chávez
Im Laufe der Zeit führte die Zer­störung der wirt­schaft­lichen Freiheit zu immer mehr Ver­armung und Krisen. Dies wie­derum war der Aus­gangs­punkt für den Auf­stieg eines poli­ti­schen Außen­seiters mit einer popu­lis­ti­schen Bot­schaft: Hugo Chávez. Er wurde 1998 gewählt und ver­sprach, unseren sanften Sozia­lismus durch einen radi­ka­leren zu ersetzen. Das aber ver­schärfte die Pro­bleme, mit denen wir seit Jahr­zehnten kon­fron­tiert waren, nur noch mehr. Dennoch konnte er eine noch mehr anti-private Eigen­tums­ver­fassung durch­setzen. Seit Chávez’ Tod im Jahr 2013 gehen die Angriffe auf das Pri­vat­ei­gentum weiter, und sein Nach­folger Nicolás Maduro ver­spricht noch mehr vom Gleichen. Von nun an wendet sich die Regierung dem auto­ri­tären Sozia­lismus zu, und Maduro strebt eine neue Ver­fassung an, in der das Pri­vat­ei­gentum fast voll­ständig abge­schafft wird und Maduro lebenslang an der Macht bleiben darf.
Ein Erbe der Armut
Was also sind die Ergeb­nisse des Sozia­lismus in Vene­zuela? Nun, wir haben Hyper­in­flation erlebt. Wir haben Men­schen, die Müll essen, Schulen, die nicht lehren, Kran­ken­häuser, die nicht heilen, lange und ernied­ri­gende Schlangen, um Mehl, Brot und grund­le­gende Medi­ka­mente zu kaufen. Und wir müssen die Mili­ta­ri­sierung prak­tisch aller Lebens­be­reiche ertragen.
Die Lebens­hal­tungs­kosten sind in den letzten Jahren sprunghaft gestiegen.
Lassen Sie uns die Lebens­hal­tungs­kosten in einem Gehalt eines Hoch­schul­pro­fessors mit einer Voll­zeit­stelle aus­ge­drückt betrachten. In den acht­ziger Jahren musste unser „ordent­licher Pro­fessor“ knapp 15 Minuten arbeiten, um ein Kilo­gramm Rind­fleisch zu kaufen. Im Juli 2017 musste er 18 Stunden arbeiten, um die gleiche Menge Rind­fleisch zu kaufen. In den 1980er Jahren musste er für eine neues Auto fast ein Jahr lang arbeiten. Heute muss er 25 Jahre dafür arbeiten. In den acht­ziger Jahren konnte ein ordent­licher Pro­fessor mit seinem Monats­gehalt 17 Basis­körbe mit lebens­wich­tigen Gütern kaufen. Heute kann er nur noch ein Viertel eines Korbes mit Basis­pro­dukten kaufen.
Und was ist mit dem Wert unseres Geldes? Im März 2007 war der 100-Bolivar-Geld­schein die größte Banknote. Damit konnten Sie 28 US-Dollar, 288 Eier oder 56 Kilo­gramm Reis kaufen. Heute können Sie 0,01 Dollar, 0,2 Eier und 0,08 Kilo­gramm Reis damit kaufen. Im Juli 2017 brauchten Sie fünf 100-Bolivar-Scheine, nur um ein Ei zu kaufen.
Der Sozia­lismus die Ursache des vene­zo­la­ni­schen Elends. Vene­zue­laner ver­hungern, essen Müll und nehmen ab. Kinder sind unter­ernährt. Jeder in Vene­zuela würde sich freuen, aus Ame­rikas Müll­tonnen zu essen. Er würde als Gourmet gelten.
Und wie lautet die Antwort unserer Gesell­schaft? Nun, es sind die jungen Leute, die in Vene­zuela den Kampf für die Freiheit führen, trotz allem, was die jet­zigen poli­ti­schen Führer ihnen vor­schreiben. Sie wollen nicht „die Oppo­sition“ genannt werden. Sie sind der Wider­stand, im spa­ni­schen sagt man: „la resis­tencia“. Sie sind die wahren Helden der Freiheit in unserem Land, aber die Welt muss wissen, dass viele von ihnen von einer tyran­ni­schen Regierung getötet wurden und die Mit­glieder des Wider­stands täglich ver­folgt werden.
Dennoch muss eine neue, den freien Markt befür­wor­tende Füh­rungs­riege ent­stehen, bevor wir mit vielen großen Ver­än­de­rungen rechnen können. Auch unsere der­zei­tigen poli­ti­schen Oppo­si­ti­ons­par­teien hassen freie Märkte. Sie mögen Maduro nicht, aber sie wollen immer noch ihre Version des Sozialismus.
Das über­rascht nicht. Als Vene­zo­laner hat unser man­gelndes Ver­ständnis für die Bedeutung von Freiheit und freien Märkten unsere der­zeitige Kata­strophe ver­ur­sacht. Wir Vene­zo­laner haben die Freiheit in ihrer wei­teren Dimension nie wirklich ver­standen, denn während wir ein hohes Maß an wirt­schaft­licher Freiheit genossen, erlaubten wir die Ver­nichtung unserer poli­ti­schen und bür­ger­lichen Rechte, und als wir schließlich eine Demo­kratie errich­teten, erlaubten wir die Ver­nichtung der wirt­schaft­lichen Freiheit.
Aber es gibt Grund zur Hoffnung. Zusammen mit dem Mises-Institut glauben wir, dass eine Revo­lution der Ideen wirklich eine neue Ära für Vene­zuela ein­leiten kann. Im Namen des Wider­standes und Mil­lionen von Men­schen in unserem Land danken wir dem Mises-Institut für diese Gele­genheit, die gesamte Geschichte Vene­zuelas kurz erzählen zu können. Vielen Dank.
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Auf Deutsch erschien dieser Artikel zuerst auf der Web­seite des Ludwig von Mises Institut Deutschland.
Der Ori­gi­nal­beitrag mit dem Titel How Socialism Ruined Vene­zuela ist am 13.10.2017 auf der website des Mises-Institute, Auburn, US Alabama erschienen.