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Bald noch mehr “Gäste”? — EuGH: Deutschland ver­stößt womöglich bei Fami­li­en­nachzug gegen EU-Recht

Luxemburg – Nach einem Urteil des Euro­päi­schen Gerichtshofs (EuGH) ist für das Recht auf Fami­li­en­nachzug das Alter des Flücht­lings bei der EU-Ein­reise und der Stellung des Asyl­an­trags ent­scheidend. Flücht­linge, die während des Asyl­ver­fahrens voll­jährig werden, dürften beim Fami­li­en­nachzug nicht benach­teiligt werden, ent­schieden die Richter am Don­nerstag in Luxemburg. Somit könnte Deutschland gegen EU-Recht verstoßen.
„Der Nach­zugs­an­spruch von Eltern zu einem in Deutschland lebenden, min­der­jäh­rigen, aner­kannten Flüchtling (…) besteht nach stän­diger Recht­spre­chung nur vor Ein­tritt der Voll­jäh­rigkeit des Kindes. Ein Visum kann daher nur erteilt werden, solange das Kind min­der­jährig ist.“ Aner­kannte min­der­jährige Flücht­linge dürfen in Deutschland ihre Eltern nach­holen. So bislang die Rechtslage in Deutschland.
Ins­gesamt haben nach Angaben der Bun­des­re­gierung im ver­gan­genen Jahr 89 207 Min­der­jährige einen Asyl­antrag in Deutschland gestellt, 9084 von ihnen waren ohne Begleitung ihrer Eltern oder anderer Erwach­sener. Von ihnen war nur knapp jeder Fünfte mut­maßlich jünger als 16, der Rest war 16 oder 17 Jahre alt. So zumindest die Angaben ohne ver­bind­liche Alters­fest­stellung.  Auch die Zahl jener Asyl­su­chenden, die während des Ver­fahrens voll­jährig werden, wird nach Angaben des Bun­desamts für Migration und Flücht­linge nicht erfasst, heißt es hierzu laut dem Focus.
Anlass für das EuGH-Urteil war ein Fall in den Nie­der­landen. Dort reiste ein Mädchen aus Eritrea ohne Begleitung ein und stellte im Februar 2014 einen Asyl­antrag. Noch bevor der Antrag im Oktober des­selben Jahres positiv beschieden wurde, wurde sie voll­jährig. Im Dezember bean­tragte sie, Eltern und Brüder nach­holen zu dürfen – dies wurde mit dem Verweis auf ihre Voll­jäh­rigkeit abge­lehnt. Gegen diese Ent­scheidung gingen die Eltern gerichtlich vor. Das zuständige nie­der­län­dische Gericht rief den EuGH an.
Die Richter des EuGH stellte am Don­nerstag fest (Rechts­sache C‑550/16), dass sich das Recht auf Fami­li­en­nachzug nicht auf den Zeit­punkt der Asy­l­ent­scheidung beziehen darf. Die Betrof­fenen wäre somit von der mehr oder weniger schnellen Bear­beitung ihres Antrags der natio­nalen Behörden abhängig, hieß es. Dies wider­spreche den Grund­sätzen der Gleich­be­handlung und der Rechts­si­cherheit. Statt­dessen müsse die Erfolgs­aus­sicht von Umständen abhängen, die der Asyl­su­chende selbst beein­flussen kann – etwa dem Zeit­punkt der Antrag­stellung. (SB)

Quelle: Jou­Watch