Eigentlich haben wir doch alle damit schon lange gerechnet. Denn es ist exakt das, was seit Jahren praktiziert wird und was Herr Jean-Claude Junckers es so treffend in Worte zu kleiden wusste:
„Wir beschließen etwas,
stellen das dann in den Raum und warten einige Zeit ab, was passiert.
Wenn es dann kein großes Geschrei gibt und keine Aufstände,
weil die meisten gar nicht begreifen, was da beschlossen wurde,
dann machen wir weiter — Schritt für Schritt,
bis es kein Zurück mehr gibt.“
(in Die Brüsseler Republik, Der Spiegel, 27. Dezember 1999.)
Wir sollten Herrn Junckers für diesen Satz dankbar sein, denn es ist eine der seltenen Sternstunden, in denen ein Politiker die Wahrheit sagt und sich auch daran hält.
Dass es zur Haftungsunion einmal kommen würde, war sonnenklar. Nachdem die Obergrenze für die Verschuldung der Mitgliedsländer von 65% sehr bald Makulatur wurde (Italien hat 130%!), die Bankenstresstests zur Lachnummer verkommen sind, Griechenland die X‑zigste Milliarde Kredit bekommt (die allen Versprechungen zum Trotz uneinbringbar sind), und die Target-II Saldi der Bundesbank bald eine Billion erreichen (etwa der dreifache Bundeshaushalt), überall die „EU-skeptischen“ Parteien und Regierungen auf dem Vormarsch sind usw. usf., ist die Erkenntnis nicht weit, dass man entweder die gesamte Fehlkonstruktion EU auf dem Müllhaufen der Geschichte entsorgt oder den Weg bis zum bitteren Ende geht.
Dies kündigt man nun an, tun zu wollen — entweder in der Erwartung einen Wunders im letzten Moment á la Hollywood oder weil man einfach sein Scheitern nicht zugeben will oder weil die Zerstörung Europas tatsächlich das Ziel der ganzen Unternehmung EU ist.
Nun hat Herr Juncker nach oben zitierter Handlungsmaxime zusammen mit Frankreichs Präsident Macron angekündigt, trotz aller hehren Zusicherungen nicht nur die Maastrichter Verträge, das Dubliner Abkommen nebst vielen anderen in Stein gemeißelten Versprechungen an die Völker reihenweise zu brechen. Nein, nachdem alle diese feierlich beflaggten Festungen geschleift wurden kommt nun der bittere Teil des Ganzen, das „Mitgefangen, Mitgehangen“.
Denn um nichts anderes kann es gehen. Wenn plötzlich eine Haftungsunion her muss, dann geht es ans Haften, so einfach ist das. Und das ist im Kleinen, wie im Großen das Bluten am Ende einer Unternehmung, die schiefgegangen ist.
Das sehen auch 154 namhafte Wirtschaftsprofessoren so und haben einen Aufruf gestartet. Sie sehen in den von Junckers vorgeschlagenen Institutionen des „Investitionsfonds zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung“ und des geplanten „Fonds zur Unterstützung struktureller Reformen in den Eurostaaten“ (an wunderschön klingenden Namen für Fehlkonstruktionen hat es in der EU nie gefehlt) eben das, was es ist: Eine Haftungsunion, die ihrer Einschätzung nach hohe Risiken für die Bürger Europas mit sich bringt.
Damit bestätigen die renommierten Fachleute, was die AfD schon lange anprangert. Herzogin Beatrix von Storch merkte daher zu Recht mokant an, „154 Wirtschafsprofessoren rufen dringend zur Wahl der AfD auf. Bisschen spät. Aber immerhin“.
In den schmallippigen Berichten der Qualitätspresse wird in nur zwei Absätzen nicht viel weiter gesagt, als dass 154 Wirtschaftsexperten und ‑professoren große Bedenken hegen wegen der Möglichkeit eines EU-Finanzministers, mit eigenem Budget, die EZB noch stärker zu politisieren. Das umfangreiche Staatsanleihenkaufen der EZB komme schon jetzt einer Staatsfinanzierung über die Europäische Zentralbank gleich.
So richtig wird in diesen knappen Berichten nicht deutlich, warum sich 154 hochkarätige Experten so furchtbar aufregen.
Worum geht es im Einzelnen?
Der ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) ist ein nachträglich geschaffener „permanenter Rettungsschirm“. Diese zwischenstaatliche Finanzinstitution mit Sitz in Luxemburg nahm 2012 als Antwort auf die Finanz- und Staatsschuldenkrise die operative Arbeit auf. Sein Zweck war, sozusagen als „Notbudget“ , die Zahlungsfähigkeit der Euro-Länder bei vorübergehenden Finanzierungsproblemen sicherzustellen, gibt aber diese Mittel nur gegen Auflagen, zu denen sich die kreditnehmenden Staaten verpflichten müssen. Im Topf ist ein Stammkapital von 700 Milliarden Euro, 620 davon sind aber nur Garantien der EU-Länder, nur 80 Milliarden sind „Bareinlage“.
Geleitet wird die Finanzinstitution von einem nicht haftbaren Gouverneursrat aus den Finanzministern der Mitgliedsländern. Deutschlands Stimmgewicht entspricht dem Anteil Deutschlands am ESM-Kapital: 27,1464% (Stand 2017). Die Mitglieder des Gouverneursrats, die Mitglieder des Direktoriums und alle Bediensteten des ESM genießen Immunität von der Gerichtsbarkeit was ihre in amtlicher Eigenschaft vorgenommenen Handlungen betrifft und noch dazu Unverletzlichkeit hinsichtlich ihrer amtlichen Schriftstücke und Unterlagen. Will sagen: Sie können schalten und walten, wie sie wollen, sind niemandem Rechenschaft schuldig, Beweise können nicht gesichert werden und auch wenn, wären Die Herrschaften sowieso immun. Davon träumt der Normaleuropäer.
Die Pläne der Herren Junckers und Macron sehen vor, diesen ESM nicht mehr nur, wie bisher, als Kredit für vorübergehend in Not geratene Länder einzusetzen, und das nur unter Auflagen. Nach den Vorstellungen der beiden Herren soll der ESM als Dauer-Rückversicherung zur Sanierung von Banken eingesetzt werden. Das Geld für den ESM kommt aber nach wie vor von den Steuerzahlern der Mitgliedsländer. Das bedeutet:
a) Bankenpleiten werden mit dem Geld der europäischen Bürger via ESM vorerst immer weiter hinausgezögert, bis sie schlussendlich dann doch bankrott sind. Selbst, wer sein Geld noch vom Konto holt, bezahlt dann via Steuergeld doch alles mit. Wer das nicht kann (Bankenschließung) bezahlt doppelt.
b) Indem die Banken sicher sein können, dass sie nicht pleite gehen können, werden sie schmerzhafte, aber nötige Bereinigungsprozesse (faule Kredite) nicht angehen. Zombie-Banken werden durchgeschleppt. Nationale Regierungen werden versucht sein, ihre Banken möglichst schnell mit ESM-Geld zu päppeln, bevor der Topf leer ist (siehe Italiens Staatskredit für die hochmarode Monte dei Paschi). Die maroden Banken wissen, dass egal, was sie für Misswirtschaft betreiben, die Völker bluten.
Weiterhin soll der ESM als „Europäischer Währungsfonds“ (EWF) dienen. Wenn also EU-Mitglieder um Hilfe bitten, kann der Gouverneursrat diese gewähren, wenn es eine „dringliche Entscheidung“ ist. Dabei wird das Vetorecht ausgesetzt. Werden die nordeuropäischen, finanzstarken Länder überstimmt von der Südschiene, fließt das Geld. Heißt: Zahlen dürfen wir, aber zu sagen haben wir dann nichts mehr. Der ESM/EWF kann über unser Steuergeld und Staatsvermögen verfügen und wenn es schlecht ausgeht, sind die Milliarden einfach weg, wie bei den Griechenland-Krediten. Nur mit dem Unterschied, dass die Nordschiene es auch nicht mehr per Veto verhindern kann.
Auch die schicken neuen Fonds (der Europäische Investitionsfonds zur gesamtwirtschaftlichen Stabilisierung und der geplante Fonds zur Unterstützung struktureller Reformen) sind im Prinzip alter Wein in neuen Schläuchen. Auch hier werden Steuergelder der europäischen Nationen in EU-Töpfe gelenkt, die für Mitgliedsländer gedacht sind, die wirtschaftlich instabil sind und dringend der Reformen bedürfen. Man braucht nicht gerade ein Ökonomie-Experte zu sein um zu wissen, dass es sich um dieselben Länder handelt, die jetzt schon überschuldet sind, deren Volkswirtschaften nicht zu Reformen und Innovationen bereit oder fähig oder beides sind und sich mehr als gerne in die neuen Hängematten legen werden, um den schmerzhaften Einschnitten und Neustrukturierungen zu entgehen.
Selbst, wenn diese Strukturreform-Fonds & Co. Auflagen machen sollten, kommen die dazu entworfenen Konzepte in der Regel über Privatisierungen, Lohndumping und Personaleinsparungen nicht heraus. Das wiederum führt regelmäßig zu steigender Arbeitslosigkeit, Explosion der Sozialausgaben der betreffenden Staaten, die dann mit ihren stabilitätsgefährdenden Staatsschulden entweder die EZB um den Ankauf ihrer Staatsanleihen angeigen und „rostige Fahrräder als Sicherheit bieten“. Mit den neuen Aufgaben des ESM/EWS und den Fonds stünden den Defizitsündern noch weitere, gefüllte Töpfe zur Verfügung, bei denen es aus der Sicht der Defizitäre gilt, sich zu bedienen, bevor die anderen schon alles verbraucht haben.
Bereits jetzt dient die Bundesbank mit einem Target II-Saldo von fast einer Billion Euro als Zahlmichel und Bürge für diese Länder – und damit wieder einmal der deutsche Steuerzahler.
Der geplante EU-Finanzminister hat keine andere Aufgabe, als die EU zusammenzuhalten und irgendwie die Gelder so umzuverteilen, dass das ganze Konstrukt nicht zusammenbricht. In den ganzen Jahren seit Einführung des Euro und seitdem die wirtschaftliche schwächeren Länder sich nicht mehr mit Abwertung ihrer Währungen aus den Staatsschulden herausinflationieren können und auf dem Markt mit niedrigen Preisen für ihre Produkte wettbewerbsfähig bleiben, hat sich an dem Grundproblem nichts geändert.
Natürlich empfehlen die 154 Experten statt Alimentierung und Durchschleppen maroder Banken und Wirtschaften mit Krediten und Anleihen die berühmten Strukturreformen. Dazu muss es aber nicht nur Anreize der Fonds und Finanzinstitute von ganz oben geben, sondern auch in den betreffenden Ländern eine Bereitschaft, die Ärmel hochzukrempeln, neue Wege zu gehen, unbürokratisch kleine Startup-Unternehmen zu fördern, Unternehmer zu begleiten usw., Arbeitsplätze zu schaffen, einen Ideensturm anzukurbeln, Fleiß und Innovationen zu belohnen. Daran hapert es und wird es auch weiterhin.
Also bleibt alles beim Alten. Die EU erkauft wieder mehr Zeit auf Kosten der wirtschaftlich (noch) funktionierenden Länder, bis die wirtschaftsstarken Länder ausgesaugt sind, die Haftungen schlagend werden und ganz Europa ein Armenhaus ist:
Und wie sagte uns jüngst ein deutscher Bankvorstand im Vertrauen: „Die EZB-Politik ist einzig darauf ausgerichtet, dass die starken Euroländer noch möglichst lange für Südeuropa mitbezahlen“.
Deutschland wird „Last Man standing“ sein, aber dann auch zusammenbrechen und es wird niemanden geben, der uns hilft. Dann fangen alle wieder von ganz unten an, jedes Land für sich, und dann wird es wieder aufgebaut, junge Unternehmer haben eine Chance. Menschen, die nicht für ihr Land, ihre Nation, ihre Kultur einstehen, arbeiten und aufbauen, werden keinen Platz mehr haben in einem „Ärmel-hoch-diesmal-schaffen WIR!-das-Europa“ haben.
Immer vorausgesetzt, Macron, Merkel, Junckers & Co schaffen es nicht noch rechtzeitig, Europa in den nächsten Krieg hineinzuziehen, um ihr Versagen zu vertuschen.