Das hat es in der Geschichte der Bundesrepublik noch nicht gegeben. Seit 70 Jahren ist es selbstverständlich, dass bei Bayerns Landtagswahlkämpfen immer die große Schwesternpartei im Freistaat dabei ist. Besonders dann, wenn mit dem Glanz eines CDU/CSU-Bundeskanzlers Stimmen gewonnen werden können. Mit dem Glanz der Bundeskanzlerin ist es nicht mehr weit her. Im Gegenteil: Frau Bundeskanzlerin Dr. Andrea Merkel ist ein Wählerschreck im Hosenanzug. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder weiß genau, ein Auftritt von Angela Merkel würde ihn massenhaft Stimmen im Landtagswahlkampf kosten.
Die Stimmung im Bayernland ist aufgeheizt. Die Asylkrise hat den Bürgerzorn auf nie gekannte Höhen katapultiert, denn Bayern als „Grenzland“ hat massive Probleme. Bisher hat Innenminister Horst Seehofer (CSU) bei diesem Reizthema keine glückliche Figur in der Auseinandersetzung mit der Kanzlerin abgegeben. Mehrfach unternahm er Vorstöße in Richtung Grenzsicherung und Zurückweisung Illegaler. Das Wort vom „Drehhofer“ und dass er mehrfach als Tiger losgesprungen und als Frau Merkels Bettvorleger gelandet sei, beschädigte sein Image nachhaltig.
Den ultimativen Weckruf erhielt die bayerische CSU vor einigen Tagen mit neuen Umfragen, nach denen die AfD jetzt schon zweitstärkste Partei in Bayern geworden ist – und auch diese Umfragen erscheinen eher noch „geschönt“ für die CSU. Die SPD ist auf dem Weg zur Kleinpartei. Die Gefahr, dass stramm konservative CSU-Abgeordnete ins AfD-Lager überwechseln könnten ist relativ groß. Sogar von einigen, als bodenständig bekannten, bayerischen SPD-Abgeordneten wäre das keine Überraschung. Die Alarmglocken bimmeln also hektisch im Lager der CSU.
Die Parole der Stunde heißt also für die CSU, schleunigst „konservativ-rechtes“ Profil zu gewinnen, und das so markig, wie möglich. Nur so kann sie eine mögliche Fahnenflucht am rechten Rand ihrer Abgeordneten im Landtag verhindern, die Wähler wieder an sich ziehen und ihr Gewicht im Bundestag unterstreichen. Die CSU kann mit dem Platzen der großen Koalition im Berliner Bundestag drohen, wenn ihr Kurs nicht ernst genommen wird. Dann stehen Neuwahlen an, und in der Zwischenzeit müsste Vizekanzler Olaf Scholz übernehmen. Der ist nun nicht gerade eine umjubelte Identifikationsfigur der Deutschen. Eine Umfrage dürfte ergeben, dass nur wenige Bürger den Vizekanzler benennen können. Herr Scholz würde überdies ein schweres Erbe antreten, denn eine neue Koalition im Post-Merkel-Chaos ist kaum machbar. Was da zusammengenagelt werden müsste, was nicht zusammen gehört, kann gut zu einer weiteren Vergrößerung der Distanz zwischen Volk und Regierung führen. Und zu einem deutlichen Zuwachs an Stimmen für die AfD.
Also bleibt Herrn Ministerpräsident Markus Söder und Herrn Innenminister Horst Seehofer wenig anderes übrig, als offen Stärke und Kampfbereitschaft zu demonstrieren. Herr Söder provoziert einen Eklat, indem er öffentlich die amtierende Bundeskanzlerin der Schwesternpartei CDU auslädt. Herr Innenminister Seehofer knallt – um im WM-Jargon zu sprechen – Der Kanzlerin einen Schmetterball ins Tor, indem er ihr öffentlich unterstellt, ihn als Innenminister feuern zu wollen, weil er Recht und Gesetz an der deutschen Grenze wiederherstellen zu wollen. Damit wäre der nächste Merkel-Skandal inszeniert.
Stattdessen beabsichtigt Herr Söder, den österreichischen Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) zu Wahlveranstaltungen einzuladen. Eine schallende Klatsche für die Bundeskanzlerin, denn damit gibt er klar zu verstehen, dass in Fragen Grenzsicherung eine Zusammenarbeit mit Österreich angestrebt wird, das seine Grenzen unter der neuen schwarz-blauen Koalition von ÖVP mit der rechtskonservativen FPÖ energisch sichern will. Aber es schwingt noch etwas anderes mit: Das Zusammenrücken des Freistaates Bayern mit Österreich verbreitet den diskreten Duft einer möglichen „Alpenrepublik“. Nach Informationen der “Welt am Sonntag” sagte Ministerpräsident Markus Söder vergangene Woche vor Vertrauten: “Zu meiner Abschlusskundgebung kommt keine Bundeskanzlerin, sondern ein Bundeskanzler.” Wie bekannt wurde, hat der Österreichische Bundeskanzler Sebastian Kurz bereits zugesagt.
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