Hans-Werner Sinn - By Jan Roeder, Krailling - Photographer Jan Roeder, CC BY-SA 3.0, Link

“Öko­no­mi­scher Popu­lismus” — Kri­ti­scher Top-Ökonom Hans-Werner Sinn im Visier der Bessermenschen

„Mit öko­no­mi­schem Popu­lismus wird sich der Euro nicht refor­mieren lassen“ lautet die Über­schrift eines Bei­trages bei MAKRONOM. Er richtet sich gegen den Aufruf einer Gruppe von Öko­nomen um Hans-Werner Sinn, die davor warnt, die Eurozone zu einer „Haf­tungs­union“ umzubauen.
Eine Rea­li­sierung ihrer For­de­rungen würde die Wäh­rungs­union in eine schwere Krise stürzen, meint Jan Priewe. Na, dann schauen wir uns doch seine Argu­men­tation mal an! Meine Haltung dazu ist ja bekannt: Die Krise war nicht weg, wurde nur unter­drückt und ein wei­terer schwerer Aus­bruch ist nur eine Frage der Zeit. Weshalb aus­ge­rechnet die For­de­rungen der deut­schen Pro­fes­soren diesen aus­lösen sollen, werde ich jetzt prüfen: 
  • „Je näher der rich­tungs­wei­sende Gipfel rückt, desto stärker scheinen sich ver­schiedene Gruppen und Ein­zel­per­sonen aus der Zunft der deut­schen Öko­nomen sowie Poli­tiker der Union, der FDP und sowieso der AfD gegen diese Reformen zu stemmen. Das wich­tigste und lau­teste Sprachrohr dieser Grup­pie­rungen ist Hans-Werner Sinn.“ Stelter:  dem wir ja durchaus einigen Erkennt­nis­gewinn zu dem Thema verdanken.
  • „Seine Schlachtrufe lauten vor allem Keine Haf­tungs­union! und Keine Trans­fer­union!. Hier zeigt sich erneut, dass der frühere Prä­sident des ifo Instituts es wie kein anderer deut­scher Ökonom ver­standen hat, volks­wirt­schaft­liche Zusam­men­hänge Stamm­tisch-kom­pa­tibel auf­zu­be­reiten (…).“ Stelter: Das ist ange­sichts der Lebens­leistung von Sinn durchaus starker Tobak. Denn ist es nicht so, dass die Vor­schläge Macrons genau darauf abzielen?
  •  Aller­dings bleiben bei Sinn und seinen Mit­streitern viel zu oft wis­sen­schaft­liche Grund­prin­zipien auf der Strecke. (…) Deshalb kann man diese Öko­nomen mit Fug und Recht als popu­lis­tische Öko­nomen bezeichnen – es gibt eben einen Unter­schied zwi­schen popu­lärer Öko­nomie und öko­no­mi­schem Popu­lismus.“ Stelter: wow. Sich laut­stark zu Wort zu melden ist also – wenn es nicht zur gewünschten Linie passt – Populismus.
  • „Kri­ti­siert werden fünf zen­trale Vor­haben. Diese Kri­tik­punkte sollen zunächst auf­ge­listet und kom­men­tiert werden:“ Stelter: Und da halte ich mich genau an die Struktur des Kom­mentars, nehme also die Beschreibung und den Kom­mentar und gebe wie gewohnt meinen Senf dazu:
  • „Der Euro­päische Sta­bi­li­täts­me­cha­nismus (ESM) dürfe nicht wie seit Langem geplant zu einer Rück­ver­si­cherung des Ban­ken­ab­wick­lungs­fonds aus­gebaut werden, fordern die Unter­zeichner. Das würde falsche Anreize setzen, sodass faule Kredite nicht bereinigt würden. Kom­mentar: Der Ban­ken­ab­wick­lungsfond exis­tiert seit 2016 und führt peu à peu zu Ein­zah­lungen der euro­päi­schen Banken in Höhe von 55 Mil­li­arden Euro. Es gibt einen breiten Konsens, dass diese Summe nicht reichen wird, um einen Flä­chen­brand zu ver­hindern – eine Rück­ver­si­cherung ist für den äußersten Notfall unab­dingbar. Der Vor­schlag der Kom­mission sieht daher vor, dass der ESM, der in einen Euro­päi­schen Wäh­rungs­fonds (EWF) umgebaut werden soll, Kredite bis 60 Mil­li­arden Euro auf­nehmen darf, um sie an den Ban­ken­ab­wick­lungs­fonds wei­ter­zu­reichen. Die Banken müssen Zins und Tilgung zahlen. Das soll fis­ka­lisch neutral geschehen. Mit einer staat­lichen Haf­tungs­union hat das nichts zu tun.“ Stelter: hm. Wer garan­tiert denn für den EWF? Die Staaten der Eurozone, und zwar mit ihrem Kapi­tal­anteil am EMF. Deutschland ist hier „Haupt­ak­tionär“. Da wir aber wissen, dass den euro­päi­schen Banken rund 1.000 Mil­li­arden Euro fehlen, ist das schon eine rele­vante Frage. Da fak­tisch kein Staat mehr in der Lage ist, die Banken alleine zu retten – und es auch nicht wollen wird, wenn andere doch bezahlen – ist es eben kein kleines Risiko. Gibt es den Backstop erst mal, ist er rasch erhöht.  Was soll dies denn dann sein, wenn keine Haftungsgemeinschaft?
  • „Bei der Über­führung des ESM in einen neuen EWF würde das Veto­recht ein­zelner Länder ver­loren gehen, also in Deutschland das des Bun­destags. Kom­mentar: Mit einer unbe­legten Behauptung wird Stimmung gemacht. Der Vor­schlag der Kom­mission vom 6. Dezember 2017 sieht genau die gleichen Abstim­mungs­regeln im EWF wie im beschlos­senen ESM vor.“ Stelter: Es gibt durchaus Bemü­hungen, den EWF autonom zu machen oder aber der Kom­mission zu unter­stellen. Es ist deshalb zulässig, davor zu warnen, weil wir wissen, dass schon oftmals bei den Nacht­sit­zungen in Brüssel ziemlich teurer Mist her­aus­ge­kommen ist. 
  • „Die geplante euro­päische Ein­la­gen­si­cherung für Bank­gut­haben würde Risiken sozia­li­sieren, für die Banken und Regie­rungen in der Ver­gan­genheit ver­ant­wortlich waren, so der Aufruf. Man darf wohl davon aus­gehen, dass damit bestimmte Länder im Süden der Eurozone gemeint sind. Kom­mentar: Derzeit sind ein­heitlich in der Eurozone Bank­ein­lagen bis 100.000 Euro gesi­chert. Es gibt keine ein­heit­lichen Regeln für eine Ein­la­gen­ver­si­cherung. Im Notfall braucht man eine euro­päische Rück­ver­si­cherung, weil ein­zelne betroffene Länder die Aufgabe even­tuell nicht allein stemmen können. Dies könnte im Fall einer Finanz­krise, aber auch ohne eine solche, zu uner­wünschten Kapi­tal­flüssen führen, die Bank Runs gleich­kommen. Die von der alten Bun­des­re­gierung bislang ver­tretene Auf­fassung, mit einer gemein­samen Ein­la­gen­ver­si­cherung zu warten, bis die Alt­schulden abgebaut sind, ist brand­ge­fährlich. Eine Wäh­rungs­union mit freier Kapi­tal­mo­bi­lität (Bin­nen­markt) kann ohne ein­heit­liche Ein­la­gen­ver­si­cherung nicht funk­tio­nieren. Wie sie aus­zu­ge­stalten ist, wird intensiv debat­tiert. Die Nein­sager tragen zur Debatte nichts bei.“ Stelter: Wir brauchen sie eben nicht, weil bisher noch nie die 100.000 Euro in Gefahr waren. Ansonsten ist es doch richtig, dass wir erst sanieren müssen, bevor wir sozia­li­sieren. Ich kann nicht nach­voll­ziehen, wie man davor die Augen schließen kann. 
  • „Die Kom­mission schlägt einen Sta­bi­li­sie­rungs­fonds gegen asym­me­trische Schocks vor, die ein­zelne Länder betreffen, und einen (kleinen) Fonds zur Unter­stützung von Struk­tur­re­formen. Die Unter­zeichner des Aufrufs meinen, dass dies eine Hono­rierung von Fehl­ver­halten in der Ver­gan­genheit mit wei­teren Transfers und Kre­diten sei. Über das TARGET2-System, das den Zah­lungs­verkehr innerhalb der Wäh­rungs­union regelt, hätte Deutschland bereits Ver­bind­lich­keiten von mehr als 900 Mil­li­arden Euro auf­ge­häuft, die nicht ver­zinst würden. Kom­mentar: Der Vor­schlag der Kom­mission sieht vier neue Fonds vor, von denen drei aus dem EU-Haushalt finan­ziert werden sollen. Der vierte Fonds soll Ländern, die von asym­me­tri­schen Schocks betroffen sind, tem­poräre Kre­dit­hilfen geben können. Er soll etwa ein Prozent des BIP der Eurozone umfassen. Dies einfach als Fonds zur Hono­rierung von Fehl­ver­halten abzutun, ist wis­sen­schaftlich unredlich und dient allein der Stim­mungs­mache.“ Stelter: Es wäre aber an den Ländern, vorher die richtige Politik zu betreiben, damit die Situation gar nicht erst ent­steht. Einfach zu sagen, wir helfen in jedem Fall, hat genau diese Wirkung: Sie belohnt jene, die nicht vorsorgen. 
  • „Der geplante Euro­päische Finanz­mi­nister würde als Gesprächs­partner der EZB die Geld­po­litik der EZB weiter poli­ti­sieren, deren Anlei­he­käufe einer Staats­fi­nan­zierung über die Zen­tralbank gleichkäme. Kom­mentar: Der vor­ge­schlagene Euro­päische Finanz­mi­nister hat mit der Geld­po­litik der EZB nichts zu tun. Im Kom­mis­si­ons­vor­schlag ist der Prä­sident der Euro­gruppe (also des Rats der Finanz­mi­nister der Euro-Länder) für das EU-Budget und den EWF zuständig. Hier kann man nur den Kopf schütteln, dass 154 Pro­fes­soren offenbar bereit sind, bei jeder sich bie­tenden (Un-)Gelegenheit und argu­men­ta­ti­onsfrei gegen die Anlei­he­käufe zu agi­tieren.“ Stelter: Es ist unstrittig, dass die Anlei­hen­käufe dazu dienen, die Zinsen für schlechte Schuldner zu sub­ven­tio­nieren und so die Eurozone am Leben zu halten. Per­spek­ti­visch ist davon aus­zu­gehen, dass die Rufe nach Schul­den­an­nul­lierung lauter werden, siehe Italien. Damit ist es Staats­fi­nan­zierung. Ich habe damit bekanntlich kein Problem, denke aber, wir müssen die Ver­tei­lungs­wirkung offen ansprechen. 
  • Die Autoren sehen das Haf­tungs­prinzip als Grund­pfeiler der Sozialen Markt­wirt­schaft in Gefahr. Gefordert wird, Struk­tur­re­formen vor­an­zu­treiben, Staats­an­leihen bei den Eigen­ka­pi­tal­an­for­de­rungen von Banken nicht mehr als risi­kofrei ein­zu­stufen, ein Insol­venz­ver­fahren für Mit­glieds­staaten samt Mög­lichkeit zum Euro-Aus­tritt zu ermög­lichen, und die Kapi­tal­markt­in­te­gration (Kapi­tal­markt­union) in der EU vor­an­zu­treiben, weil private Kapi­tal­ströme angeblich asym­me­trische Schocks auf­fangen könnten. Bei der EZB sollen Haftung und Stimm­rechte ver­bunden, die TARGET-Salden regel­mäßig beglichen und die EZB-Ankäufe von Staats­an­leihen schnell beendet werden.“ Stelter: von wegen „angeblich“. Sogar Mario Draghi betont, dass Schocks nur durch private Kapi­tal­ströme aus­ge­glichen werden können, wie in den USA und wie der IWF vorrechnet. 
  • Sinns Grundidee lautet wie folgt: Der Euro ist fun­da­mental falsch kon­struiert. Die Süd-Länder, vor allem Grie­chenland, Por­tugal, Spanien und Italien, haben die im Zuge der Euro-Ein­führung auf nied­riges deut­sches Niveau gesun­kenen Zinsen aus­ge­nutzt, um ihren pri­vaten und staat­lichen Konsum zu steigern, was zu Inflation und zu über­höhten Nomi­nal­löhnen führte. Eigentlich hätten die Länder um etwa 30 Prozent abwerten müssen, was aber im Euro­system nicht mehr möglich ist. Lohn- und Preis­sen­kungen anstelle von Abwer­tungen durch­zu­führen, sei schwierig und lang­wierig. Statt­dessen haben EZB, EU-Kom­mission und Gläu­bi­ger­länder den Kri­sen­ländern immer mehr weiche Kredite gewährt, um Staat und Leis­tungs­bi­lanz­de­fizit zu finan­zieren, was wie­derum zu immer mehr moral hazard mit nach­las­sendem Reform­druck geführt hat.“ Stelter: Das ist doch eine in sich schlüssige Argu­men­tation. Der Schul­denboom ist die Kern­ur­sache der Krise und sollte auch so benannt werden. 
  • Die EZB hat die Refi­nan­zie­rungs­stan­dards in und nach der Finanz­krise ständig gesenkt, indem wertlose Staats­an­leihen als Sicher­heiten akzep­tiert wurden – in Sinns Sprache hat die (elek­tro­nische) Dru­cker­presse der EZB diese Länder bereit­willig finan­ziert. Der in der Krise gegründete Euro­päische Sta­bi­li­täts­me­cha­nismus hat schließlich die „No-Bail-out“-Regel der Euro­päi­schen Ver­träge umgangen.“ Stelter: damit nicht genug. Die EZB hat auch zuge­lassen, dass die natio­nalen Noten­banken direkt die Staaten finan­zieren. Siehe Grie­chenland (EBA) und Irland (Umschuldung Bad Bank im Umfang von 25 Prozent des BIP!)
  • Da eine interne Abwertung durch Lohn- und Preis­sen­kungen, wenn über­haupt, nur langsam funk­tio­niere, Abwertung aber nötig ist, bleibt für Sinn nur der Exit, die Abwertung mit eigener Währung, und even­tuell ein spä­terer Wie­der­ein­tritt in die Euro-Gemein­schaft. Daher hält Sinn die Mög­lichkeit zur Eröffnung von Insol­venz­ver­fahren gegen Staaten ent­scheidend, oder etwas grob über­setzt: Es muss Ländern mit dem Raus­schmiss aus dem Euro gedroht werden können.“ Stelter: nein. Die Länder brauchen zwei Dinge: a) einen Schul­den­schnitt privat und öffentlich und b) wett­be­werbs­fähige Kosten, wobei das natürlich bei Ländern wie Grie­chenland nichts nutzt, weil sie ohnehin nicht viel expor­tieren können. 
  • Sinn geht aber einen Schritt weiter. Der Euro hätte im Grunde zur Aus­beutung der nörd­lichen Mit­glieds­länder, vor allem Deutsch­lands, durch die süd­lichen geführt. Denn der eigent­liche Kon­struk­ti­ons­fehler der Wäh­rungs­union sei das TARGET2-System, also das Zah­lungs­system, mit dem Zah­lungs­salden zwi­schen den Mit­glieds­staaten ver­bucht werden. In diesem System stecke eine Auto­matik der ver­kappten Kre­dit­vergabe der Über­schuss- an die Defi­zit­länder, sprich: des Nordens an den Süden. Dies habe dazu geführt, dass die natio­nalen Zen­tral­banken der Kri­sen­länder sich in der Hoch­phase der Finanz­krise bei der EZB refi­nan­zieren konnten, obwohl (oder weil) der Inter­ban­ken­markt fak­tisch zusam­men­ge­brochen war. Die Not­kredite der Noten­banken der Kri­sen­länder bei der EZB hätten eben­falls dazu bei­getragen und seien zudem eine fak­tisch tole­rierte Geld­schöpfung der natio­nalen Zen­tral­banken dieser Länder.“ Stelter: Ich sehe auch hier nicht den Fehler in der Argumentation. 
  • Während der Euro­krise ab 2010 und ver­stärkt nach 2015 wurde Kapital aus den Kri­sen­ländern in andere Länder, vor­zugs­weise Deutschland, ver­lagert, wobei dies in den letzten Jahren weniger auf eine Kapi­tal­flucht, als auf das QE-Pro­gramm zurück­zu­führen sein dürfte. Der Verlust an Bank­ein­lagen in den Süd-Ländern, vor allem Spanien und Italien, hätte die Banken dieser Länder illi­quide gemacht, so dass sie sich neue Liqui­dität bei der EZB beschaffen mussten und konnten. Auch dies hat die TARGET-Salden stark erhöht, so dass Deutschland, genauer gesagt die Bun­desbank, in ihrer Bilanz über 1.000 Mil­li­arden Euro an For­de­rungen an die EZB ver­bucht, was rund einem Drittel des deut­schen BIP ent­spricht.“ Stelter: eine zutref­fende Beschreibung der Pro­zesse hinter den Target2-Salden. 
  • Das eigent­liche Haf­tungs­risiko bei TARGET-For­de­rungen würde nur ein­treten, wenn die TARGET-Schuldner den Euro ver­lassen. Selbst dann würde Deutschland – dem deut­schen Kapi­tal­anteil ent­spre­chend – nur zu 26 Prozent am Kapi­tal­verlust der EZB beteiligt sein. Erstaunlich ist, dass Sinn nun genau einen solchen Verlust für Deutschland fordert – denn die gewünschte Insol­venz­ordnung steht für Exit und Abwertung. Zwar blieben die For­de­rungen bzw. Schulden auch nach einem Exit bestehen, aber sie würden schwerer zu finan­zieren sein oder müssten ganz abge­schrieben werden.“ Stelter: Aber es käme zu einer Begrenzung. Denn so wie es jetzt läuft, steigen die For­de­rungen immer weiter. Ich halte es übrigens für naiv zu glauben, die anderen würden die Bun­desbank für den Verlust ent­schä­digen (26 Prozent). In Wahrheit dürften wir die 1.000 Mil­li­arden ver­lieren. Sinn nun vor­zu­werfen, weil er nicht für eine weitere Kon­kurs­ver­schleppung ist, würde er den Schaden erst ent­stehen lassen, ist schon sehr komisch. Nur um den Euro zu „retten“ sollen wir also die For­de­rungen weiter anwachsen lassen?
  • „Sinn fordert, das TARGET-System durch das US-Zah­lungs­system zwi­schen den zwölf regio­nalen Nie­der­las­sungen der US-ame­ri­ka­ni­schen Notenbank, den Dis­trict-Feds, zu ersetzen. Dort werden die Salden regel­mäßig ver­zinst und jährlich aus­ge­glichen. Aller­dings ist die Fed völlig anders auf­ge­stellt als die EZB: Sie kann Staats­an­leihen des Zen­tral­staates unbe­schränkt auf­kaufen, was von den popu­lis­ti­schen Öko­nomen als hier­zu­lande ver­botene monetäre Staats­fi­nan­zierung bezeichnet wird.“ Steltr: Was hat das eine mit dem anderen zu tun?
  • Würde man Sinns Vor­schlägen in Europa folgen, müssten die TARGET-Schulden zudem dinglich gesi­chert werden, etwa durch Gold.  Der jähr­liche Aus­gleich würde viele Mit­glieds­länder schnell illi­quide und insolvent machen, der Euro bräche zusammen. Tat­sächlich hat das TARGET-System, wie immer man es bewerten mag, dazu bei­getragen, dass in kri­sen­haften Phasen die Länder mit Zah­lungs­bi­lanz­de­fi­ziten die Export­über­schüsse anderer Länder, vor­nehmlich Deutsch­lands, finan­zieren konnten.“ Stelter:  wobei die Finan­zierung von Exporten durch uns selbst schon zu hin­ter­fragen ist. Wäre es nicht besser, wir hätten weniger expor­tiert, wenn die Schul­den­länder nicht noch mehr Schulden gemacht hätten für diesen Konsum?
  • Deutschland hat hohe Haf­tungs­ri­siken über­nommen, die Druck von den Schuld­ner­ländern nehmen, um ihre Schulden zu zurück­zu­zahlen. Die schlechten Schuldner nutzen die guten Gläu­biger immer mehr aus, durch TARGET, durch Hilfs­kredite, durch den Ret­tungs­schirm, durch die EZB, durch den geplanten EWF, den Backstop für den Ban­ken­ret­tungs­fonds und erst recht durch die geplante ein­heit­liche Ein­la­gen­ver­si­cherung. Der Euro könne nur als reiner Staa­tenbund, also als Kon­fö­de­ration und nicht als Föde­ration oder poli­tische Union über­leben, in der Deutschland dann per­manent über­stimmt werden würde.“ Stelter: Auch hier ist die Argu­men­tation schlüssig. 
  • Eigentlich sagt uns Hans-Werner Sinns Rechnung also nur: Es ist im Interesse Deutsch­lands, den Exit dieser Länder aus dem Euro tun­lichst zu ver­meiden, weil er sehr teuer werden würde!“ Stelter: Ja, so kann man argu­men­tieren. Doch muss man immer die Alter­na­tiven ana­ly­sieren. Wir können nicht so weiter machen wie bisher, denn dann kommt es unwei­gerlich zu einem Unfall, eben weil doch ein Land aus­tritt. Dau­er­hafte Ali­men­tierung funk­tio­niert auch nicht, siehe Nord- und Süd­italien. Und wir können es uns gar nicht leisten als schrumpf­ver­grei­sendes Land. 
  • Es sieht auf den ersten Blick so einfach aus. Eine gemeinsame, von den Mit­glieds­staaten voll­kommen unab­hängige supra­na­tionale Zen­tralbank, wird ein­ge­richtet und ist allein für die Preis­sta­bi­lität zuständig, und die Mit­glieds­staaten bleiben gleich­zeitig sou­veräne Natio­nal­staaten. Der zweite Blick zeigt, wie naiv diese Vor­stellung ist:“ Steler: Na, da sind wir mal gespannt.
  • Die Mit­glied­staaten können in einer Wäh­rungs­union gar nicht mehr voll­ständig sou­veräne Natio­nal­staaten bleiben, weil sie geld­po­li­tische Sou­ve­rä­nität ver­lieren. Es gibt keine nationale Geld­po­litik für nationale Preis­sta­bi­lität oder zusätz­liche Ziele mehr. Es gibt keinen Wech­selkurs gegenüber den anderen Mit­glieds­ländern mehr. Ein Zah­lungs­bi­lanz­un­gleich­ge­wicht kann nicht mehr mit Geld- oder Wäh­rungs­po­litik bekämpft werden. Als Gegen­leistung wird nur eine harte Währung und damit ver­bunden niedrige Zinsen ange­boten.“ Stelter: So ist es, weshalb der Euro eben eine Fehl­kon­struktion ist. Das kann nicht auf Dauer funk­tio­nieren, da bin ich gleicher Meinung. 
  • Nationale Staats­an­leihen in eigener Währung werden in jedem Mit­gliedsland poten­ziell unsicher, denn es gibt keinen Lender of Last Resort mehr, der das nationale Finanz­system im Notfall mit Liqui­dität ver­sorgt und Staats­an­leihen ankauft, um einen Kurs­verfall und ent­spre­chende Zins­stei­ge­rungen zu ver­hindern. Damit wird für ein Mit­gliedsland Illi­qui­dität und Insolvenz, also ein Staats­bankrott, möglich – nicht wegen eines Fehl­ver­haltens, sondern mangels eigener Zen­tralbank.“ Stelter: Ja, Länder ohne eigene Zen­tralbank können sich nicht her­aus­drucken, sondern müssen solide wirt­schaften. Die Alter­native ist, dass die EZB alle raushaut, wohin das führen kann, sehen wir zurzeit in Italien. Ist das die Lösung?
  • In einer eng ver­floch­tenen Wäh­rungs­union kann es Anste­ckungs­ef­fekte geben, wenn ein Land hohe oder zu niedrige Inflation erzeugt, etwa durch sehr expansive bzw. sehr restriktive Fiskal- und Lohn­po­litik und durch sys­te­mische Finanz­krisen. Es müssen also Regeln zur Fis­kal­po­litik und womöglich auch zur Lohn­po­litik beschlossen werden, ebenso gegen sys­te­mische, grenz­über­schrei­tende Finanz­krisen, und zwar ein­stimmig, wie es eine Kon­fö­de­ration erfordert, also ohne eigenen demo­kra­ti­schen Staat, der ja mit Mehr­heits­ent­schei­dungen ope­rieren kann. So wird die fiskal‑, finanz- und even­tuell auch die sozi­al­po­li­tische Sou­ve­rä­nität der Natio­nal­staaten ver­mindert.“ Stelter: Die Alter­native der Dele­gation an eine Zen­trale krankt an dem Problem, dass die Zah­lungs­emp­fänger in der Mehrheit sind und damit genau das – hier geleugnete – Problem erzeugen. 
  • Da die Zen­tralbank immer auch die Aufgabe der Sicherung der Finanz­sys­tem­sta­bi­lität hat, bedarf es eines Finanz­systems mit ein­heit­lichen Rege­lungen – und damit einer Ver­si­che­rungs­union“ Stelter: unbe­dingt. Diese Rege­lungen bräuchten wir auch, bevor man eine Ban­ken­union macht. Die haben wir aber nicht, siehe Italien (erneut).
  • Schluss­fol­gerung: (…) bestimmte Staats­funk­tionen müssen ver­ge­mein­schaftet werden. Fak­tisch hat dies in Europa auch schon lange vor der Wäh­rungs­union begonnen, (…) so dass wir fak­tisch einen Hybrid aus Natio­nal­staaten und Gemein­schafts­staat, von Kon­fö­de­ration und Föde­ration haben. Durch die Wäh­rungs­union, besonders nach der Finanz­krise 2008/09, sind eine Fülle von neuen Staats­funk­tionen durch umfäng­liche Regel­werke ver­ge­mein­schaftet worden.“ Stelter: Das ist zutreffend.
  • Jedoch gibt es bis heute keine euro­päische Regierung, kein echtes gemein­sames Par­lament, keine euro­päische Fis­kal­po­litik, keine voll­ständige Ban­ken­union, keine klaren Haf­tungs­regeln und keine Ver­si­che­rungs­union gegen grenz­über­schrei­tende Risiken – und diese insti­tu­tio­nen­öko­no­mi­schen Her­aus­for­de­rungen werden nicht geringer, je länger man mit ihrer Ein­führung wartet: In einer öko­no­misch wie poli­tisch hete­ro­genen Wäh­rungs­union wird es im Gegenteil immer schwie­riger, auf dem Weg der Ein­stim­migkeit not­wendige Staats­funk­tionen zu ver­ge­mein­schaften.Stelter: Und weil wir diese ein­heit­lichen Rege­lungen nicht haben, können wir auch nicht zulassen, dass wir mehr Geld geben, ohne Kon­trolle über die Ver­wendung zu haben. So liegen Steuern und Sozi­al­ab­gaben aber auch Leis­tungen in Europa weit aus­ein­ander. Diese müsste man ver­ein­heit­lichen, bevor man zulässt, dass Gelder fließen. Ich ver­stehe bei­spiels­weise nicht, weshalb die ärmeren deut­schen Pri­vat­haus­halte für die ita­lie­ni­schen Schulden ein­stehen sollen, wo doch die ita­lie­ni­schen Pri­vat­haus­halte deutlich reicher sind. 
  • „Fast alle Ver­treter der Theorie opti­maler Wäh­rungs­räume waren sich einig, dass die Formel Währung ohne Staat nicht funk­tio­nieren kann. Der ein­ge­fleischte kon­ser­vative US-Ökonom und Euro-Kri­tiker der ersten Stunde Martin Feld­stein schrieb bei der Ein­führung des Euro, es sei unver­ständlich, dass die­je­nigen, die den Euro wollen, nicht auch für eine poli­tische Union mit Fis­kal­po­litik ein­treten. Man könnte noch hin­zu­fügen: Eigentlich müssten doch gerade die Deut­schen mit der Erfahrung der deutsch-deut­schen Wäh­rungs­union am besten ver­stehen, dass Staat und Währung ein­ander bedingen.“ Stelter: Und die Deut­schen wären ja noch am ehesten bereit, in einem solchen Staat auf­zu­gehen. Wenn dies aber mit den anderen nicht zu machen ist, ist es da nicht ver­nünftig, bei dem Thema Finanzen aufzupassen?
  • „Zwar sind fak­tisch alle Bun­des­staaten mit eigener Währung auch Fis­kal­fö­de­ra­tionen, die im Zen­tral­budget die Aus­gaben nicht pro­por­tional an Regionen nach den regio­nalen Ein­nahmen ver­teilen. Und es sind immer auch Trans­fer­unionen: Der EU-Haushalt, der nur gut ein Prozent des EU-Brut­to­in­lands­pro­dukts beträgt, beinhaltet Transfers, die in der Spitze vier Prozent des BIP eines Mit­glieds­landes (Bul­garien) erreichen. Deutschland ist in abso­luten Zahlen der größte soge­nannte Net­to­zahler, aber diese Zah­lungen machen gerade einmal 0,4 Prozent des deut­schen BIP aus. Der deutsche Län­der­fi­nanz­aus­gleich hat ein Volumen von nicht mehr als 0,8 Prozent des BIP. Die Frage sollte nicht sein, ob es eine Trans­fer­union gibt, sondern für welche kon­kreten Auf­gaben ein euro­päi­sches Budget vor­ge­sehen ist und wie groß das Trans­fer­vo­lumen sein darf.“ Stelter: Und wir wissen, dass es nicht die staat­lichen Transfers sind, die sta­bi­li­sieren, sondern die pri­vaten. Für einen Ver­treter der Hans-Böckler-Stiftung natürlich schwer zu akzeptieren. 
  • „Die wirk­lichen Pro­bleme sind nicht eine Umver­teilung von Nord nach Süd oder Ost, oder eine Haftung des Nordens für ver­meint­liche Schlam­pe­reien des Südens – sondern die Her­stellung der Funk­ti­ons­fä­higkeit der Wäh­rungs­union. Sie ist in der jet­zigen Form unvoll­ständig, sie ist auf neue Finanz­krisen nicht hin­rei­chend vor­be­reitet, nicht einmal auf eine neue normale Rezession, und schon gar nicht auf erneute asym­me­trische Schocks, die nur einige Länder treffen.“ Stelter: Ja, das ist unstrittig. Ich würde nur gerne auf­hören, von „Schocks“ zu sprechen, wenn es nichts anderes ist als zu hohe Schulden von Staaten und Pri­vaten. Ich wäre auch gespannt, ob uns die anderen helfen würden, wenn unsere Auto­mo­bil­in­dustrie unter Trump, Diesel und Elektro kol­la­biert. Niemals. 
  • „Dass keiner am Stamm­tisch für die Zeche des anderen haften will, leuchtet zwar jedem Bier­de­ckel­in­haber ein, trifft aber leider nicht die aktu­ellen Pro­bleme der Euro­päi­schen Wäh­rungs­union. Deren größtes poten­zi­elles Schul­den­problem betrifft vielmehr den Verlust der natio­nalen Zen­tral­banken mit ihren Fähig­keiten, den Wert von Staats­an­leihen zu sichern. Wenn die Bewertung dieser Anleihen statt­dessen den inter­na­tio­nalen Finanz­märkten über­lassen wird, können sehr hohe Risi­ko­auf­schläge ent­stehen, die jedes Land in die Knie zwingen können.“ Stelter: Ja, so ist es. Und das eigent­liche Problem ist, dass der Markt nicht von Anfang an dieses Risiko richtig bepreist hat, zahlte doch Grie­chenland zeit­weise weniger Zinsen als Deutschland. Es geht immer nur um das eine Thema: Wir haben zu viele Schulden und wie werden wir die los. Wer trägt den Verlust? 
  • „Dann landen sie mit der Insol­venz­ordnung von Sinn, Berthold und Co. in einem Prozess der Schul­den­re­struk­tu­rierung und womöglich im Exit. Selbst dann würden sie ihre Schulden nicht los­werden, es sei denn, sie treten Immo­bilien im Staats­ei­gentum an die Gläu­biger ab, die ding­liche Sicherung fordern, oder sie werden durch Pri­mär­über­schüsse im Staats­haushalt bis aufs Hemd aus­ge­quetscht.“ Stelter: wieso? Die größten Gläu­biger des ita­lie­ni­schen Staates sind (nach Notenbank und EZB) die ita­lie­ni­schen Pri­vat­haus­halte. Einfach lösbar. 
  • „Was in allen nor­malen Wäh­rungs­räumen mit sou­ve­räner Währung üblich ist, nämlich die Sicherung von Staats­an­leihen durch die Notenbank, wird der EZB ver­wehrt. Diese Sicherung wird juris­tisch als indi­rekte monetäre Staats­fi­nan­zierung und als Ein­ladung zu exzes­siver Staats­ver­schuldung, also als moral hazard in großen Stil bewertet.“ Stelter: Und, was sagt man sonst zur neuen ita­lie­ni­schen Regierung, die sich über alle Regeln hin­weg­setzen will. Ist es für die Hans-Böckler-Stiftung okay, dies unbe­grenzt von der EZB finan­zieren zu lassen?
  • „Aus der Existenz des ESM als euro­päische Feu­erwehr ziehen die Popu­listen zwei gefähr­liche Schlüsse. Der Druck auf die kri­ti­schen Länder ließe nach, not­wendige Struk­tur­re­formen umzu­setzen. Für Sinn und die übrigen Unter­zeichner des Aufrufs ist der Kern dieser Struk­tur­re­formen die Erhöhung der inter­na­tio­nalen Wett­be­werbs­fä­higkeit durch die Senkung der Löhne und Preise sowie durch fis­ka­lische Kür­zungen, um den Schul­den­dienst bezahlen zu können – nur wenn ein großer poli­tisch-öko­no­mi­scher Lei­dens­druck bestünde, würden die Peit­schen­hiebe der Struk­tur­re­formen als klei­neres Übel emp­funden.“ Stelter: Das sehe ich auch kri­tisch. Man kann sich aus der Pleite nicht her­aus­sparen. Insofern ist es müßig, in diese Richtung zu denken. Nur der Ver­zicht auf Sparen und Reformen schafft die Schulden auch nicht aus der Welt. 
  • „Der zweite gefähr­liche Schluss ist, dass die Peit­schen­hiebe besser nicht durch die euro­päische Politik, sondern durch die Finanz­märkte erfolgen sollten. Dies impli­ziert, dass die tra­di­tio­nelle Sicht in allen OECD-Ländern durch die neue Phi­lo­sophie ersetzt würde, dass Staats­an­leihen ebenso wie Pri­vat­schulden nicht mehr per se als nahezu sicher ange­sehen werden dürfen, also auch erhöhte Eigen­ka­pi­tal­zu­schläge der Banken not­wendig sind (De-Pri­vi­le­gierung von Staats­an­leihen). Stelter: Das wäre in einer per­fekten Welt gut, wenn wir alle tiefe Schulden haben und es den Märkten glaubhaft kom­mu­ni­zieren. Jetzt, wo wir schon pleite sind, ist es zu spät, in diese Richtung zu gehen. 
  • „Zudem ist die Kritik von Haf­tungs­be­grenzung und moral hazard recht ein­seitig. Es gibt – im Rahmen der Eurozone – viel mehr Formen von Fehl­an­reizen, als die von den popu­lis­ti­schen Öko­nomen the­ma­ti­sierten. Hier sei nur der Wich­tigste erwähnt: Im Regelwerk der Wäh­rungs­union kann ein Land beden­kenlos und scheinbar unbe­schränkt Han­dels­bi­lanz­über­schüsse auf­bauen, indem die Lohn­stück­kosten der anderen Mit­glieds­länder sys­te­ma­tisch unter­boten werden, ferner durch eine neo­mer­kan­ti­lis­tische Indus­trie­po­litik ver­schie­denster Schat­tie­rungen sowie durch restriktive Fis­kal­po­litik, die Nach­frage, BIP-Wachstum und Importe dämpft.“ Stelter: Aha, es geht also um die Schuld­zu­weisung an Deutschland. Bekanntlich sehe ich die Über­schüsse mehr als kri­tisch. Doch zu sagen, wir hätten sie ein­seitig auf­gebaut, stimmt so nicht. In den Boom­jahren gab es eine Über­nach­frage aus den heu­tigen Kri­sen­ländern, die von über­allher hätte bedient werden können. Deutschland war über­be­wertet in den Euro ein­ge­treten und musste deshalb eine Anpassung vor­nehmen. Von einem bewussten Dumping zu reden, ist also falsch. Zudem ist es naiv, zu glauben, wir könnten einfach über Lohn­er­hö­hungen das Problem lösen. Schließlich sind wir inter­na­tional vor allem wegen des schwachen Euro so wettbewerbsfähig. 
  • „Ohne Wäh­rungs­union hätten Deutschland und ein paar andere Länder massiv gegenüber den anderen Euro­staaten auf­ge­wertet. (Stelter: und Anfang der 2000er-Jahre abge­wertet, was ver­mutlich die Harz-IV-Reformen über­flüssig gemacht hätte) Diese ver­steckte reale Unter­be­wertung des Euro in Deutschland schafft jedoch große Risiken für die Defi­zit­länder und zwingt sie in die Ver­schuldung. (Stelter:  wie das , bitte? Wenn man relativ zu teuer ist, muss man sich nicht mehr ver­schulden, das ist Blödsinn.) Die Eurozone hat zwar das Makro­öko­no­mische Ungleich­ge­wichts­ver­fahren ein­ge­führt, durch welches exzessive Defizite und Über­schüsse redu­ziert werden sollen. Aber hier stehen asym­me­trisch die Defi­zit­länder im poli­ti­schen Fokus, obwohl sich Deutschland eben­falls nicht an die Regeln hält. Sank­tionen gibt es nicht. So können Über­schuss­länder von der Nach­fra­ge­schaffung der Defi­zit­länder leben – als Tritt­brett­fahrer. Andere ver­schulden sich für deutsche Net­to­ex­porte.“ Stelter: Das stimmt, aber wir zwingen oder nötigen sie nicht dazu. 
  • Was aber haben die EU-Kom­mission und Macron eigentlich vor, das die popu­lis­ti­schen Öko­nomen so alar­miert? Im Kern geht es um die Umwandlung des ESM in einen Euro­päi­schen Wäh­rungs­fonds. Mit einem poten­zi­ellen Aus­leih­vo­lumen für Hilfs­kredite von 500 Mil­li­arden wäre dieser riesig im Ver­gleich zum EU-Budget von etwa 135 Mil­li­arden jährlich, welches zudem keine Mög­lichkeit zur Kre­dit­auf­nahme hat.“ Stelter: in der Tat eine poten­ziell riesige Summe. Die Frage nach der Kon­trolle stellt sich schon. Der IWF hilft auch nur mit harten Auf­lagen. Da es ja – wie in der Argu­men­tation der FES immer wieder betont – darum geht, die feh­lende Garantie der Notenbank für Staats­schulden zu kom­pen­sieren, ist das ein sehr bedenk­licher Punkt!
  • „Der ESM beruht auf völ­ker­recht­lichen Ver­trägen, die neben dem EU-Recht stehen. Die Kom­mission will den EWF unter EU-Ver­trags­recht stellen, wodurch der Kom­mission mehr Ein­fluss zukäme, zumal diese durch einen Euro­päi­schen Finanz­mi­nister auf­ge­wertet werden soll – wenn­gleich ein Finanz­mi­nister ohne Regierung, ohne Par­lament mit Bud­get­recht, also ohne Staat, eine Art euro­päi­scher Eti­ket­ten­schwindel wäre. Immerhin würde verbal ein Stückchen euro­päische Staat­lichkeit ein­ge­führt. Macron wie­derum wünscht sich, anders als die Kom­mission, ein eigenes Euro­zonen-Par­lament, nicht zuletzt zwecks Kon­trolle des Finanz­mi­nisters.“Stelter: Oben wurde noch von einer „unbe­legten Behauptung“ gesprochen, mit der „Stimmung gemacht“ würde. Und hier steht eine Ver­schiebung der Macht, hin nach Brüssel und zulasten der natio­nalen Regierungen/Parlamente. Was nun? Das Euro­zonen-Par­lament wäre wie schon das Euro­pa­par­lament höchst unde­mo­kra­tisch, wären doch deutsche Bürger nicht pro­por­tional repräsentiert. 
  • „Dabei sind viele andere Pro­bleme noch aus­ge­klammert, ins­be­sondere der Abbau der Leis­tungs­bi­lanz­über­schüsse einiger Länder und der Eurozone als Ganzer, die Bewäl­tigung sym­me­tri­scher Schocks, sprich die Ein­führung (und Durch­setzung) einer euro­päi­schen Kon­junk­tur­po­litik mit Mitteln der Fis­kal­po­litik, und die not­wendige Über­ar­beitung der Defi­zit­regeln des Sta­bi­litäts- und Wachs­tums­pakts (…).“ Stelter: euro­päische Kon­junk­tur­po­litik? Man könnte fast meinen, der Autor hat die letzte Studie zur feh­lenden Kon­vergenz im Euroraum nicht gelesen.
  • „Ange­sichts dieser gewal­tigen Auf­gaben ist eine Ver­wei­ge­rungs­haltung, wie im Aufruf der 154 zur Schau gestellt, alles andere als hilf­reich. Würden deren For­de­rungen rea­li­siert, würde die Wäh­rungs­union in eine schwere Krise geraten, wahr­scheinlich in eine Exis­tenz­krise.“ Stelter: Aber durch eine Umver­teilung auf euro­päi­scher Ebene wird das auch nicht möglich sein! Wün­schen genügt nicht als öko­no­mische Kate­gorie. Wir brauchen deutlich fun­da­men­talere Schritte, um die Eurozone zu sanieren: allen voran Schul­den­schnitte und eine Neu­ordnung. Die Target2-For­de­rungen sind so oder so futsch. Handeln wir jetzt, ist der Schaden (viel­leicht) noch beherrschbar. 
Führt mich zum Fazit: Der Autor hat zwar sehr lange argu­men­tiert und poin­tiert die Kritik geäußert, doch im Kern nicht viel mehr gesagt als: Wenn wir nicht in einen Umver­tei­lungs­me­cha­nismus ein­steigen, wird der Euro rascher enden (als sonst). Nur wie man den Euro statt­dessen wirklich sanieren könnte, bleibt offen. Dabei muss man das erst defi­nieren, bevor man über­haupt etwas macht. Schon gar nicht etwas, was direkt in Transfers führt, die man nicht mehr begrenzen, geschweige denn rück­gängig machen kann!

Dr. Danel Stelter — www.think-beyontheobvious.com
makronom.de: „Mit öko­no­mi­schem Popu­lismus wird sich der Euro nicht refor­mieren lassen“, 24. Mai 2018