Gleich vorab seien alle gewarnt, deren Lieblingsmotti „Wir schaffen das“ oder „Alles wird gut“ sind. Für sie wird dieses Buch vermutlich zum Albtraum werden. Der Trost und die Durchhalteparolen, die es bietet, beschränken sich auf wenige Seiten, alles andere in diesem Buch ist eine ebenso knallharte wie sachliche Analyse des Westens bzw. der Situation Europas. Die Rede ist von einer der spannendsten Neuerscheinungen dieses Jahres.
Parviz Amoghli, Alexander Meschnig: Siegen. Oder vom Verlust der Selbstbehauptung.
Während das Abendland auf eine reiche Tradition wehrhaften Selbstbewusstseins und glorreicher Siege zurückschauen kann, war der freie Westen – sieht man einmal von der Sondersituation Israels ab – schlich unfähig, Konflikte gewaltsam für sich zu entscheiden.
Und das trotz einer eindeutigen ökonomischen wie militärischen Überlegenheit. Ausgehend von jenem großen Sieg über Troja, mit dem die abendländische Geschichtsschreibung beginnt, stellen die Autoren fest: „Der Sieg war offensichtlich in seinen (langfristigen) Folgen noch nie unproblematisch und ist, so die Grundthese unseres Buches, mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges … faktisch unmöglich geworden.“
Das gelte besonders für Deutschland, das nach Rolf Peter Sieferle, nach dem Zweiten Weltkrieg mental „vollständig pazifiziert worden“ sei.
Militärische Unterlegenheit durch fanatischen Glauben und Kampfmoral ausgeglichen
Im Hinblick auf den militanten Islam erweist sich genau diese Einstellung als fatal: „Allahs Krieger interessieren westliche Moralvorstellungen und das Völkerrecht nicht. Sie sind auf die gewaltsame Missionierung ihrer Feinde aus. Ihr Ziel kann als ein klassischer Sieg gelten, da die Eroberung, Unterwerfung und Umerziehung der Ungläubigen im Zentrum steht. Dabei gleichen sie sie militärische Unterlegenheit durch fanatischen Glauben und Kampfmoral aus. Dagegen konnte bislang selbst der forcierte Drohnenkrieg nichts ausrichten …“
Dass auch die Kirchen in diesem Feld komplett versagen, sich statt in klarer Identitätswahrung in Anpassung an das wehrlose System des Postheroismus mit seinen neuen Dogmen und Inquisitionen anzupassen suchen, wird ebenfalls von den Autoren nicht verschwiegen.
Die ideologische Aufgabe der nationalen Identität
Verstärkt wird diese Tendenz der völligen Pazifizierung noch durch eine jüngere Entwicklung, die in der Öffnung der Grenzen durch Merkel sozusagen ihren ultimativen Ausdruck gefunden hat: Die ideologische Aufgabe der nationalen Identität, der Unterscheidung zwischen „Wir“ und „Ihr“.
Genau diese Unterscheidung ist aber die Voraussetzung für das Siegen: „Der Begriff des Politischen bringt es mit sich, dass eine Differenz von Eigenem und Anderem, Freund und Feind existiert …“ Aus dem „Volk ohne Raum“ sei ein „Raum ohne Volk“ geworden, „in dem sich nicht länger Deutsche tummeln, sondern Menschen in einer ‚multikulturellen Gesellschaft‘ leben.“
Genau jenes Denken hat man in Deutschland seit Jahren erfolgreich verdrängt. Wer es heute noch wagt, wird zum Hetzer und Hassredner diskreditiert und sozial aufs schärfste geächtet.
Bundeswehr: „Sozialarbeiter in Uniform“
An die Stelle des Heldentums ist nun ein Hypermoralismus getreten, der rein gesinnungsethisch agiert. Ganz konsequent wurde in diesem Sinne die Armee in Deutschland nicht nur physisch, sondern auch mental total abgerüstet.
Übrig geblieben, so das Buch, ein „Sozialarbeiter in Uniform“. Dieses Hypermoralismus kenne im Unterschied zu der Moral der Kirche keine Gnade mehr. Daraus resultiert die „massive Spaltung innerhalb der deutschen Gesellschaft und quer durch Familien und Freundschaften in Fragen der grenzenlosen Einwanderung und Migration“. Eine Entwicklung, die die Autoren für die vielleicht verhängnisvollste überhaupt seit 2015 halten.
Sprachzensur und Meinungskonformität beherrschen Medien und Politik
Mit zu diesem Hypermoralismus gehöre auch das moralische Verbot anderes zu denken und zu sprechen als das das die dem Hypermoralismus Hörigen tun: „Das Denk- und Sagbare ist während der letzten Jahre immer mehr zusammengeschrumpft, die Zone der tabuisierten Themen ständig erweitert worden, Sprachzensur und Meinungskonformität beherrschen Medien und Politik. Jeder, der sich nicht den politischen und medialen Diskursrichtlinienrichtern unterwirft, gilt heute zumindest als rechts, nationalistisch, rassistisch wenn nicht gleich als ‚Nazi.
Im Bereich der politischen Kategorien fragt man sich erstaunt: Wie ist es möglich, dass man nichts mehr vom Mainstream Abweichendes sagen kann, ohne sofort als Rechtsextremer bezeichnet zu werden:
„Weshalb ist alles Moralische, Konforme und Konformistische, das einst den rechten eignete, links geworden?“
Der militante Islam weiß um die Empfindlichkeit und Verletzbarkeit postheroischer Gesellschaften
Das Buch versucht darauf Antworten und überzeugt immer wieder durch Analysen der gegenwärtigen Situation, die ich so in dieser nüchternen Klarheit und Schlüssigkeit nur von Sieferle kenne.
Sie gipfeln in der Feststellung, dass der militante Islam sehr genau um die „Empfindlichkeit und Verletzbarkeit postheroischer Gesellschaften“ weiß. Seine „Ermattungsstrategie“, die er mit seinen Terroraktionen verfolgt, „zielt auf Destabilisierung und physische Zermürbung“ der westeuropäischen Gesellschaften. Und das mit Erfolg.
Längst ist der Krieg unter dem Label Migration nach Europa zurückgekommen. Das Narrativ „Einzelfall“ kann den täglichen 24/7‑Terror, den die alternativen Medien seit etwa 3 Jahren zu dokumentieren versuchen, nicht mehr lange verdecken.
Linke begrüßen in einer dekadenten suizidalen Mentalität des Todes längst den Untergang der alten Ordnung durch die neuen Gotteskrieger, die inzwischen zu Tausenden in Europa stationiert sind.
Ein neues Zeitalter fern aller kantianischen und aufklärerischen Traditionen?
Der Einfall der neuen Barbaren bereite ein neues, „goldenes Zeitalter“ – „fern aller kantianischen und aufklärerischen Traditionen – vor, einen kosmopolitischen Staat, in dem sich die „Körper vermischen“ und eine gemeinsame Sprache sprechen.“
Was bleibt uns? Was können wir gegen solche Horrorvisionen noch tun? Ganz am Ende weisen die Autoren darauf hin, in welche Richtung eine Lösung zu suchen wäre. Es könne gar nicht mehr, wie uns Merkel & Co verkünden, um einen „Sieg über den Terror“ gehen: „Vielmehr geht es darum, den Erhalt und die Bewahrung einer freien, pluralistischen und offenen Gesellschaft mit allen rechtsstaatlichen Mitteln zu verteidigen“.
Was wollen wir überhaupt gegen den Islam verteidigen?
Dafür brauche es allerdings einen gemeinsamen ideellen Kern, der uns klar macht, was wir überhaupt verteidigen wollen: „Erst wenn darüber Klarheit herrscht, wird Deutschland und mit ihm Europa in der Lage sein, dem militanten Islam auf Augenhöhe zu begegnen.“
Wenn der französische Denker Maurice Dantec hier in der jüdisch-christlichen Tradition die Lösung sieht, führen die Autoren zurecht das komplette Versagen der christlichen Kirchen – seit dem Pontifikat von Papst Franziskus auch der katholischen – ins Feld.
Dennoch berühre Dantecs Lösungsvorschlag den zentralen Punkt in der Auseinandersetzung des Westens mit dem Islam. Es gehe um einer Art „Angleichung an den Feind, der inzwischen mitten unter uns ist“. Nicht indem man seine Grausamkeit überbietet:
„Vielmehr geht es um eine mentale Konstitution, um den Aufbau von Entschlossenheit, dem Feind der Liberalität und Demokratie mit der gebotenen Unbedingtheit und Härte entgegenzutreten.“
Eine schwierige Gratwanderung, ganz ohne Zweifel. Dass sie höchst erfolgreich möglich ist, zeigt für die Autoren Israel:
„Die einzige funktionierende Demokratie im Nahen Osten steht exemplarisch für eine Gesellschaft, die trotz der permanenten Bedrohungslage demokratische Standards aufrechterhält.“
Genau jene selbstbewusste Selbstachtung und Selbstbewahrung müsse die Europäer zurückgewinnen, um der „Agonie der alten Welt ein Ende zu setzen“ – und so würde ich ergänzen, das Abendland zu einer neuen Blüte zu führen.
Mit dem Satz „Auch wenn man nicht mehr siegen kann, sollte man wenigstens nicht verlieren“ enden die beiden Autoren eines der besten Bücher, das in diesem Jahr erschienen ist.
Ein Buch das uns zeigt, dass wir uns mitten im Ernstfall befinden, in dem keiner mehr das Recht hat, mittelmäßig zu sein.
Parviz Amoghli, Alexander Meschnig: Siegen. Oder vom Verlust der Selbstbehauptung. Werkreihe Tumult, Manuscriptum Verlag, Berlin / Lüdinghausen 2018, broschiert, 18,90 Euro
Dieser wichtige Beitrag erschien zuerst auf dem Blog von David Berger www.philosophia-perennis.com