Ein Großteil unseres Geldes ist weg! — Target2 ist volks­wirt­schaft­liche Schadensmaximierung!

Inter­es­san­ter­weise ist Target2 aktuell in aller Munde. Zuvor hatte sich die For­derung der Deut­schen Bun­desbank gegenüber den anderen Noten­banken in der Eurozone klamm­heimlich auf einen neues Rekord­niveau ent­wi­ckelt (976 Mil­li­arden Euro!) und zwar ohne das die Presse groß darüber berichtet hatte. Um so erstaun­licher ist es nun für uns, dass auf einmal aus ver­schie­denen Rich­tungen (Spiegel, Die Zeit) eine regel­rechte Flut an Artikeln geschrieben werden, um die All­ge­meinheit zu beru­higen. Als Öko­nomen können wir über die dort gemachten Aus­sagen und Beschwich­ti­gungen nur den Kopf schütteln und warnen die Target2 For­de­rungen auf die leichte Schulter zu nehmen. 
Bereits 2014 haben wir diesem Thema in unserem zweiten Buch „Der Crash ist die Lösung“ ein Kapitel gewidmet. Die Pro­ble­matik ist die­selbe – nur die Dimension ist noch größer geworden:
Target2 — was ist dar­unter eigentlich zu ver­stehen? Kurz gesagt geht es da um die Ver­rechnung wech­sel­sei­tiger For­de­rungen der Zen­tral­banken der Euro-Zone. Aha. Reden wir zum bes­seren Ver­ständnis, aus aktu­ellem Anlass, kurz über Fußball.
Nicht nur über dem spa­ni­schen Staat und den dor­tigen Banken kreist der Plei­te­geier. Mehr als ein Dutzend spa­nische Pro­fi­clubs mussten sich für zah­lungs­un­fähig erklären und Gläu­bi­ger­ver­fahren ein­leiten.[i] Wie das gesamte Land leben auch seine besten Fuß­ball­vereine seit Jahren über ihre Ver­hält­nisse: Sie geben im Jahr 2,1 Mil­li­arden Euro aus, nehmen aber nur 1,8 Mil­li­arden ein. Nach­hal­tiges Wirt­schaften sieht anders aus. Die Clubs der Primera Division werden daher auch von einem Schul­denberg von ins­gesamt 3,5 Mil­li­arden Euro erdrückt, die Ver­bind­lich­keiten aller spa­ni­schen Pro­fi­vereine zusammen werden auf 5 Mil­li­arden Euro geschätzt. Alle sind mitt­ler­weile so gra­vierend ver­schuldet, dass der Liga der Ruin droht. Die Zeitung El País fragte sich: „Muss die EU nun auch den spa­ni­schen Fußball retten?“ Dum­mer­weise zahlten viele Vereine zudem jah­relang ihre Steuern nicht. Die Finanz­ämter beziffern die Ver­bind­lich­keiten der Pro­fi­clubs gegenüber dem Staat auf weitere 750 Mil­lionen Euro.
Sie stellen sich jetzt bestimmt die berech­tigte Frage: Was haben Spanien, der spa­nische Fußball und irgend­welche komi­schen Zen­tralbank-For­de­rungen mit mir zu tun? Die erste Antwort klingt ver­mutlich ein bisschen knifflig. Aber mit­hilfe des Fuß­balls lässt sich das alles ganz gut begreifen.
Das „Trans-European Auto­mated Real-time Gross sett­lement Express Transfer system” ist an sich etwas furchtbar Tech­ni­sches. In jeder Sekunde werden im Euroraum Aber­mil­lionen von Zah­lungs­vor­gängen abge­wi­ckelt. Sehr viele davon innerhalb ein­zelner Länder und aus­schließlich zwi­schen ver­schie­denen Geschäfts­banken oder Spar­kassen. Aber eben auch sehr viele grenz­über­schrei­tende Zah­lungen. Und damit dabei nicht die Über­sicht ver­loren geht, die nicht zuletzt für die Erfassung von Zah­lungs- und Leis­tungs­bi­lanzen wichtig ist, schalten sich die natio­nalen Zen­tral­banken und die EZB dazwi­schen, die all die trans­na­tio­nalen Über­wei­sungen bündeln. Das Target2-System erledigt das in Echtzeit.[ii]
Die Süd­deutsche Zeitung hat das System im August 2012 anschaulich erklärt: „Ver­kauft zum Bei­spiel ein deut­scher Händler ein Auto nach Spanien, fließt das Geld fol­genden Weg: Der Spanier geht zu seiner Hausbank, um die Über­weisung nach Deutschland in Auftrag zu geben. Die Hausbank wendet sich an die spa­nische Zen­tralbank, die der Euro­päi­schen Zen­tralbank EZB Bescheid gibt. Die EZB meldet die Summe der Bun­desbank, die dann das Geld an die Hausbank des deut­schen Auto­händlers zahlt. Der Deutsche sieht es dann auf seinem Konto und schickt das Auto an den Spanier. Eigentlich ein gutes Geschäft – nur senden sich die spa­ni­schen und die deut­schen Noten­banken kein Geld hin und her, denn Zen­tral­banken erschaffen quasi Geld aus dem Nichts. Die Bun­desbank erhält somit ‚nur’ eine vir­tuelle For­derung, die an den Mittler der Euro-Zone gerichtet ist, an die EZB.“[iii]
Wir wissen, dass es rund um das Thema Target2 eine kon­tro­verse Debatte unter den Öko­nomen gibt. Einige, vor­neweg der ehe­malige Chef des Münchner ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, gehen mit guten Argu­menten davon aus, dass in diesem an sich rein tech­ni­schen Abwick­lungs­system sehr reale For­de­rungen auf­ge­laufen sind. Andere sehen in den Target-Salden nur eine theo­re­tische Ver­rech­nungs­einheit, da die eigent­lichen Waren- und Geld­flüsse ja 1:1 abge­wi­ckelt worden seien. Das ist auch der offi­zielle Stand­punkt der Deut­schen Bun­desbank.[iv] Klar ist: Der deutsche Händler hat fast immer sein Geld, und der Spanier sein Auto bekommen. Vom Werk bis zum End­kunden werden alle For­de­rungen früher oder später glatt­ge­stellt. Aber das ist sozu­sagen nur die betriebs­wirt­schaft­liche Seite der Sache. Volks­wirt­schaftlich wird es spannend, wenn die Spanier weit mehr in Deutschland ein­kaufen als sie uns liefern. Sta­tis­tisch ent­steht dann ein Leis­tungs­bi­lanz­de­fizit. Monetär ent­sprechen diesem Defizit die Target-Salden. Deutschland hat mehr For­de­rungen an Spanien oder Grie­chenland als umge­kehrt. Der Punkt ist, dass diese trans­na­tio­nalen For­de­rungen der Zen­tral­banken gegen­ein­ander in der Summe eben leider nicht alle beglichen worden sind. Denn im Gegensatz zu allen Geschäfts­banken sowie jenen Zen­tral­banken, die nicht am Euro-System teil­nehmen, müssen die Euro-Zen­tral­banken ihre For­de­rungen und Gut­haben nicht täglich um 24:00 Uhr auf Euro und Cent abrechnen. Die Hausbank des deut­schen Auto­händlers hat von der Bun­desbank via EZB Geld bekommen und dies ihrem Kunden auch gut­ge­schrieben. Die spa­nische Natio­nalbank aber hat der EZB bislang bloß Bescheid gesagt, dass sie das Geld bitte über­weisen soll. Die Kohle des spa­ni­schen Auto­käufers hat sie, sehr salopp gesagt, aber noch nicht rüber­ge­schoben. Und so stehen Jahr für Jahr höhere Dif­fe­renzen in den Büchern der EZB.
Und da sind wir wieder beim Fußball. Laut Rolf von Hohenhau, dem Prä­si­denten des Bundes der Steu­er­zahler in Bayern und der Tax­payers Asso­ciation Europe, nimmt die Trag­weite der Target2-Salden immer skur­rilere Züge an. Denn auch im Fußball kommt das Euro­system zum Tragen. „Letztlich laufen die Ablö­se­summen spa­ni­scher Clubs für Spieler wie bei­spiels­weise für Sami Khedira über die Bun­desbank und erhöhen die Target-2-For­de­rungen“, warnt von Hohenhau. Der Fuß­ballstar war 2010 gegen eine Ablö­se­summe von 14 Mil­lionen Euro vom VfB Stuttgart zu Real Madrid gewechselt.[v] Doch eigentlich wurde der Transfer von der Deut­schen Bun­desbank bezahlt. Die grenz­über­schrei­tende Zah­lungs­ver­rechnung erfolgte über das System Target2. Hierzu erteilte die spa­nische Natio­nalbank der Bun­desbank den Auftrag, 14 Mil­lionen Euro an den VfB (bzw. dessen Bank) aus­zu­zahlen, was zwei­felsfrei auch geschehen ist. Zum „Aus­gleich“ erhielt die Bun­desbank Papier­for­de­rungen gegen die EZB (= positive Target-2-For­de­rungen). Und irgendwie hatten im selben Zeitraum die deut­schen Vereine eben nicht so viel Geld übrig wie die ver­schwen­de­ri­schen spa­ni­schen Clubs, weshalb sie auch nicht ganz so viele und nicht ganz so teure Stars in Spanien ein­kaufen konnten.
Auf diese simple Weise ist die Deutsche Bun­desbank 2014 um ins­gesamt rund 510 Mil­li­arden Euro[vi] von den „Süd­ländern“ (Spanien, Grie­chenland, Italien usw.) gerupft worden.[vii] Heute sind es bereits 976 Mil­li­arden Euro.[viii] Das sind 12.000 Euro pro Ein­wohner in Deutschland. Das Geld dürfte in Anbe­tracht der volks­wirt­schaft­lichen Lage in Spanien wohl unwie­der­bringlich weg sein. Wohl gemerkt: unser gutes Geld! Denn die Bun­desbank gehört letztlich den Bürgern der Bun­des­re­publik Deutschland. Sie werden als Steu­er­zahler ein­springen müssen, wenn die Buch­halter der EZB eines Tages mit den Schultern zucken, weil die Bun­desbank ihre For­de­rungen auch mal gut­ge­schrieben bekommen möchte. Somit haben wir im kon­kreten Fall Khedira auch dem VfB Stuttgart 14 Mil­lionen Euro in Form ver­mutlich wert­loser EZB-Schuld­scheine gepumpt. Jetzt sagen Sie Khedira ist bereits lange wieder weg aus Spanien was inter­es­siert mich das, das ist ja ewig her. Toni Kroos ist jedoch noch immer (seit 2014) bei Real Madrid und hat bereits drei Mal in Folge die Champion League gewonnen. Manch einer unserer Top-Fuß­baller kickt im Ausland und macht unter anderem auch deut­schen Clubs die Fuß­ballwelt schwer – so schafft man sich selbst Wett­bewerb.[ix] Als Öko­nomen wie als beken­nende Fuß­ballfans stellen wir uns natürlich die Frage: Wie blöd sind wir eigentlich?
Wo stehen wir heute 500 Mil­li­arden Euro später? 
In der aktu­ellen Kolumne in „Die Zeit“ wird die Gefahr der Target2 Salden her­un­ter­ge­spielt und in die beliebte popu­lis­tische Ecke gestellt: Das Ganze sei ein Angriff auf Europa. Es handle sich lediglich um eine rein vir­tuelle For­derung, alles sei halb so wild und die Argu­men­tation, dass das Geld ver­loren sei wäre purer Popu­lismus. Dies sehen wir kom­plett anders. Die wert­losen Target2 For­de­rungen sind Ver­mögen der Bürger welches Ländern geliehen wurde, um unseren eigenen Export zu finan­zieren bzw. zu sub­ven­tio­nieren. Die bedeutet nichts anderes als das ein beacht­licher Teil der deut­schen Exporte durch die Deutsche Bun­desbank finan­ziert wird. So ein Geschäfts­modell ist in sich krank und kei­nes­falls nach­haltig! Vor allem wenn man es an Länder ver­leiht von denen ein jeder weiß, dass diese Länder, gelinde gesagt, nicht kre­dit­würdig, wenn nicht sogar bankrott sind. Diese For­de­rungen werden Italien, Spanien… niemals zurück­führen. Wenn es tat­sächlich wie in „Die Zeit“ behauptet, rein vir­tuelle Buchungen sind, könnte man sie doch einfach streichen, oder? Wird aber nicht gemacht. Wieso nur? Selbst der Euro-Hüter Mario Draghi sagt, dass beim Aus­tritt eines Landes aus der Eurozone die Target2 For­de­rungen zu begleichen sind. Viel Spaß beim ein­treiben. Der volks­wirt­schaftlich Schaden wäre enorm. Wenigstens wird in der Mei­nungs­ko­lumne richtig erkannt, daß im Extremfall es zu einem Kollaps kommen würde, was wir genauso sehen. Fazit: Nicht das Auf­zeigen eines kranken Systems wird Europa zer­stören sondern eine falsche Politik und das jetzt schon geschei­terte Wäh­rungs­expe­riment Euro zer­stört Europa!
Hoffnung macht einem die FAZ. Sie hat die Brisanz erkannt und warnt völlig zurecht vor der tickenden Zeit­bombe Target2. Der geniale Blog Quer­schuesse bringt es poin­tiert auf den Punkt: „Beim Kon­strukt des Euro­raumes handelt es sich ein­deutig um einen dys­funk­tio­nalen Wäh­rungsraum, statt Kon­vergenz pro­du­ziert die Rea­lität immer mehr Divergenz. Die Ungleich­ge­wichte schaukeln sich immer weiter auf und dies ist zwingend, denn die Target2 Salden zeigen auf, wie viel Mil­li­arden auf­ge­bracht werden müssen, um das Fehl­kon­strukt Euro künstlich am Leben zu halten, bis zu dem Tag, an dem die Wäh­rungs­union implo­dieren wird.“ Dieser Chart zeigt das die Eurozone nicht funktioniert:

Die Ent­wicklung der Target2 Salden – Ver­bind­lich­keiten anderer Noten­banken gegenüber der Bun­desbank – sprechen eine ein­deutige Sprache. Dies ist volks­wirt­schaft­liche Scha­den­ma­xi­mierung in Per­fektion und würde die EZB in den Ruin treiben. Dann muss man ent­scheiden ob die EZB bzw. die Bun­desbank abge­wi­ckelt wird oder der Bürger sie rettet. Wir sind voll­kom­menen über­zeugt, dass wir einen Großteil des Geldes nie wie­der­sehen werden.


Die beiden Öko­nomen, Quer­denker, Redner und Hono­rar­be­rater Mat­thias Weik und Marc Friedrich schrieben gemeinsam die vier Best­seller “Der größte Raubzug der Geschichte – warum die Flei­ßigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden“,  „Der Crash ist die Lösung – Warum der finale Kollaps kommt und wie Sie Ihr Ver­mögen retten“, „Kapi­tal­fehler — Wie unser Wohl­stand ver­nichtet wird und warum wir ein neues Wirt­schafts­denken brauchen“
und „Sonst knallt´s!: Warum wir Wirt­schaft und Politik radikal neu denken müssen“. Weitere Infor­ma­tionen über die Autoren finden Sie unter: www.friedrich-weik.de, bei Facebook unter www.facebook.com/friedrichundweik/ und bei Twitter www.twitter.com/FRIEDRICH_WEIK.
 
[i] Format Spanien: Jetzt platzt auch noch die Fußball-Blase – Liga steht vor dem Ruin; 15.08.2012
[ii] Deutsche Bun­desbank; http://www.bundesbank.de/Navigation/DE/Kerngeschaeftsfelder/Unbarer_Zahlungsverkehr/TARGET2/target2.html; abge­rufen am 10.03.2014
[iii] SZ; http://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/target-salden-der-bundesbank-brisante-milliarden‑1.1300848; abge­rufen am 10.03.2014
[iv] Deutsche Bun­desbank: Die Ent­wicklung des TARGET2-Saldos der Bun­desbank , Monats­be­richt 63, März 2011, Nr. 3, S. 34–37; http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Downloads/Veroeffentlichungen/Monatsberichte/2011/2011_03_monatsbericht.pdf?__blob=publicationFile
[v] FAZ; http://www.faz.net/aktuell/sport/fussball/bundesliga/wechsel-zu-real-madrid-14-millionen-fuer-den-vfb-3-fuer-khedira-11009827.html; abge­rufen am 10.03.2014
[vi] Querschuesse.de; http://www.querschuesse.de/target2-salden/; abge­rufen am 10.03.2014
[vii] Bund der Steu­er­zahler Bayern; http://www.steuerzahler-bayern.de/files/8695/Oezil_Khedira_Target.pdf; abge­rufen am 10.03.2014
[viii] https://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Aufgaben/Unbarer_Zahlungsverkehr/target2_saldo.html
[ix] ebenda; Deutsche Bundesbank;
http://www.bundesbank.de/Redaktion/DE/Standardartikel/Kerngeschaeftsfelder/Unbarer_Zahlungsverkehr/target2_saldo.html; alle abge­rufen am 10.03.2014