Banca D’Italia gibt zu: Umver­teilung führt zu Korruption

Von Kai Weiß (Ludwig von Mises Institut Deutschland) – Die Gemein­schaft­liche Agrar­po­litik (GAP) der EU, die Agrar­sub­ven­tionen, die derzeit 39 Prozent des EU-Budgets aus­machen (und früher sogar fast 70 Prozent auf sich ver­einten), stößt schon seit langer Zeit auf große Kritik – und das zurecht. Sie ist ohne Zweifel eine der schreck­lichsten poli­ti­schen Pro­gramme in der Welt: Land­wirt­schaft­liche Betriebe, die schon lange Bankrott gegangen wären, werden künstlich am Leben erhalten, immense Summen werden an große Land­wirt­schafts­be­triebe und reiche Grund­be­sitzer aus­ge­zahlt (inklusive der Queen) und afri­ka­nische Bauern werden durch die Über­pro­duktion aus Europa geschädigt, da sie nicht mehr wett­be­werbs­fähig sind.
Im Drama um GAP wird jedoch oft das zweite größere Umver­tei­lungs­system der EU ver­gessen (den Euro lassen wir für diesen Artikel einmal außer Acht): die Kohä­si­ons­po­litik oder richtig genannt, der Euro­päische Struktur- und Inves­ti­ti­ons­fonds (ESIF), der ein wei­teres Drittel des Budgets ein­nimmt. Lassen wir die Euro­päische Kom­mission selbst erklären, wofür dieser Fonds existiert:
[Diese] Regio­nal­po­litik richtet sich an alle Regionen und Städte in der Euro­päi­schen Union, um die Schaffung neuer Arbeits­plätze, die Wett­be­werbs­fä­higkeit der Unter­nehmen, das Wirt­schafts­wachstum, eine nach­haltige Ent­wicklung und die Ver­bes­serung der Lebens­qua­lität der EU-Bürger zu fördern. Um diese Ziele zu erreichen und die unter­schied­lichen Ent­wick­lungs­be­dürf­nisse in allen EU-Regionen zu berück­sich­tigen, wurden 351,8 Mrd. EUR – also fast ein Drittel des gesamten EU-Haus­halts – für die Kohä­si­ons­po­litik im Zeitraum 2014–2020 vorgesehen.
Bei der Kohä­si­ons­po­litik greift die EU zu direkter Umver­teilung. Natürlich ist es richtig, dass alle Mit­glieds­staaten sub­stan­tielle Summen erhalten, wie die fol­gende Graphik des betriebs­ei­genen Think Tanks des Euro­päi­schen Par­la­ments, dem European Par­lia­mentary Research Service, zeigt:

Wenn man jedoch einen genaueren Blick darauf wirft und besonders den Kohä­si­ons­fonds, einem Sub­fonds des ESIF, ins Visier nimmt, tritt die Umver­teilung immer deut­licher zu tage. Während beim ESIF all­gemein zum Bei­spiel Deutschland und Frank­reich immer noch Rang fünf und sechs ein­nehmen (auch wenn diese Berechnung hin­sichtlich der Zahlen weder zur Größe der Volks­wirt­schaft noch zur Bevöl­kerung passt, womit beide Länder in Wirk­lichkeit deutlich weiter hinten plat­ziert wären), sind größere Wirt­schaften mit einem hohen Pro-Kopf-Ein­kommen für den Kohä­si­ons­fonds gar nicht erst för­der­be­rechtigt. Der Kohä­si­ons­fonds hat das explizite Ziel, „Kohäsion“ zu erlangen, also ärmeren Ländern, größ­ten­teils in Ost- und Zen­tral­europa, dabei zu helfen, auf die grö­ßeren Wirt­schaften, besonders in West­europa, auf­zu­schließen. Gerade hier werden große Mengen an Geld von einer Seite des Kon­ti­nents auf die andere geschickt, wie diese Graphik aufzeigt:

Die Resultate dieser gewal­tigen Struk­tur­fonds sind zwei­felhaft. Eine Studie aus Süd­italien, ein bedeu­tender Emp­fänger der Fonds (fast die kom­pletten 43,8 Mil­li­arden Euro, die Italien erhält, gehen direkt in den Süden), kam zu dem Schluss, dass „die Effi­zienz dieser Fonds, die nega­tiven Kon­se­quenzen der wirt­schaft­lichen Krise auf­zu­heben, beschränkt sind.“
All­gemein scheint es so, als ob die Fonds, besonders der Kohä­si­ons­fonds, durchaus einen posi­tiven Effekt auf die wirt­schaft­liche Leistung haben, doch dieser fällt ziemlich gering aus. Ähnlich wie beim Mar­shall-Plan hilft es natürlich, riesige Summen an Geld auf arme Regionen zu ver­teilen – es wäre scho­ckierend, wenn dem nicht so wäre – doch was schluss­endlich zählt, um erfolg­reich zu sein, sind die rich­tigen poli­ti­schen Rah­men­be­din­gungen, also wenig Regu­lie­rungen, niedrige Steuern und sichere private Eigentumsrechte.
Wäh­rend­dessen haben Studien ebenso her­aus­ge­funden, dass das, was gerne „soziales Kapital“, also Koope­ration und Ver­trauen unter­ein­ander in einer Gesell­schaft, genannt wird, durch die Kohä­si­ons­po­litik der EU geschwächt wird.
Doch die neu­esten Ein­blicke auf die schäd­lichen Effekte der Umver­tei­lungs­po­litik der EU kommen von der Zen­tralbank Ita­liens. In einem aktu­ellen Arbeits­papier mit dem Titel „On the unin­tended effects of public transfers: evi­dence from EU funding to Sou­thern Italy“ blicken drei Wis­sen­schaftler der Banca d’Italia auf den Effekt, den die Kohä­si­ons­po­litik auf den Süden Ita­liens hatte. Ihr Fazit ist, dass die Kor­ruption dank der fis­ka­li­schen Transfers tat­sächlich ange­stiegen ist:
Unsere Schät­zungen deuten darauf hin, dass die Aus­zah­lungen der EU-Fonds die Anzahl an Wirt­schafts­de­likten in den Emp­fän­ger­ge­meinden signi­fikant erhöht hat. Ins­be­sondere zeigen wir, dass die Aus­zahlung von EU-Fonds in Kom­munen in Süd­italien mit einer durch­schnittlich vier­pro­zen­tigen Erhöhung bei Wirt­schafts­de­likten pro Kommune und pro Jahr in Ver­bindung steht.
Das ist wenig über­ra­schend. Denn es ist nur schwer vor­stellbar, dass in diesem rie­sigen Trans­fer­system, wo Geld von Brüssel – also aus Belgien – aus­ge­händigt wird und dann auf die Gemeinden hin­un­ter­si­ckert – zum Bei­spiel in eine Gegend in Süd­italien, kein Staats­an­ge­stellter jemals auf die Idee gekommen ist, die Fonds in eine Weise zu ver­wenden, wozu sie nicht bestimmt waren. Tat­sächlich meint OLAF, das Ermitt­lungs­organ der EU, dass 2016 straf­rechtlich rele­vante Hand­lungen in der Höhe von 600 Mil­lionen Euro statt­ge­funden haben (2015 war es fast eine Mil­liarde Euro) und schreibt, dass „die Struk­tur­fonds wei­terhin der Kern von OLAFs Ermitt­lungs­ak­ti­vi­täten sind.“
Eigentlich sollte man sich über die jüngsten Fest­stel­lungen der ita­lie­ni­schen Wis­sen­schaftler nicht wundern. Denn das, was sie fest­stellten, liegt in der Natur von Büro­kratien und staat­lichen Akti­vi­täten im All­ge­meinen. Denn es ist schwer, irgend­je­manden ver­ant­wortlich zu machen. „Kor­ruption ist ein nor­maler Effekt von Inter­ven­tio­nismus“, wie Ludwig von Mises in seinem Magnum Opus Human Action schreibt.
Somit liefert die ita­lie­nische Zen­tralbank lediglich einen wei­teren Grund, warum bei der Kohä­si­ons­po­litik starke Kür­zungen vor­ge­nommen werden sollten. Es werden immense Geld­summen von reichen Ländern (oder besser gesagt, ihren Steu­er­zahlern) auf ärmere umver­teilt – mit wenig öko­no­mi­schen Vor­teilen, einer Dege­ne­ration der Zivil­ge­sell­schaft und einem Anstieg bei der Kor­ruption. Die Dis­kussion um die Bud­get­planung der EU von 2021 bis 2027 ist im Moment in vollem Gange. Die einzige Emp­fehlung an Brüssel kann sein: Kürzen Sie die Fonds. Die Emp­fehlung an poli­tische Ent­schei­dungs­träger im All­ge­meinen sollte derweil sein: Was man auch immer von Umver­tei­lungs­po­litik in der Theorie denkt. In der Praxis sind die Folgen – wenn auch unbe­ab­sichtigt – ein­deutig negativ.


Auf Deutsch erschien dieser Artikel zuerst auf der Web­seite des Ludwig von Mises Institut Deutschland.