Kriegsende 1945 - Frankfurts Alstadt liegt in Trümmern.

Frank­furter Alt­stadt: Ruinen sollten Gedenkorte des Hasses werden

Wenige Wochen vor der offi­zi­ellen Eröffnung der Neuen Alt­stadt in Frankfurt ist die Dis­kussion um das inter­na­tional viel­be­achtete Projekt um einen bri­santen Aspekt reicher geworden: In einem Text von Wolfgang Voigt bei „ZEIT online“ weist der Archi­tek­tur­ex­perte nach, dass die Nazis ent­schiedene Gegner des Wie­der­aufbaus der im März 1944 von alli­ierten Bom­ben­an­griffen völlig zer­störten his­to­ri­schen Alt­stadt waren.
(Von Wolfgang Hübner)
Das ist für die heutige Aus­ein­an­der­setzung über den Sinn von Rekon­struk­tionen kriegs­be­dingter Zer­stö­rungen in Deutschland insofern von Bedeutung, weil Pro­jekte wie die Neue Alt­stadt in Frankfurt gerade in linken und dog­ma­tisch moder­nis­ti­schen Kreisen abge­lehnt und als „reak­tionär“ oder „geschichts­ver­gessen“ kri­ti­siert werden. Die Recherche von Wolfgang Voigt bringt Wort­führer dieser Kreise wie den Stutt­garter Archi­tek­tur­theo­re­tiker Stephan Trüby nicht nur in Argu­men­ta­ti­onsnöte, sondern auch in eine besonders trübe Gesellschaft.
Noch am 1. Mai 1944, ganz unter dem trau­ma­ti­schen Ein­druck der ver­hee­renden Folgen der Bom­ben­an­griffe auf Frankfurt, gab es laut dem Bericht von Voigt einen Aufruf zum Wie­der­aufbau nach Kriegsende, inspi­riert vom Freien Deut­schen Hoch­stift, der das damals eben­falls zer­störte Goe­thehaus ver­waltete. Doch das Zen­tral­organ der Hitler-Partei NSDAP, der „Völ­kische Beob­achter“, reagierte mit einem Artikel, in dem die Rekon­struktion des Geburts­hauses von Goethe ent­schieden abge­lehnt wurde, denn dieses sei „dahin und aus­ge­löscht für alle Zeiten“. Die Ruinen sollten aller­dings erhalten bleiben, um als Mahnmal an die Ver­brechen der Feinde zu dienen.
In der „Rhein-Mai­ni­schen Zeitung“ hieß es damals: „Hier muss Hass heilig werden“. Kurz darauf legte der “Völ­kische Beob­achter“ nach und bezeichnete Pläne zur Rekon­struktion der weltweit gerühmten Frank­furter Alt­stadt als „mons­tröse Vor­stellung“. Vielmehr solle man “zu dem radi­kalen Ent­schluss bereit sein, das, was gestorben ist, im Grabe ruhen zu lassen“. Der im „Frank­furter Anzeiger“ zitierte Text des Nazi-Zen­tral­organs schließt mit For­mu­lie­rungen, die in der gegen­wär­tigen Dis­kussion um Rekon­struk­tionen, Archi­tektur und Städ­te­planung von erheb­licher Bedeutung sind: Der Wie­der­aufbau nach dem Kriege solle „nichts von einem Kom­promiss an sich haben (…) Nur ein Ent­schluss mag die Geister leiten: im Sinne unserer Zeit, ohne ein­engende Hem­mungen Neues zu wirken, nachdem das Alte, Ehr­würdige zu ewigem Schlaf gebettet worden ist.“
Diese Stel­lung­nahme im „Völ­ki­schen Beob­achter“ macht einmal mehr deutlich, dass die Natio­nal­so­zia­listen ganz und gar keine kon­ser­va­tiven „Reak­tionäre“, sondern vielmehr besonders radikale Moder­nisten waren. Es wäre aller­dings ganz im ver­ach­tens­werten Ungeist des denun­zia­to­ri­schen Stils von Trüby und Co., die heu­tigen Moder­nisten mit den Nazi­vor­stel­lungen über den Wie­der­aufbau nach dem Kriege in direkte Ver­bindung zu bringen.
Doch sollten die Gegner von Rekon­struk­tionen oder Teil­re­kon­struk­tionen wie der Neuen Alt­stadt in Frankfurt sich dringend der Tat­sache bewusst werden, wie sehr sowohl ihre Argu­mente als auch ihre Praxis denen der poli­ti­schen Mit­ver­ur­sacher der Zer­stö­rungen deut­scher Städte vor über 70 Jahren ähnlich erscheinen.
Die weitere Dis­kussion über his­to­rische Rekon­struk­tionen in Deutschland wird jeden­falls an den neuen Erkennt­nissen über die dama­ligen Nazi-Stel­lung­nahmen zu den Kon­se­quenzen aus den Kriegs­schäden in den Städten nicht länger vor­bei­gehen können. Das ist ins­be­sondere für die Befür­worter von Rekon­struk­tionen eine erfreu­liche Entwicklung.


Quelle: PI-NEWSAutor Wolfgang Hübner schreibt seit vielen Jahren für diesen Blog, vor­nehmlich zu den Themen Links­fa­schismus, Isla­mi­sierung Deutsch­lands und Mei­nungs­freiheit. Der lang­jährige Stadt­ver­ordnete und Frak­ti­ons­vor­sit­zende der „Bürger für Frankfurt“ (BFF) legte zum Ende des Oktobers 2016 sein Mandat im Frank­furter Römer nieder. Der 71-jährige lei­den­schaft­liche Rad­fahrer ist über seine Facebook-Seite erreichbar.