Jes­siden-Skla­verei, Kin­der­handel, Todes­dro­hungen an Jour­na­listen: Sollte die Türkei in der NATO bleiben?

von Uzay Bulut /Gatestone Institute

  • Jes­siden werden immer noch von ISIS unter tür­ki­scher Betei­ligung ver­sklavt und ver­kauft, während das Leben der Jour­na­listin, die das Ver­brechen auf­ge­deckt hat, bedroht ist.
  • Die Wie­der­ver­ei­nigung der ent­führten Jes­siden mit ihren Familien und die Ver­ur­teilung der Täter sollte eine hohe Prio­rität haben für die zivi­li­sierten Regie­rungen weltweit, nicht nur um die Ver­folgung und Ver­sklavung der Jes­siden zu stoppen, sondern auch um den Dschihad zu besiegen.
  • Die Frage ist: Sollte die Türkei mit ihrem ein­ge­schla­genen Weg über­haupt Mit­glied der NATO bleiben?
Der 3. August war der vierte Jah­restag der ISIS-Invasion in Sinjar, Irak, und der Beginn des Genozids der Jes­siden. Seit diesem Datum im Jahr 2014 wurden laut der Orga­ni­sation Yazda etwa 3.100 Jes­siden hin­ge­richtet oder starben an Dehy­drierung und Hunger. Min­destens 6.800 Frauen und Kinder wurden von ISIS-Ter­ro­risten ent­führt und sexuell und phy­sisch miss­braucht, Gefangene wurden zum Islam gezwungen, und kleine Jungen wurden von ihren Familien getrennt und zu Kin­der­sol­daten gezwungen, so der Bericht “Gegen die Uhr arbeiten: Doku­men­tation der Mas­sen­gräber von Jes­siden, die vom isla­mi­schen Staat getötet wurden.” Außerdem wird von 3.000 Jes­si­den­frauen und ‑mädchen ange­nommen, dass sie nach wie vor in ISIS-Gefan­gen­schaft gehalten werden, ihr Auf­ent­haltsort ist unbekannt.
Ein Jes­siden-Kind wurde kürzlich in Ankara, Türkei, ver­kauft und dann durch die Ver­mitt­lungs­be­mü­hungen von Jes­siden und huma­ni­tären Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen befreit, so ein Bericht von Hale Gönültaş, einer Jour­na­listin der tür­ki­schen Nach­richten-Website Gazete Duvar. Am 30. Juli, drei Tage nach Erscheinen des Artikels von Gönültaş, erhielt sie eine Mord­drohung auf ihrem Handy von einem tür­kisch­spra­chigen Mann, der ihr sagte, dass er ihre Wohn­adresse kenne, und dann rief: “Dschihad wird in dieses Land kommen. Pass auf, wo du hintrittst!”
Es ist nicht das erste Mal, dass Gönültaş bedroht wird, weil sie über ISIS-Grau­sam­keiten schreibt. Im Mai 2017 erhielt sie ähn­liche tele­fo­nische Dro­hungen, nachdem sie zwei Artikel ver­öf­fent­licht hatte: “200.000 Kinder in ISIS-Camps” und “ISIS hält 600 Kinder aus der Türkei.”
Zusätzlich wurde ein Video von tür­kisch­spra­chigen Kindern, die von ISIS mili­tä­risch aus­ge­bildet wurden, an ihre E‑Mail-Adresse geschickt. In dem Video, in dem eines von ihnen dabei beob­achtet werden kann, wie es jemandem mit einem Messer den Kopf abschneidet, sagen die Kinder: “Wir sind wegen des Dschihad hier.”
Gönültaş, deren Anwalt eine Straf­an­zeige wegen der Dro­hungen ein­ge­reicht hat, sagte zu Gatestone:
“Ein Kind ist ver­kauft worden, und das ist ein Ver­brechen gegen die Mensch­lichkeit, und ich glaube nicht, dass der einzige Täter ISIS ist. Daran ist ein grö­ßeres orga­ni­siertes Netzwerk beteiligt. Mein Bericht hat diese Rea­lität noch deut­licher gemacht. Ich bin seit 22 Jahren Jour­na­listin und wurde oft mit ähn­lichen Bedro­hungen kon­fron­tiert. Ich lebe nicht in Angst oder Sorge. Ich werde wei­terhin über Fakten berichten.”
In ihrem Artikel führte Gönültaş ein Interview mit Azad Barış, dem Grün­dungs­prä­si­denten der jes­si­di­schen Kul­tur­stiftung, der sagte, dass ein Jes­siden-Mädchen, das während der ISIS-Invasion in Sinjar 2014 gefangen genommen wurde, gegen eine von ISIS fest­ge­legte Gebühr über “Ver­mittler” in Ankara ver­kauft wurde:
“Um dem Kind wieder die Freiheit zu geben, kon­tak­tierten die Gemein­schaft der Jes­siden und die huma­ni­tären Hilfs­or­ga­ni­sa­tionen — die “zuver­läs­sigen Ver­mittler”, die das Kind ret­teten — die Ver­mittler, die im Namen von ISIS han­delten… Das Kind wurde dann mit Hilfe inter­na­tio­naler Orga­ni­sa­tionen rasch aus der Türkei geholt und mit seiner Familie wie­der­vereint. Soweit ich weiß, wurden die tür­ki­schen Sicher­heits­kräfte nicht über den Vorfall infor­miert. Die Prio­rität lag auf dem Leben des Kindes und darauf, es schnell in Sicherheit zu bringen. Und das Kind ist auf sichere Weise wieder mit seiner Familie vereint worden.”
Barış sagte auch, dass Jes­si­den­frauen Mas­sen­ver­ge­wal­ti­gungen durch ISIS-Ter­ro­risten aus­ge­setzt waren, die sie “Kriegs­beute” nannten und behaup­teten, es sei “religiös erlaubt” (“jaiz” auf Ara­bisch), sie zu vergewaltigen:
“Frauen wurden von einer Zelle zur anderen gebracht und in jedem Haus der gleichen sexu­ellen und psy­cho­lo­gi­schen Folter aus­ge­setzt. Laut Zeu­gen­aus­sagen wurden Frauen dreimal täglich von ISIS-Kämpfern grup­pen­ver­ge­waltigt. Dut­zende von Frauen been­deten ihr Leben, indem sie sich mit ihren Kopf­tü­chern schlugen und strangulierten.”
“Skla­ven­märkte wurden auf einer Inter­net­plattform namens “Deep Web” gegründet. Nicht nur Frauen, sondern auch Kinder werden im Internet ver­steigert… Wenn der Verkauf über das Internet abge­schlossen ist, treffen sich die Ver­mittler der Käufer und die Ver­mittler von ISIS an einem Ort, der von beiden Seiten als “sicher” ange­sehen wird. Frauen und Kinder werden an ihre Käufer aus­ge­liefert. Einige Jes­si­den­fa­milien haben ihre Frauen, Kinder und Ver­wandten mit Hilfe von zuver­läs­sigen Per­sonen befreit, die sich für sie an den Auk­tionen im Deep Web beteiligt haben. Der Preis für die Befreiung der Frauen und Kinder liegt zwi­schen 5.000 und 25.000 Euro… Unsere ver­missten Per­sonen werden immer noch größ­ten­teils von ISIS fest­ge­halten. Wo immer ISIS ist und wo immer sie wirksam sind, sind die Frauen und Kinder meist da. Aber man hört nicht mehr oft vom Verkauf von Frauen.”
Auch ist laut Barış die zweit­größte von ISIS gefangen gehaltene Gruppe von Jes­siden Jungen unter neun Jahren:
“[Sie] erhalten eine dschi­ha­dis­tische Erziehung durch ISIS, werden einer Gehirn­wäsche unter­zogen und dazu gezwungen, ihre Religion zu wechseln. Jeder von ihnen wird als Dschi­hadist erzogen. Uns fehlen aber Infor­ma­tionen über die genaue Anzahl und den Ver­bleib unserer ent­führten Kinder.”
Es ist nicht das erste Mal, dass über den Verkauf von Jes­siden in der Türkei in den Medien berichtet wurde. Im Jahr 2015 pro­du­zierte die ARD über ein Ver­bin­dungsbüro in der Provinz Gazi­antep im Süd­osten der Türkei, nahe der syri­schen Grenze, Film­ma­terial über den Skla­ven­handel von ISIS.
Im Jahr 2016 berichtete die tür­kische Tages­zeitung Hür­riyet, dass die Polizei von Gazi­antep das Gazi­antep-Büro über­fallen und 370.000 Dollar, viele aus­län­dische (nicht tür­kische) Pässe und 1.768 Seiten ara­bisch­spra­chige Quit­tungen gefunden habe, die den Transfer von Mil­lionen von Dollar zwi­schen Syrien und der Türkei belegen.
Sechs Syrer wurden in der Türkei wegen ihrer Betei­ligung ange­klagt, aber alle wurden wegen eines “Mangels an Beweisen” frei­ge­sprochen. Kein Mit­glied der Anwalts­kammer von Gazi­antep, die die Straf­an­zeige gegen sie ein­ge­reicht hatte, wurde zu den Anhö­rungen ein­ge­laden. Laut Mehmet Yal­çınkaya, Rechts­anwalt und Mit­glied der Anwalts­kammer Gaziantep:
“Das Gericht hat, ohne die von der Polizei gefun­denen Doku­mente zu prüfen, die Ent­scheidung getroffen, frei­zu­sprechen.… Wir erfuhren von den Frei­sprüchen durch Zufall. Dass der Prozess in nur 16 Tagen endete und 1.768 Seiten an Doku­menten dem Gericht vor­gelegt wurden, zeigt, dass es sich nicht um einen echten Prozess handelte.”
Am 9. Dezember 2015 sagte Mirza Ismail, Grün­derin und Vor­sit­zende der Jes­si­di­schen-Men­schen­rechtss­or­ga­ni­sation-Inter­na­tional, vor dem Aus­schuss für aus­wärtige Ange­le­gen­heiten des US-Reprä­sen­tan­ten­hauses, in Aus­zügen:
“Wir Jes­siden sind ver­zweifelt auf eure sofortige Hilfe und Unter­stützung ange­wiesen. Während unserer sechs­tau­send­jäh­rigen Geschichte waren die Jes­siden mit 74 Völ­ker­morden im Nahen Osten kon­fron­tiert, ein­schließlich des anhal­tenden Völ­ker­mords. Warum? Ganz einfach, weil wir keine Muslime sind. Wir sind ein altes und stolzes Volk aus dem Herzen Meso­po­ta­miens, dem Geburtsort der Zivi­li­sation und dem Geburtsort vieler Reli­gionen der Welt. Und hier sind wir heute, im Jahr 2015, am Rande der Ver­nichtung. Als Antwort auf unser Leiden auf der ganzen Welt gibt es tiefes, obs­zönes Schweigen. Wir Jes­siden werden in den Augen der Muslime als ‘Ungläubige’ betrachtet, und so werden sie ermutigt, uns zu töten, zu ver­ge­wal­tigen, zu ver­sklaven und zu bekehren.” […]
“Ich bitte jeden ein­zelnen von euch im Namen der Mensch­lichkeit, uns in dieser ent­schei­denden Zeit zu unter­stützen, um die indi­genen und fried­lichen Völker des Nahen Ostens zu retten.”
Drei Jahre nach diesem lei­den­schaft­lichen Plä­doyer werden Jes­siden immer noch von ISIS unter tür­ki­scher Betei­ligung ver­sklavt und ver­kauft, während das Leben der Jour­na­listin, die das Ver­brechen auf­ge­deckt hat, bedroht ist. Die Wie­der­ver­ei­nigung der ent­führten Jes­siden mit ihren Familien und die Ver­ur­teilung der Täter sollte eine Prio­rität der zivi­li­sierten Regie­rungen weltweit sein, nicht nur um die Ver­folgung und Ver­sklavung der Jes­siden zu stoppen, sondern auch um den Dschihad zu besiegen.
Die Frage ist, ob das NATO-Mit­glied Türkei Teil der Lösung oder Teil des Pro­blems ist. Sollte die Türkei mit dem ein­ge­schla­genen Weg über­haupt Mit­glied der NATO bleiben dürfen?

Uzay Bulut, eine Jour­na­listin aus der Türkei, ist Distin­gu­ished Senior Fellow am Gatestone Institute. Derzeit ist sie in Washington D.C. ansässig.

Eng­li­scher Ori­gi­naltext: Yazidi Slavery, Child Traf­fi­cking, Death Threats to Jour­nalist: Should Turkey Remain in NATO?