Alarm­si­gnale der IWF-Tagung auf Bali: Droht eine neue Weltwirtschaftskrise?

Geän­derte Spiel­regeln der Weltwirtschaft
Weltweit ver­dunkeln sich die wirt­schaft­lichen Aus­sichten. Die Börsen drohen zu fal­lieren, der seit Jahren ver­breitete Opti­mismus scheint sich zu ver­flüch­tigen. Merk­würdig, das scheint in Deutschland nie­manden zu inter­es­sieren, auch die Regierung nicht. Sie tut so, „als ob nichts ist“. Die Bay­ernwahl über­lagert offen­sichtlich jedes andere Thema.
(Von Peter Helmes)
„It´s the economy, stupid!“
Ja, blöd, es handelt sich um Wirt­schaft, um Volks­wirt­schaft. (Davon ver­steht eh niemand etwas – oder jeder etwas anderes.) Der damalige von Clintons Wahl­kampf­stra­tegen James Car­ville geprägte Slogan wurde (weltweit) populär: „It´s the economy, stupid!“ (frei über­setzt: „Es ist die Wirt­schaft, ver­dammter Mist“) und hat den Demo­crats in den USA mäch­tigen Aufwind beschert.
Nun gut, was schert das Geschwätz von gestern! Uns geht´s gut. Also schlafen wir ruhig weiter! Doch die volks­wirt­schaft­lichen Aus­sichten stehen in vielen Ländern auf Sturm, auch (und gerade) in Europa. Statt gegen­zu­steuern, heizen Regie­rungen wie z.B. Italien den Wert­verfall noch mehr an und pfeifen auf öko­no­mi­schen Sach­ver­stand, genauso wie auf euro­päische Schul­den­regeln. Das sind keine besonders guten Nach­richten, denn die Kon­junktur zeigt nach unten – fast überall auf dem Globus.
Dass in den letzten Tagen – just zum alles über­la­gernden Zeit­punkt der Bay­ernwahl – auf Bali eine der bedeu­tendsten inter­na­tio­nalen Wirt­schafts­kon­fe­renzen tagte, die IWF und Weltbank gemeinsam ver­an­stal­teten, war deut­schen Medien kaum eine Meldung wert. Mit rd. 25.000 Tagungs­teil­nehmern, dar­unter Bun­des­bank­prä­sident Weidmann und Bun­des­fi­nanz­mi­nister Scholz, war nahezu die kom­plette inter­na­tionale Wirt­schafts­elite vertreten.
„Übel­täter Trump“
Die meist­dis­ku­tierten Stich­worte lau­teten z.B.: Ungleichheit, Han­dels­krieg (Argen­tinien, USA/China z.B.), Italien, der Bör­sen­ein­bruch. Die Zeichen stehen zumindest auf Unruhe, auf große Unruhe, warnten die Beob­achter zu Recht. Und da machen es sich die poli­tisch Kor­rekten dieser Welt schnell leicht: Donald Trump ist für viele der Übel­täter, was den Pro­tek­tio­nismus, Han­dels­kriege, Han­dels­aus­ein­an­der­set­zungen, Weg­gehen vom Mul­ti­la­te­ra­lismus usw. anbe­trifft. Methode „Haltet den Dieb!“
Was sie nicht wahr­haben wollen: Prä­sident Donald Trump hat genau das auch ange­packt, wofür er gewählt worden ist – in Teilen jeden­falls, was Arbei­ter­klasse, soziale Ungleichheit und Ver­wer­fungen betrifft, und was in den Ver­ei­nigten Staaten von allen seinen Vor­gängern auch absolut sträflich ver­nach­lässigt worden ist. Ein­facher aus­ge­drückt: Die Basis seines Wahl­er­folges sind die Opfer der Glo­ba­li­sierung. Der IWF hat gerade eine Zahl genannt, dass das mittlere Ein­kommen in den USA gegenüber 2016 nicht höher ist als 1999. Das hat Trump aufgegriffen.
Die Wahrheit tut halt weh, gerade den Linken der Welt! Und: Das hat wenig mit dem Mikro­kosmos der Grünen zu tun, die ungern in die Nie­derung der realen Wirt­schaftswelt ein­steigen – weshalb auch dort Schweigen im Wald(sterben) herrscht. Grüne und Linke suhlten sich derweil in Beschimp­fungen gegen die „böse Welt“ – das sind alle poli­tisch nicht Kor­rekten – und küm­merten sich einen Keh­richt um die Wirt­schafts- und Finanzwelt. Igitt­igitt – „Geld ist schmutzig, aber wir machen eine saubere Politik“, meinen wohl die Pädophilie‑, Bevor­mun­dungs- und Über­wa­chungs­experten der links­grünen Politeia.
Gefähr­liches Sor­genkind Italien mit einer gigan­ti­schen Staatsverschuldung 
Zurück zur Economy: Auf Bali war das Grummeln schon zu spüren, das die Anleger seit einiger Zeit extrem nervös werden lässt. Es wurde immer deut­licher, dass am Kon­junk­tur­himmel mehr und mehr düstere Wolken aus­zu­machen sind. Da ist zum einen der Han­dels­krieg zwi­schen den USA und China. Da sind stei­gende Zinsen in den USA, die Anleger ver­an­lassen, Kapital aus Schwel­len­ländern wie der Türkei abzu­ziehen. Und nun ver­lieren da auch noch die Finanz­märkte Mil­li­arden Euro pro Stunde.
Die Gefahr auch in Europa ist jetzt schon brand­ak­tuell. Die Europäer haben nach Grie­chenland mit seiner Schul­denlast von rund 180 Prozent der Wirt­schafts­leistung inzwi­schen ein noch gefähr­li­cheres Sor­genkind: Italien, die dritt­größte Volks­wirt­schaft im Euroraum – mit seiner gigan­ti­schen Staats­ver­schuldung, die offen­kundig nicht beherzt ange­gangen werden soll. Im Gegenteil, die Regierung in Rom will die Neu­ver­schuldung im nächsten Jahr (2019) auf 2,4 Prozent der Wirt­schafts­leistung deutlich anheben, obwohl das Land bereits jetzt mit 130 Prozent des BIP (Brut­to­in­lands­produkt = gesamte Wirt­schafts­leistung eines Landes) so hoch ver­schuldet ist wie kaum ein anderes Industrieland.
Damit desta­bi­li­siert Italien die Eurozone. Mit ihren Plänen ver­stößt die ita­lie­nische Regierung zudem gegen die Euro-Spiel­regeln, mehr als doppelt so viel wie erlaubt. All das liefert schon für sich allein genug Grund zur Sorge. Was aber inzwi­schen fast noch stärker ver­un­si­chert, ist die Beob­achtung, dass öko­no­mische Ver­nunft offen­kundig immer weniger zählt.
Italien muss sich an die euro­päi­schen Regle­ments halten. Das tut es nicht. Zuge­geben, man kann ja begründen, welche Art von Ver­schuldung, Schul­den­auf­nahme etc. sinnvoll ist für die Stärkung der Wirt­schaft. Aber jetzt viele Aus­gaben einfach so, fast mit geschlos­senen Augen (und Ohren), über Schul­den­auf­nahme zu finan­zieren, das ist ein wei­teres Risiko, und wir wissen, dass bei den Banken in Italien ungefähr 280 Mil­li­arden faule Kredite liegen. Da kann ganz schnell, wenn man es ‘mal umgangs­sprachlich sagt, eine Bombe hoch­gehen, die dringend ent­schärft werden muß.
Fatale Gön­ner­rolle Chinas
Viele Ent­wick­lungs- und Schwel­len­länder drücken inzwi­schen wieder hohe Schulden, wie der IWF warnte. Eine immer stärkere (und gefähr­liche) Rolle hat dabei die Volks­re­publik China über­nommen, die sich als (allzu groß­zü­giger) Gönner gibt, jedoch in Wirk­lichkeit unver­hohlen einen Macht­poker aus poli­ti­schen und wirt­schaft­lichen Gründen spielt – wie man gut am Bei­spiel Pakistan und etlichen afri­ka­ni­schen Staaten stu­dieren kann, die unter enormer Ein­fluß­nahme Chinas stehen und Mil­li­ar­den­summen aus der Volks­re­publik erhielten und noch erhalten.
Dieses generöse Ver­halten sollte eigentlich alar­mieren, denn wenn auch nur einige wenige der kre­dit­neh­menden Staaten in Zah­lungs­schwie­rig­keiten geraten und ihren Rück­zah­lungs- und Zins­ver­pflich­tungen nicht nach­kommen können, kann dies schnell zu Pro­blemen in der Welt­wirt­schaft führen. Argen­tinien und Pakistan mußten bereits um Finanz­hilfen bitten – was gewiß nur die Spitze eines gigan­ti­schen Eis­berges sein dürfte.
So nimmt es nicht wunder, dass der Inter­na­tionale Wäh­rungs­fonds, der als Wächter über die inter­na­tionale Finanz­sta­bi­lität gilt, unüber­hörbar deutlich vor den Gefahren ins­be­sondere der unvor­stell­baren Gesamt­ver­schuldung in der Welt von 182 Bil­lionen Dollar warnt. 
Jeder weiß, dass die Staats­ver­schuldung in den meisten Staaten viel zu hoch und trotz nied­riger Zinsen in den letzten Jahren sogar noch weiter gestiegen ist. Doch schier sorglos wurschteln die Staaten weiter und leben weit über den Durst. Nur: Wann, wenn nicht jetzt, wo es kon­junk­turell gut läuft, sollten diese Schulden redu­ziert werden?!
Adé, öko­no­mi­scher Konsens?
Wenn das Wachstum zu stärker stei­genden Preisen führt, muss eine Notenbank mit stei­genden Zinsen dagegen halten. Wir aber segeln fak­tisch auf „Zins­niveau unter Wasser“. Und so beherrschten auf Bali die Teil­nehmer eher die Zweifel, ob der ein oder andere öko­no­mische Grund­konsens, der bisher die Welt zusammen hält, über­haupt noch gilt. Auch das lässt Bör­sen­kurse fallen. Und das macht am Ende nicht nur Aktionäre ärmer, sondern ganze Volkswirtschaften.
Das, was dazu­kommt, ist eine Schul­den­krise. Wir haben bei den Banken bei­spiels­weise eine unglaublich hohe Zahl von faulen Kre­diten. Die stehen in Bank­bi­lanzen. Und wenn jetzt z.B. die Zinsen erhöht werden, was ich übrigens volks­wirt­schaftlich in den USA und auch in anderen Ländern für not­wendig halte in der Zwi­schenzeit, dann führt das zu einer wei­teren Belastung. Der Dollar wertet auf, die Schwel­len­länder kommen immer mehr in die Krise.
Zur Ein­stimmung in Moll sahen sich deshalb gleich zu Beginn der Kon­ferenz bereits IWF-Chefin Christine Lagarde und Chef­volkswirt Maurice Obstfeld ver­an­lasst. Lagarde warnte vor einem Umschwung der kon­junk­tu­rellen Schön-Wetter-Phase, Obstfeld vor wach­senden Risiken, die schon ver­einzelt zur Rea­lität geworden seien. Der schei­dende Chef­volkswirt gar­nierte das mit einer Senkung der IWF-Wachs­tums­pro­gnosen für die Welt­wirt­schaft (von 3,9 auf 3,7 Prozent). Das alles kann und wird nicht ohne Aus­wir­kungen auch auf Deutschland bleiben. Denn:
Kon­junk­tur­pro­gnose deutlich gesenkt
Deutschland, noch immer wirt­schaftlich stark, lebt nicht auf einer Insel der Seligen. Die Tur­bu­lenzen in der Welt­wirt­schaft werfen Schatten auch auf die deutsche Wirt­schaft. Die Bun­des­re­gierung hat deshalb ihre Wachs­tums­pro­gnose im aktu­ellen Herbst­gut­achten auf 1,8 Prozent nach unten kor­ri­giert, obwohl der Auf­schwung noch anhält.
Aber: Deutsch­lands Wirt­schaft wächst in diesem Jahr deutlich lang­samer, als im Frühjahr erwartet. Das geht aus der Herbst­pro­jektion hervor, die Bun­des­wirt­schafts­mi­nister Peter Alt­maier in der letzten Woche vor­ge­stellt hat. Demnach werde das Brut­to­in­lands­produkt sowohl in diesem als auch im kom­menden Jahr nur noch um 1,8 Prozent zulegen. Bislang waren 2,3 und 2,1 Prozent ver­an­schlagt worden.
Trotzdem zog Peter Alt­maier ein posi­tives Gesamt­fazit und sagt – ohne zu zögern, aber ohne nachzudenken:
„Die deutsche Wirt­schaft befindet sich wei­terhin in einem kräf­tigen Auf­schwung. Das gilt für 2018 und 2019. Es handelt sich um die längste Auf­schwung­phase seit 1966, und es handelt sich um den zweit­schnellsten Auf­schwung in der Geschichte der Bun­des­re­publik Deutschland.“
Als einen Grund für das schwä­chere Wachstum nannte Alt­maier auch die lange Regie­rungs­bildung: In der Zeit der vor­läu­figen Haus­halts­führung habe der Staat erheblich weniger aus­ge­geben, als zu erwarten gewesen wäre: Allein das habe 0,2 Pro­zent­punkte Wachstum in diesem Jahr gekostet. Weitere 0,1 Pro­zent­punkte sind der Abkühlung des Welt­handels geschuldet. Die rest­lichen feh­lenden 0,2 Pro­zent­punkte Wachstum sind einer Daten­re­vision des Sta­tis­ti­schen Bun­des­amtes geschuldet: Die Wirt­schaft startete etwas schwächer ins Jahr 2018 als die vor­läu­figen Zahlen der Sta­tis­tiker aus­ge­wiesen hatten.
Das Wachstum der deut­schen Wirt­schaft werde aber auch durch Knapp­heiten am Arbeits­markt gebremst. Das sei besonders in der Bau­branche zu beob­achten. Ein Grund dafür: Es werde zunehmend schwierig, die not­wen­digen Fach­kräfte zu finden, „und das bedeutet, dass die Eck­punkte für ein Fach­kräf­te­ein­wan­de­rungs­gesetz unbe­dingt umge­setzt werden müssen. Wir wollen das noch in diesem Jahr beschließen.“ 
„Kein Abschwung“ – sagt die Bundesregierung
Aus Sicht der Bun­des­re­gierung befindet sich die deutsche Wirt­schaft aber kei­nes­falls im Abschwung: Die Zahl der Erwerbs­tä­tigen soll bis 2020 um gut 1,3 Mil­lionen zulegen, die der Arbeits­losen um rund 400.000 sinken und die Erwerbs­lo­sen­quote auf knapp fünf Prozent fallen. Zudem werde die Inlands­nach­frage, also unter anderem die pri­vaten Kon­sum­aus­gaben, in diesem und im nächsten Jahr sehr kräftig aus­fallen. Dadurch, so die Erwartung, werde der viel kri­ti­sierte deutsche Leis­tungs­bi­lanz­über­schuss sinken und zwar von 7,9 Prozent im Jahr 2017 bis auf 6,7 Prozent im Jahr 2020. Nach den Regeln der EU darf der Leis­tungs­bi­lanz­über­schuss aller­dings nicht mehr als sechs Prozent betragen. Doch laut der Herbst­pro­jektion würde es Deutschland aber immerhin nach Jahren erstmals gelingen, den Über­schuss sichtbar zu verringern.
Ein Mene­tekel!
Die Herbst­pro­jek­tionen der Bun­des­re­gierung bilden die Grundlage für die Schät­zungen des Steu­er­auf­kommens. Bund, Länder, Gemeinden und Sozi­al­ver­si­che­rungen ori­en­tieren sich beim Auf­stellen ihrer Haus­halte an den pro­ji­zierten Eck­werten. Die Bun­des­re­gierung folgt mit ihren Pro­gnosen weit­gehend den Ein­schät­zungen der füh­renden For­schungs­in­stitute in deren Herbstgutachten.
Das sind halt die Rege­lungen der Wirt­schafts- und Finanz­po­litik. Aber wenn das so gilt, wo blieb dann wenigstens nur ein ein­ziges Wort des Bun­des­wirt­schafts­mi­nisters zu den Sorgen und War­nungen des IWF, wie sie in Bali zum Aus­druck kamen? Nichts kam von ihm, kein Ster­benswort! Und Merkel? Bekann­ter­maßen wirt­schafts­po­li­tisch unbeleckt. 
 Ja, aber der Bun­des­fi­nanz­mi­nister? Nichts! Der war bei der Abschluss­kon­ferenz auf Bali bereits heim­ge­flogen. Nage­tiere hätten sein Regie­rungs­flugzeug ange­knabbert, weshalb er auf ein zeitlich frü­heres Lini­en­flugzeug umsteigen musste, lautete die Erklärung. Ein Menetekel!
 


Peter Helmes auf conservo.wordpress.com