Mar­xisten miss­ver­stehen die Bedeutung der Kapi­ta­listen und Unternehmer

Nur für kurze Zeit hat der Zusam­men­bruch der Sowjet­union den Mar­xismus zum Schweigen gebracht. Die fatale Anzie­hungs­kraft der Gedanken von Karl Marx ist zurück­ge­kehrt – nicht, weil Marx richtig lag, sondern weil seine Ideen falsch sind. Die mar­xis­tische Ideo­logie dient dazu, Res­sen­ti­ments in ein soziales Problem zu ver­wandeln. Der Mar­xismus ist attraktiv, weil diese Denk­richtung ein rie­siges Arsenal an Hass bietet, um per­sön­lichen Zorn zu ent­fachen und die Wut in eine poli­tische Agenda zu verwandeln.
In diesem Text werden wir drei der fal­schen Ideen des Mar­xismus ansprechen: die Rolle des Kapi­ta­listen in der Wirt­schaft, das Problem der Ungleichheit in der Markt­wirt­schaft und die Funktion von Gewinn und Verlust.
Der Kapi­talist
Für die Mar­xisten ist der Kapi­talist das Schreck­ge­spenst schlechthin. Er ist die Inkar­nation aller Übel des kapi­ta­lis­ti­schen Systems. Karl Marx hat jedoch die Rolle des Kapi­ta­listen falsch ver­standen. Er iden­ti­fi­zierte den Kapi­ta­listen als jemanden, der, wie es bei seinem Mit­ar­beiter Friedrich Engels der Fall war, ein Ver­mögen besitzt und Divi­denden und Zins­zah­lungen als Rentier erhält. Friedrich Engels, der finan­zielle Sponsor des mar­xis­ti­schen Pro­jekts zur Eroberung der Welt, war der Erbe eines Ver­mögens, das sein Vater ange­häuft hatte und welches der Sohn nicht nur als Anhänger von Karl Marx und der sozia­lis­ti­schen Bewegung, sondern auch als Playboy aus­geben würde. Engels hielt Karl Marx finan­ziell über Wasser, besonders in der Zeit, nachdem der sozia­lis­tische Autor zunächst das Erbe von seinem Vater und anschließend das von seiner Frau ver­schleudert hatte. Bio­graphen des kom­mu­nis­ti­schen Gewerk­schafts­führers behaupten, Marx habe niemals eine Fabrik von innen gesehen.
Marx und seine Nach­folger igno­rieren, dass die Kapi­ta­listen die Kapi­tal­struktur der Wirt­schaft vor­fi­nan­zieren und bewahren. Kapi­tal­bildung erfordert Kon­sum­ver­zicht. Die Kapi­ta­listen tun dies, indem sie die Pro­duk­ti­ons­pro­zesse finan­ziell unter­halten, bis die Ware als gebrauchs­fer­tiges End­produkt beim Kon­su­menten ankommt. Die Kapi­ta­listen müssen auf ihre Ver­gütung warten, bis die Güter vom Ver­braucher bezahlt werden, während die Arbeiter schon während des Pro­duk­ti­ons­vor­gangs laufend ihre Löhne und Gehälter aus­be­zahlt bekommen.
Um die Rolle der Kapi­ta­listen in der Markt­wirt­schaft zu ver­stehen, muss man berück­sich­tigen, dass jedes Gut einen langen Pro­duk­ti­ons­prozess durch­läuft, bis es die Ver­braucher erreicht. Dieser Vorgang erstreckt sich über die ver­schie­denen Ver­ar­bei­tungs­stufen, bis die Waren schließlich in die Lager und Aus­stel­lungs- und Ver­kaufs­räume gelangen und ver­marktet werden. Die Ein­nahmen für die Kapi­ta­listen kommen erst am Ende mit dem Verkauf des end­gül­tigen Gutes zustande.
Bis die Kapi­ta­listen von den End­ver­brau­chern eine Zahlung erhalten, vergeht Zeit, und der gesamte Prozess unter­liegt Risiken und Unsi­cher­heiten. Die Kapi­ta­listen erhalten ihre Belohnung wegen des Wartens und des Tragens von Risiken und Unsi­cher­heiten, während die Lohn­emp­fänger ihre Ver­gütung regel­mäßig erhalten, lange bevor das Produkt den End­ver­braucher erreicht.
Die Ungleichheit
Die Ungleichheit von Ein­kommen und Ver­mögen im Kapi­ta­lismus als Unge­rech­tigkeit dar­zu­stellen, ist ein stän­diger Vorwurf der Sozia­listen. Marx hat das Wesen der Ungleichheit in einer Markt­wirt­schaft miss­ver­standen und das kapi­ta­lis­tische Eigentum in die gleiche Kate­gorie gestellt wie das Ver­mögen im Feu­da­lismus. Marx hat nicht erkannt, dass der Markt­prozess deshalb Ungleichheit erzeugt, weil die geschei­terten Unter­nehmen laufend aus­ge­merzt werden.
Die Sozia­listen sehen nur die­je­nigen, die ein Ver­mögen ange­sammelt haben. Sie beklagen die Ungleichheit und igno­rieren die Tat­sache, dass der kapi­ta­lis­tische Prozess ein Eli­mi­nie­rungs­prozess ist. In einer wett­be­werbs­ori­en­tierten Markt­wirt­schaft stellt der Aus­druck „erfolg­reicher Unter­nehmer“ einen Pleo­nasmus dar, weil Geschäfts­leute, die keinen Erfolg haben, gezwungen sind, aus dem Markt aus­zu­scheiden und den Unter­nehmern, die ihren Kunden besser dienen, Platz zu machen.
Der Markt­wett­bewerb funk­tio­niert als ein Ver­fahren der Feh­ler­kor­rektur. Im Markt­wett­bewerb bleiben nur die Unter­nehmer bestehen, die die Her­aus­for­de­rungen der Kun­den­be­dürf­nisse meistern. Fehl­ge­schlagene Unter­nehmen ver­schwinden. Bank­rotte machen den Kapi­ta­lismus pro­duktiv. Sie sind ein Zeichen dafür, dass die Märkte funk­tio­nieren. In der Rea­lität der Markt­wirt­schaft exis­tiert das mar­xis­tische Kon­strukt einer „kapi­ta­lis­ti­schen Klasse“ nicht, weil jedes Mit­glied jeden Tag um seine Mit­glied­schaft kämpfen muss und im freien Kapi­ta­lismus sowohl die Ein­gangs- als auch die Aus­gangs­türen weit offen sind.
Gewinn und Verlust
Die Sozia­listen denun­zieren den Kapi­ta­lismus als „Pro­fit­wirt­schaft“. Sie betrachten den Gewinn als die Tod­sünde der modernen Welt. Dabei igno­rieren sie, dass der Gewinn das Gegen­stück zum Verlust ist. Gewinn und Verlust, die sich aus der Dif­ferenz zwi­schen Umsatz und Kosten ergeben, infor­mieren den Unter­nehmer über die Ren­ta­bi­lität eines Geschäfts­pro­jekts. Ohne Gewinn und Verlust fehlt der Indi­kator, der anzeigt, wie gut die Pro­duktion den Ver­brau­chern dient. Ohne solche Signale erfolgt die Pro­duktion zufällig und die Her­stellung kann mehr kosten, als das Gut wert ist.
Das Fehlen von Gewinn und Verlust im Sozia­lismus führt dazu, dass nicht erkannt wird, ob ein Projekt mehr mate­rielle und per­so­nelle Res­sourcen ver­zehrt als das End­produkt an Nutzen bietet. Die bejam­merte „Aus­beutung“ der mensch­lichen Arbeit, die dem Kapi­ta­lismus ange­lastet wird, ist vielmehr die sys­te­mische Wirk­lichkeit des Sozia­lismus. In den sowje­ti­schen Pro­jekten, Russland zu indus­tria­li­sieren, kostete diese Nega­tiv­wirt­schaft des Sozia­lismus einen kolos­salen Tribut an Men­schen­leben, Arbeit und Natur­res­sourcen. In der zweiten Dekade des neuen Jahr­tau­sends wird diese Mas­sen­aus­beutung in Kuba, Nord­korea und Vene­zuela fortgesetzt.
Karl Marx warf der Markt­wirt­schaft die Anarchie der Pro­duktion vor, doch ist es in Wirk­lichkeit das sozia­lis­tische Wirt­schafts­system, das unter Chaos leidet. Die Plan­be­hörden im Sozia­lismus besitzen keine Maß­stäbe in Bezug auf die Kosten, um die Her­stellung eines bestimmten Gutes im Ver­gleich zu anderen Ver­brau­cher­wün­schen (seien es Nahrung und Kleidung oder Genuss­mittel und Luxus) zu bewerten. Die Planer können Systeme zur Pro­duktion von Kon­sum­gütern auf der Grundlage von Erhe­bungen über die Bedin­gungen in der Bevöl­kerung anbieten. Man kann zum Bei­spiel abschätzen, wie viele Paar Schuhe die Bevöl­kerung braucht. Die Planer können diese Ziele jedoch nicht erreichen, da sie keine zuver­läs­sigen und detail­lierten Kennt­nisse darüber haben, welche Art von Schuhen die Ver­braucher im Ein­zelnen wollen und auf welche anderen Güter die Kon­su­menten ver­zichten wollen, um die Schuhe zu erhalten.
In einer Mark­wirt­schaft wird das Bewer­tungs­problem laufend von allen Mit­gliedern der Gesell­schaft geleistet. Die Lösung des Pro­blems der Güter­be­wertung liegt nicht in den Händen einer zen­tralen Pla­nungs­be­hörde, sondern alle Markt­teil­nehmer koope­rieren im Bewer­tungs­prozess. Über die Nach­fra­ge­ent­scheidung dele­gieren die Kunden die Güter­her­stellung an ver­schiedene unter­neh­me­rische Ein­heiten ent­spre­chend den spe­zi­fi­schen Fähig­keiten dieser ein­zelnen Unter­nehmen. Der Markt­wett­bewerb dient dazu, die indi­vi­duelle Leis­tungs­fä­higkeit der Betriebe auf­zu­decken. Jeder ein­zelne Ver­braucher drückt seine sub­jektive Bewertung im Kaufakt aus.
Die Preise und die ver­kauften Mengen sind Signal und Anreiz zugleich. In einer kapi­ta­lis­ti­schen Markt­wirt­schaft sind die Eigen­tümer der Pro­duk­ti­ons­mittel in jeder Phase des Pro­duk­ti­ons­pro­zesses invol­viert, um das Bewer­tungs­problem zu lösen. Am Ende bestimmt die Bewertung der Kon­su­menten den Wert des Kapitals, das im Pro­duk­ti­ons­prozess ein­ge­setzt wird. Deshalb konnte Ludwig von Mises (1881–1973) erklären, dass die tat­säch­lichen Eigner der Ver­mögen in einer Markt­wirt­schaft nicht die juris­ti­schen Eigen­tümer sind, sondern die Verbraucher.

Antony P. Mueller hat jüngst bei Amazon die Taschen­bücher „Kapi­ta­lismus ohne Wenn und Aber“ und „Feinde des Wohl­stands“ ver­öf­fent­licht. Im Juli dieses Jahres ist eine erwei­terte Ausgabe seines Traktats „Prin­ciples of Anarcho-Capi­talism and Demarchy“ erschienen.

Dr. Antony P. Mueller (antonymueller@gmail.com) ist habi­li­tierter Wirt­schafts­wis­sen­schaftler der Uni­ver­sität Erlangen-Nürnberg und derzeit Pro­fessor der Volks­wirt­schafts­lehre, ins­be­sondere Makro­öko­nomie, an der bra­si­lia­ni­schen Bun­des­uni­ver­sität UFS (www.ufs.br), wo er am Zentrum für ange­wandte Wirt­schafts­for­schung und an deren Kon­junk­tur­be­richt mit­ar­beitet und im Dok­to­rats­pro­gramm für Wirt­schafts­so­zio­logie mit­wirkt. Er ist Mit­glied des Ludwig von Mises Institut USA, des Mises Institut Bra­silien und Senior Fellow des Ame­rican Institute of Eco­nomic Research (AIER). Außerdem leitet er das Web­portal Con­ti­nental Eco­nomics (www.continentaleconomics.com).