Volks­ab­stimmung und hes­sische Ver­fassung: Wie der Staat sich mehr Rechte gegen Eltern holen will

Am 28. Oktober 2018 bei den Land­tags­wahlen in Hessen wird es noch eine zweite Abstimmung geben. Ein wei­teres For­mular ist bei den Papieren dabei: Die Volks­ab­stimmung zur Änderung der hes­si­schen Landesverfassung.
Fünfzehn Ver­än­de­rungen soll es geben. Man kann alle Ver­än­de­rungen im Paket mit einem Kreuz akzep­tieren, aber auch über die ein­zelnen 15 Punkte abstimmen.
Für Unruhe sorgt die Änderung des Artikels 4 der hes­si­schen Ver­fassung: Der Ände­rungs­vor­schlag lautet, die Kin­der­rechte in die Ver­fassung auf­zu­nehmen. Die meisten Ver­bände und Kin­der­schutz­or­ga­ni­sa­tionen feiern und werben für diese Änderung. Es klingt ja auch wirklich gut, und wer möchte nicht, dass Kinder geschützt werden?
Die „Dia­konie Hessen“ eröffnet mit einer Fanfare: „Kin­der­rechte in die Ver­fassung!“ und meint:
Die Dia­konie Hessen fordert seit langem, die Kin­der­rechte in die hes­sische Ver­fassung auf­zu­nehmen und auch im Grund­gesetz der Bun­des­re­publik zu ver­ankern. Der Wohl­fahrts­verband unter­stützt deshalb aus­drücklich die von allen im Landtag ver­tre­tenen Par­teien ange­strebte Auf­nahme der Kin­der­rechte in die hes­sische Verfassung. 
Damit die Rechte von Kindern und Jugend­lichen nicht nur auf dem Papier stehen, beteiligt sich die Dia­konie Hessen an der „Ombuds­stelle für Kinder- und Jugend­rechte in Hessen”. Die Ombuds­stelle berät junge Men­schen und auch Eltern unab­hängig und unter­stützt sie bei der Wahrung ihrer Rechte und ihrer Ansprüche.“
Des­gleichen das Deutsche Kinderhilfswerk:
„Kin­der­rechte gehören auch in die Hes­sische Lan­des­ver­fassung. Denn damit wird die Position der Kinder im Rechts­system gestärkt und ein klares Signal für mehr Kin­der­freund­lichkeit gegeben. Mit der expli­ziten Ver­an­kerung des Kin­des­wohls als wesent­liche Leit­linie und des Betei­li­gungs­rechts für Kinder könnte Hessen das Bun­desland mit der modernsten Lan­des­ver­fassung in Bezug auf Kin­der­rechte werden. Kinder sind nicht einfach nur eine gesell­schaft­liche Teil­gruppe von vielen, deshalb ist ein Vorrang kind­licher Inter­essen aus unserer Sicht wichtig. Alle Men­schen durch­laufen das Stadium der Kindheit und benö­tigen in dieser Alters­phase besondere Rechte auf Schutz, Betei­ligung und För­derung. Daher wurden diese Rechte in der UN-Kin­der­rechts­kon­vention fest­ge­schrieben, obwohl zuvor bereits all­gemein gültige Kon­ven­tionen für Men­schen­rechte existierten.“ 
Ohne diesen Orga­ni­sa­tionen zu nahe treten zu wollen, muss man dennoch im Hin­terkopf behalten, dass alle diese Kinder‑, Ombuds‑, Diakonie‑, Jugendamts‑, Caritas- und sonstige Kin­der­hilfs­werke natürlich ein Interesse daran haben, sich neue Betä­ti­gungs­felder, Ein­griffs­mög­lich­keiten, Rechte und damit auch neue Geld­töpfe zu erobern. Gerade Jugend­ämter greifen sehr gern zu soge­nannten „Inob­hut­nahmen“, die Familien zer­reißen und furcht­bares Leid verursachen.
Bisher haben schon 14 Bun­des­länder diese aus der UN-Kin­der­rechts­kon­vention abge­lei­teten For­mu­lie­rungen über­nommen. Hamburg und Hessen fehlen noch. Der Zusatz, über den die Wähler am 28. Oktober abstimmen sollen, lautet:
Jedes Kind hat das Recht auf Schutz sowie auf För­derung seiner Ent­wicklung zu einer eigen­ver­ant­wort­lichen und gemein­schafts­fä­higen Per­sön­lichkeit. Bei allen Maß­nahmen, die Kinder betreffen, ist das Wohl des Kindes ein wesentlich zu berück­sich­ti­gender Gesichts­punkt. Der Wille des Kindes ist in allen Ange­le­gen­heiten, die es betreffen, ent­spre­chend seinem Alter und seiner Reife im Ein­klang mit den gel­tenden Ver­fah­rens­vor­schriften ange­messen zu berücksichtigen. Die ver­fas­sungs­mä­ßigen Rechte und Pflichten der Eltern bleiben unberührt.“
Man fragt sich, warum es denn über­haupt nötig ist, diese doch auf den ersten Blick wohl­mei­nenden Sätze noch in die hes­sische Ver­fassung ein­zu­bringen. Sind denn die Kinder bisher nicht umfassend geschützt?
Doch, sind sie. Wie schon oft gesagt: Wir haben ein sehr, sehr gutes Grund­gesetz hier in Deutschland. Man kann an vielem, was pas­siert Kritik üben, aber unser Grund­gesetz ist ein sehr gutes Geset­zeswerk und auch dort ist an die Kinder gedacht worden. Jedes Kind ist ein voll­wer­tiger Bürger, das ist im Gesetz ver­ankert. Es besitzt alle Bür­ger­rechte. Selbst Pro­fes­soren der Rechts­wis­sen­schaft stellen fest: „Das Grund­gesetz hat im Hin­blick auf die Grund­rechte von Kindern keine Rege­lungs­lücken“.
Alle staat­lichen Ent­schei­dungen und Maß­nahmen müssen selbst­ver­ständlich auch heute schon das Kin­deswohl an erster Stelle berück­sich­tigen. Das besitzt abso­luten Vorrang (aller­dings erst für bereits geborene Kinder). „Der Vorrang des Kin­des­wohls bei staat­lichen Ent­schei­dungen ist rechtlich gesi­chert.
In Fällen, wo die Eltern gegen das Kin­deswohl klar ver­stoßen, kann der Staat auch heute schon durch­greifen. Auch das hat das Grund­gesetz in Artikel 6 Absatz 3 GG schon aus­führlich geregelt. Hier der betref­fende Artikel:
 

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Grund­gesetz für die Bun­des­re­publik Deutschland

Artikel 6

(1) Ehe und Familie stehen unter dem beson­deren Schutze der staat­lichen Ordnung.
(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natür­liche Recht der Eltern und die zuvör­derst ihnen oblie­gende Pflicht. Über ihre Betä­tigung wacht die staat­liche Gemeinschaft.
(3) Gegen den Willen der Erzie­hungs­be­rech­tigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erzie­hungs­be­rech­tigten ver­sagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu ver­wahr­losen drohen.
(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Für­sorge der Gemeinschaft.
(5) Den unehe­lichen Kindern sind durch die Gesetz­gebung die gleichen Bedin­gungen für ihre leib­liche und see­lische Ent­wicklung und ihre Stellung in der Gesell­schaft zu schaffen wie den ehe­lichen Kindern.

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Hier geht es ganz klar um eine aus­drück­liche Einzelfallregelung.
An dieser Stelle sei noch eine Leser­zu­schrift ange­führt, wie gut­gläubig-naiv viele für diesen neuen Ver­fas­sungs­ar­tikel argu­men­tieren. Dem Kom­men­tator sei kei­neswegs böser Wille unter­stellt, aber eine gewisse Ahnungslosigkeit:
Diese Begründung zu einem „NEIN“ zu Kin­der­rechten ist völlig unbe­gründet. Die Ver­gan­genheit hat gezeigt, dass die Ver­fassung die Kin­der­rechte nicht aus­rei­chend schützt. Das sollte jedem spä­testens klar geworden sein, als jüngst ein welt­weiter Kin­der­por­noring mit hes­si­scher Zen­trale aufflog oder an dem Fall des Jungen, dessen Mutter und Stief­vater ihn ver­ge­wal­tigten und für Ver­ge­wal­ti­gungen vor lau­fender Kamera, an denen sie z.T. teil­nahmen, „ver­mie­teten“!
Zudem bleiben – und das steht aus­drücklich im Geset­zestext – alle Rechte und Pflichten der Eltern unbe­rührt! Das haben Sie selbst zitiert! Es wird also keine Beschneidung der Eltern­rechte geben. Ich werde am 28.10. defi­nitiv FÜR die Auf­nahme von Kin­der­rechten in die hes­sische Lan­des­ver­fassung stimmen und ich werbe dafür, dass mög­lichst alle Wahl­be­rech­tigten es mir gleichtun und mit JA stimmen!“ 

Der Fall, auf den sich der Kom­mentar bezieht, war weiß Gott ent­setzlich. Doch die Schule, das Jugendamt und die Gerichte wußten – oder hätten es wissen müssen – dass der betref­fende Bub in einer grau­en­haften Situation lebte. Die Schule schlug Alarm, aber die Behörden ver­sagten. Nur: Auch hier hätte es keine Ver­fas­sungs­än­derung gebraucht! In solchen Fällen können die Behörden nicht nur handeln, sie müssen es! Hier haben aber die Behörden eklatant versagt und das muss auf­ge­ar­beitet werden.
Und nicht nur hier ver­sagen Behörden: Wir haben die Berichte zu Kin­der­schän­der­ringen in Groß­bri­tannien in den Medien gelesen. Die Polizei hat die Anzeigen der Eltern nicht einmal ange­nommen, es pas­sierte jah­relang nichts, obwohl die Familien Sturm liefen. Im Gegenteil, die Eltern wurden auch noch ein­ge­schüchtert. Was würde denn in einem solchen Fall die Lan­des­ver­fassung nützen? Nichts.
Im Gegenteil. Es gibt sogar ein Bei­spiel: Den soge­nannten Sach­sen­sumpf. Hier waren gerade Richter und Staats­an­wälte offenbar als Freier in Kin­der­bor­dellen unterwegs. Man braucht nicht viel Phan­tasie, was in solchen Fällen mit den min­der­jäh­rigen Zeugen leicht geschehen könnte. Sie würden ihren Eltern mit faden­schei­nigen Gründen ent­zogen und womöglich noch irgend­wohin ver­schwinden und das wäre das Ende der Geschichte – die Eltern wären machtlos.
Was alles so geschehen kann in Heimen, wo es keine Eltern gibt und die Kinder dem Schutz des Staates und seinen Behörden anver­traut sind, zeigt der Skandal der Heim­kinder als Medi­ka­menten-Test­per­sonen, der bis heute noch nicht wirklich auf­ge­ar­beitet ist.
Ja, der Kom­men­tator hat Recht: In dem neuen Artikel der hes­si­schen Lan­des­ver­fassung steht zwar, dass die ver­fas­sungs­mä­ßigen Rechte und Pflichten der Eltern unbe­rührt bleiben sollen. Aber eben auch ganz all­gemein, dass bei allen (staat­lichen) „Maß­nahmen“ das Wohl des Kindes als „wesentlich zu berück­sich­ti­gender Gesichts­punkt“ berück­sichtigt wird. Der Wille des Kindes zählt „im Ein­klang mit den gel­tenden Verfahrensvorschriften“.
Der klare Unterschied: 
Nach dem Grund­gesetz darf nur dann in die Familie und das Erzie­hungs­recht der Eltern ein­ge­griffen werden, wenn diese ver­sagen und Ver­wahr­losung droht.
Die hes­sische Ver­fassung gibt dem Staat mit dieser Ver­fas­sungs­än­derung aber das Recht, schon bei einer nicht näher defi­nierten Beein­träch­tigung des Kin­des­wohls einzugreifen.
Das „Kin­deswohl“ ist ein dehn­barer Begriff und kann daher sehr weit aus­gelegt werden und der, der das bestimmt, ist dann der Staat. Er kann zum Bei­spiel Dinge im Interesse des Kin­des­wohls zwingend anordnen: Ob geimpft wird oder nicht, können die Eltern dann nicht mehr bestimmen, wenn der Staat das als im Interesse des Kin­des­wohls festlegt. Wenn es für die „För­derung der Ent­wicklung zu einer eigen­ver­ant­wort­lichen und gemein­schafts­fä­higen Per­sön­lichkeit“ des Kines not­wendig ist, kann der Staat dann – mit Berufung auf diese Ver­fassung – bestimmen, dass Kinder mit einem halben Jahr oder einem Jahr in die Krippen gehen müssen, dass sie in den Kin­der­gärten allerlei Gen­de­ris­ti­sches, Anti­christ­liches, Anti­ras­sis­ti­sches und allen mög­lichen linken Gesin­nungs­terror lernen müssen, weil sie sonst nicht gemein­schafts­fähig sind, dass man aus dem­selben Grund rechts­po­pu­lis­ti­schen oder links­ra­di­kalen Eltern oder Eltern die Sekten, wie bei­spiels­weise den Zeugen Jehovas ange­hören, die Kinder ent­ziehen kann. Mus­li­mi­schen Eltern kann dann auf­ge­zwungen werden, dass ihre Tochter am Schwimm­un­ter­richt teil­nehmen muss. Kinder, deren Eltern in einer Tren­nungs­phase sind, könnten in ihrem Kin­deswohl beein­trächtigt sein und den Eltern ent­zogen werden. Eltern, die es vor­ziehen, ihre Kinder mit Natur­heil­mitteln zu behandeln, kann der Staat vor­schreiben, dass sie die medi­ka­mentöse The­rapie XY ver­ab­reicht bekommen.
Die ver­fas­sungs­mä­ßigen Rechte der Eltern bleiben eben nicht unberührt.
Deshalb sollte man sich nicht von schönen For­mu­lie­rungen blenden lassen. Stimmen Sie am 28. Oktober dieser Ver­fas­sungs­än­derung der hes­si­schen Lan­des­ver­fassung nicht zu. Schützen Sie die Familien, Eltern und Kinder vor dem Blan­ko­scheck für den Ein­griff des Staates nach Gutdünken!