Der Preis des bil­ligen Geldes

Aus dem Herbst 2014. Dennoch aktuell wie nie. Die Folgen einer Politik bil­ligen Geldes sind auf Dauer fatal. Es gibt einen Unter­schied zwi­schen Erster Hilfe und Therapie. 
Die EZB steigt also in Quan­ti­tative Easing ein. Auch wenn es noch einiges Hin und Her geben wird, dürfte fest­stehen, dass die ECB damit die globale Liqui­dität weiter ver­größert. Die Ana­lysten von JP Morgan haben die soge­nannte „Über­schuss­li­qui­dität“ berechnet. Also jenes Geld, welches die Noten­banken anbieten, welches aber nicht den Weg in die Real­wirt­schaft findet und den Bestand an Finanz­assets über­steigt. Per heute sind es gemäß JPM immerhin fünf Bil­lionen US-Dollar. Die neue Liqui­dität der EZB wird diesen welt­weiten Liqui­di­täts­über­schuss weiter ver­größern. Folge: Die Preise für Finanz­werte, Immo­bilien und andere Assets werden weiter steigen, die Ren­diten weiter sinken. Dabei ist dies aus Sicht von JPM nicht nach­haltig. Über die Zeit gibt es eine Tendenz der Bewertung, von Finanz­werten und Immo­bilien zu lang­fris­tigen Durch­schnitten zurück­zu­kehren. Das wären schlechte Nach­richten für die heu­tigen Käufer.
→ zerohedge.com: JPMorgan Stunner: „The Current Episode Of Excess Liquidity Is The Most Extreme Ever“, 7. Sep­tember 2014
Die Folgen des bil­ligen Geldes können wir überall beob­achten. So im Markt für Unter­neh­mens­an­leihen. Die FT berichtet anlässlich der neuen Anleihe der Luft­hansa – übrigens als „Junk“ geratet ange­sichts der fun­da­men­talen Pro­bleme der Flug­ge­sell­schaft –, die bei fünf Jahren Laufzeit nur 1,125 Prozent Ver­zinsung bietet, über die Exzesse im Markt für Anleihen. Bisher wurden in Europa in diesem Jahr 137 Mil­li­arden US-Dollar soge­nannter „High-Yield“-Bonds aus­ge­geben (also theo­re­tisch hoch-ver­zinslich wegen geringer Qua­lität der Schuldner), mehr als im gesamten Jahr 2013. Durch­schnitt­liche Ver­zinsung: 4,27 Prozent ver­glichen mit mehr als zehn Prozent im Jahr 2010. Käufer sind vor allem Private, die von den höheren Zinsen und den bekannten Namen ange­lockt werden. Wie im Fall der Luft­hansa. Das pas­siert, wenn Geld nicht weiß, wohin.
→ ft.com (Anmeldung erfor­derlich): „Demand for cor­porate credit takes off with Luft­hansa bond“, 7. Sep­tember 2014
Unter­nehmen pro­fi­tieren also von den güns­tigen Zinsen – wenn­gleich sie nicht inves­tieren, sondern lieber Aktien zurück­kaufen, wie öfters dis­ku­tiert. Die wahren Pro­fi­teure sind aber jene, die durch Ver­schuldung ihren Kapi­tal­einsatz „hebeln“ und so die Eigen­ka­pi­tal­rendite steigern. Neben Hedge­fonds sind dies vor allem Private-Equity-Firmen. Nach der Krise haben Regu­la­toren und Banken eine Beschränkung der Finan­zierung von Unter­neh­mens­über­nahmen beschlossen. Eigentlich sollten die Schulden nicht mehr als sechs Mal EBITDA sein (das sind die Erträge vor Zinsen, Steuern und Abschrei­bungen). Der Anteil der Deals, die über dieser magi­schen Hürde liegen, ist in den USA schon wieder auf dem Niveau des Jahres 2007. Auch in Europa sinken die Stan­dards, aber es ist noch besser als 2007. Noch. Hier helfen die Noten­banken nicht der Real­wirt­schaft, sondern erleichtern das Ver­dienen von Geld durch den Handel mit bestehenden Assets.
→ ft.com (Anmeldung erfor­derlich): „Private equity unde­terred by debt gui­de­lines“, 7. Sep­tember 2014
Natürlich freuen sich auch die Akti­en­märkte. John Authers beschreibt sehr schön, wie die Märkte ohne große Euphorie (bto: und bei geringen Umsätzen), von der Liqui­dität getragen immer neue Höhen erklimmen. Und selbst ein Zins­an­stieg muss den Anstieg nicht stoppen, so haben Ana­lysten bei der Analyse ver­gan­gener Perioden her­aus­ge­funden. Ich würde zwar jeg­lichen Ver­gleich mit der Ver­gan­genheit für unge­eignet halten, weil die heutige Geld­po­litik kein Vorbild hat. Dennoch die Schluss­fol­gerung: Die Party kann noch eine Weile wei­ter­gehen. Aktionäre und Akti­en­händler pro­fi­tieren. Nicht die Realwirtschaft.
→ ft.com (Anmeldung erfor­derlich): „Wall Street works up new rationale for optimism“, 5. Sep­tember 2014
John Dizard, der sehr gute Kom­mentare in der jeden Montag erschei­nenden Fonds­ma­nager-Beilage der FT schreibt, wirft einen nüch­ternen Blick auf die Folgen der EZB-Ent­scheidung. Es gibt schlicht viel zu wenige Assets, die die EZB kaufen kann. Sie wird deshalb in ris­kantere Anleihen – gerade auch von Banken – inves­tieren, was den Geld­ma­nagern die Mög­lichkeit des „front­running“ gibt. Jetzt kaufen und dann mit Gewinn an die EZB. Fazit: Draghi will, dass wir das machen. Und wir sollten es auch tun, weil unser Bonus davon abhängt. Eine weitere Gruppe, die von der Geld­po­litik pro­fi­tiert: Geld­ma­nager, nicht die Realwirtschaft.
→ ft.com (Anmeldung erfor­derlich): „ECB is front­runner in evil Anglo-Saxon race“, 7. Sep­tember 2014
Schwaches Wachstum, geringe Inflation und hohe Schulden passen nicht zusammen. Denn sie bedeuten Insolvenz. Noten­banken und Regie­rungen wollen dies nicht, was den Druck erhöht, Inflation zuzu­lassen. Es ist das Ziel der Noten­banken, mit ihrer Politik die Infla­ti­ons­raten zu steigern. Kenneth Rogoff warnt dem­zu­folge zu Recht, es sei zu früh den Tod der Inflation aus­zu­rufen. Die Noten­banken könnten noch aggres­siver werden.
→ theguardian.com: „The Exag­ge­rated Death of Inflation“, 2. Sep­tember 2014
Das würde dann die Real­wirt­schaft erreichen, aber anders als erhofft. Ich selbst sehe das Risiko, denke aber, es ist noch gering. Zu groß ist die defla­tionäre Wirkung der hohen Schulden. Die Noten­banken werden noch lange Spe­ku­lanten und Schuldner glücklich machen. Und dann gibt es zwei Sze­narien: Ent­täu­schung über die nicht ein­set­zende Erholung und feh­lende Inflation führen zu einem Platzen der Blase an den Finanz­märkten oder das Ver­trauen in Geld schwindet und die – erhoffte – Inflation kommt, dann aller­dings deutlich mas­siver als gedacht. Auf Dauer geht es auf jeden Fall nicht gut.
 


Dr. Daniel Stelter — www.think-beyondtheobvious.com