Ein Herz und eine Seele: Hilft Wolfgang Schäuble Friedrich Merz ins Kanzleramt?

Das muss man ihm lassen: Noch-BlackRock-Auf­sichts­rat­mit­glied Friedrich Merz spielt nicht schlecht auf der Kla­viatur der Nach­richten, seiner Selbst­dar­stellung und seiner Bezie­hungen. Es wäre eine Über­ra­schung, wenn er nicht den Thron des Par­tei­vor­sit­zenden erklimmen sollte.
Wieder ein schöner Friedrich Merz-PR-Artikel in der Welt. Das Titelbild zeigt ihn im freund­lichen Tête-á-Tête mit Wolfgang Schäuble beim poli­ti­schen Som­merfest, lächelnd, ein­ander zuge­neigt, Freunde eben. Das zieht sich durch den gesamten Beitrag.
Dass beide erwie­se­ner­maßen Merkel-Opfer sind, ist auf der poli­ti­schen Bühne wohl­be­kannt. Frau Bun­des­kanz­lerin Merkel hat nicht nur Herrn Schäuble im Jahr 2000 aus dem Par­tei­vorsitz und damit aus der Pool-Position zum Klanzler geschubst, sondern ihm auch noch das so gut wie sichere Bun­des­prä­si­den­tenamt ver­masselt. Ähn­liches widerfuhr Herrn Merz, der sich eben­falls Chancen auf den Par­tei­vorsitz aus­rechnete, sich aber um den Faktor Merkel ver­rechnet hatte und schließlich das Handtuch warf, um sich in der freien Wirt­schaft nach vorne zu kämpfen.
Von daher dürfte es nicht schwer zu erraten sein, welche gemein­samen Themen die Herren Schäuble & Merz zu erörtern pflegen. Der Spiegel for­mu­liert es galant: Die CDU-Poli­tiker Friedrich Merz und Wolfgang Schäuble eint ihre kri­tische Sicht auf Kanz­lerin Angela Merkel.
Es steht nicht gut um ihrer beider Intim­feindin, Frau Noch-Bun­des­kanz­lerin Merkel, wenn der WDR (ARD) eine Doku­men­tation sendet, in der die beiden Herren offen über ihre gemein­samen Pläne sprechen, die sie vor drei Jahren geschmiedet hatten. Der damalige Finanz­mi­nister plante vor drei Jahren, die Kanz­ler­schaft zu über­nehmen, doch mehr als Spe­ku­la­tionen gab es dazu in den Medien nicht.
Damals hatte Bun­des­kanz­lerin Merkel noch die Kraft und das Standing, ihre Rivalen abzu­sägen. Der Kom­mentar dazu von Herrn Friedrich Merz zeugt davon, dass da offenbar an allen ver­füg­baren Strippen gezogen wurde, aber auch davon, dass Herr Merz, früher für bis­weilen unbe­dachte Äuße­rungen berühmt, dazu­ge­lernt hat. So sagt Herr Merz in Bezug auf die Kanz­ler­pläne des Herrn Schäuble:
Wir haben uns natürlich auch hin und wieder über die Frage unter­halten. Es stand ja die Frage im Raum, ob er mög­li­cher­weise die Kanz­ler­schaft über­nimmt”, berichtet der 63-Jährige. “Er hat mir dann gesagt: ‘Wenn das dann jemals dazu kommen könnte, muss ich mich auch auf dich ver­lassen können.’ Aber dazu sei es ja nicht gekommen.“ 
Wun­der­hübsch: „Aber dazu sei es ja nicht gekommen.“ Man möchte gar nicht wissen, welches Hauen und Stechen, welche Ran­künen und Stuhl­bein­sägen da zum Einsatz gekommen sind.
Die soge­nannte kon­ser­vativ-katho­lische „Anden­fraktion“ in der CDU betrachtet bis heute ver­wundert den kome­ten­haften Auf­stieg der „FDJ-Tussi aus der Uckermark“, die die CDU mit ihrem his­to­ri­schen, kon­ser­va­tiven Selbst­ver­ständnis in wenigen Jahren auf linksgrün platt­bü­gelte und jeden Gegen­spieler erfolg­reich meu­chelte. Die CDU verlor ihr Profil und ihre Wähler. Und es war daher natürlich nur eine Frage der Zeit, wann rechts neben der CDU eine neue, kon­ser­vative Partei Fuß fassen würde, die AfD.
Das ist der Stachel im Fleische der kon­ser­va­tiven Unio­nisten. Der „schwarze Block“ in der CDU/CSU ist zornig über den allzu vitalen Sei­ten­trieb, der rechts aus dem Stamm der alten, mickernden CDU-Eiche gesprossen ist und ihr nun die Sonne weg­nimmt. Das alles, so meinen die beiden Sech­zehn­ender, hätte man ver­hindern können, wenn die CDU nicht von Frau Merkel ent­kernt und ent­mannt worden wäre. Für Friedrich Merz, der in Bezug auf diese Ent­wicklung ja — wegen Abwe­senheit durch Ver­graulen — außerhalb der Schuss­linie steht, ist es leicht, der Partei das Wahl­de­bakel um die Ohren zu hauen: Die CDU habe den Auf­stieg der AfD mit „Ach­sel­zucken“ hin­ge­nommen.
Herr Friedrich Merz arbeitet sehr effektiv an seinem stramm kon­ser­va­tiven Profil, wozu natürlich auch die Kritik an Frau Bun­des­kanz­lerin Merkels Migra­ti­ons­po­litik gehört. Herr Bun­des­tags­prä­sident Schäuble sekun­diert. Man sollte sich nur nicht der Illusion hin­geben, dass ein Par­tei­vor­sit­zender Merz, auch wenn er es schaffen sollte, Frau Bun­des­kanz­lerin Merkel vor­zeitig aus ihrem Amt zu ent­fernen, in der Migra­ti­ons­po­litik einen anderen Kurs fahren wird als sie. Solange das nicht der Fall ist, wird die AfD wenig zu befürchten haben.