Die zivilisierte Gesellschaft scheint ein Auslaufmodell zu sein. An der Frankfurter Goethe-Universität haben am vergangenen Dienstag Mitglieder der Antifa Steckbriefe einer Studentin verteilt, der persönliche Daten wie Geburtsort, Adresse, Foto, Angaben über ihr Privatleben und einen Aufruf zu Gewalt enthielt. Auf dem Flyer forderte die Antifa direkt auf, auch Gewalt gegen die junge Frau anzuwenden: „Nutzt die Chancen, wenn ihr sie trefft und zeigt ihr, was ihr von rechtsextremen AkteurInnen haltet!“
Zwar politisch korrekt mit großem Binnen-“I“, aber höchstwahrscheinlich strafbar. Während die Persönlichkeitsrechte der Studentin massiv verletzt wurden und unmissverständlich zur Hetzjagd auf sie aufgerufen wurde, kamen die Antifanten selbstverständlich vermummt, um ihre Persönlichkeit zu schützen.
Auf der Antifa-Webseite Indymedia erschien am Dienstagabend ein Bekennerschreiben zu dieser Aktion unter der Parole „Kein Platz für RassistInnen, nicht an der Uni und auch sonst nirgends“. Nach eigenen Angaben der Antifa sollen es Hunderte Flyer gewesen sein und zusätzliche Poster, die in den Universitätsgebäuden aufgehängt worden sind. Überdies lasen die Vermummten ein Flugblatt vor, das im Einzelnen die angeblich rechtsradikalen Aktivitäten der jungen Frau in der rechtsradikalen Szene aufzählte. Dem Beitrag auf Indymedia ist zu entnehmen, dass die betreffende Studentin dabei in dem Vorlesungssaal anwesend war.
Die junge Frau soll angeblich den „Identitären“ nahestehen und an Konzerten und Demonstrationen von Rechtsextremen teilgenommen haben. Der Straftatbestand des „Nahestehens“, des Teilnehmens an Demonstrationen und Besuchens von Konzerten ist bisher allerdings (noch) nicht gegeben. Die Straftatbestände des Hausfriedensbruches (§ 123 StGB), der Anstiftung zur Körperverletzung (§26 zu §223 StGB) und der Volksverhetzung (§ 130 StGB), die mit diesem Antifa-Steckbrief mutmaßlich gegeben sind, hingegen schon. Zivilrechtlich steht eine massive Verletzung der Persönlichkeitsrechte im Raum.
Obwohl die Fachschaft Psychologie der Frankfurter Universität selbst politisch deutlich links steht, übte sie doch berechtigte Kritik an dieser Vorgehensweise. Nicht ohne natürlich ihre dezidiert linke Position klar zu machen: „Wir als Fachschaft positionieren uns für einen Widerstand gegen rechtsradikale Gruppierungen und Bewegungen, allerdings nicht auf dem Weg der Gewalt, auf den der Aufruf am Ende des Flugblatts implizit anspielt.“ Die öffentlich gemachten, persönlichen Daten, insbesondere die Wohnadresse der betroffenen Studentin, mache die Absicht klar, dass Gewalt angewendet werden solle.
Die Fachschaft „räumte ein“, schon länger davon gewusst zu haben, dass die besagte Studentin einen rechtsextremen Hintergrund habe. Daher habe man eine fachschaftsübergreifende Gruppe ins Leben gerufen, um auf rechtsradikale Tendenzen bei den Studierenden reagieren zu können. Der Name der Studentin sei aber nie nach außen gegeben worden. Man stimme aber „insofern überein, dass etwas unternommen werden muss. Die drastischen Mittel, die von ihnen (der Antifa) eingesetzt worden sind, finden wir jedoch inakzeptabel. (…) Die politische Auseinandersetzung muss demokratisch und akademischen Spielregeln entsprechend offen diskursiv erfolgen“.
Auch das Präsidium der Frankfurter Uni hat sich mit einer Stellungnahme zu dem Fall geäußert. „Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Ausgrenzung und andere Formen der Diskriminierung haben keinen Platz an unserer Universität“. Die Verletzung von Persönlichkeitsrechten und der Aufruf zu Ausgrenzung und Gewalt dürfe aber „kein Mittel der, wenn auch berechtigten, politischen Auseinandersetzung sein“.
Das Eindringen in den Hörsaal, die Verlesung der „Untaten“ der Studentin und die rechtswidrige Verteilung des Steckbriefes in den Räumen der Universität werde nun juristisch geprüft, ließ die Universität wissen.
Am Mittwoch dieser Woche soll es um 13 Uhr an der Uni ein offenes Forum geben, wo Studenten und Mitarbeiter sich über „Mittel und Wege einer diskursiven Auseinandersetzung mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Positionen an der Universität“ austauschen können.
Ob auch irgendwann einmal über Mittel und Wege des Umgangs mit gewalttätigen Vermummten, die Hetzjagd auf Andersdenkende machen nachgedacht werden soll, ist unklar.
