"Nazis raus", "Vielfalt" und andere Kampfbegriffe ersetzen die Argumente auf der linken Seite - By Marco Verch - Say no to racism. Say yes to cultural diversity. #refugeeswelcome #nazisraus #berlikte #thisiscologne #koellelive #nopegida, CC BY 2.0, Link

“Nazis raus” und so… — Oder: Schreiben am Rande des Gesinnungsdeliriums

Sebastian Leber ist beim Tages­spiegel für die Beleuchtung zuständig. Er setzt dort den „rechten Rand“ in scharfes und den „linken Rand“ in schmei­chelhaft weiches Licht. Etwa als er mit Blick auf Chemnitz fragt, „Wie rechts ist die Stadt?“ oder im Artikel „Danke, liebe Antifa!“ mit pas­tel­lenen Farben zur Ver­tei­digung einer „viel geschol­tenen Sub­kultur“ (meine Her­vor­hebung) anhob. Doch was ist der Schnee von gestern gegen einen Shit­storm von heute! Einem solchen sah sich nämlich aktuell Nicole Diekmann vom ZDF aus­ge­setzt und wer wollte bestreiten, dass derlei sozial-mediale Fle­ge­leien eine unan­ge­nehme und meist auch völlig unan­ge­messene Sache sind. Was mich zum Bei­spiel prin­zi­piell an solchen Wut-Tiraden stört, ist die völlige Abwe­senheit sach­licher Argu­mente, die es auch in diesem Fall durchaus gegeben hätte. Es ging statt­dessen nur noch darum, mög­lichst kräftig aus­zu­holen, um Knie und Schien­beine des Kon­tra­henten zu treffen. „Ad hominem” also und damit an der Sache vorbei. Die Kon­den­sa­ti­ons­kerne, um die herum sich die Gewit­ter­wolken bilden, kommen jedoch seit Jahren von aus­nahmslos allen (!) poli­ti­schen Par­teien und die Saat scheint gut auf­zu­gehen in diesem Land, wie der aktuelle Anschlag auf den Bremer AfD-Chef gezeigt hat. Für bedau­ernde Sprüche und schein­heilige Aufrufe zur Mäßigung ist es wohl leider schon zu spät, der poli­tische Gegner wird nicht mehr als Mensch wahr­ge­nommen und ist längst zum Zerrbild des Feindes schlechthin mutiert. Soviel zum Prin­zi­pi­ellen, wenden wir uns dem Spe­zi­ellen des Falles Diekmann zu und was der Beleuchter Leber damit zu schaffen hat.

Shit­storm-Nah­kampf in der Humor-Zone

Den von Leber the­ma­ti­sierten Twitter-Nah­kampf müssen wir zunächst mal zeitlich rekon­stru­ieren. ZDF-Redak­teurin Nicole Diekmann, ver­mutlich noch leicht ange­schlagen von der Sil­ves­ter­feier, wacht irgendwann am Neu­jahrstag auf und stellt sich die Frage, was zuerst zu tun sei. Rollmops oder Aspirin? Ein Müsli oder lieber noch keine feste Nahrung? Da muss ihr ihre Liste mit guten Vor­sätzen für 2019 ins Auge gefallen sein und sie bemerkte erschrocken, dass sie in diesem Jahr noch gar nicht gegen rechts gekämpft hat. Nun tut Eile Not, denn es ist schon fast 22 Uhr. Twitter öffnen, „Nazis raus.“ posten, fertig. Jetzt aber Aspirin. Doch keine Minute später wollte @spom_heike wissen, „Wer ist denn für Sie ein Nazi?“ – eine Frage, wie wir in Lebers Artikel lernen, die man nicht stellen darf. Außer, man ist selbst Nazi. Aber dann stellt sich die Frage ja eigentlich auch nicht… es ist kom­pli­ziert. Diekmann jeden­falls, immer noch einige Minuten vom ret­tenden Aspirin ent­fernt, ant­wortete gnädig auf die unver­schämte Frage, und Leber ist ganz aus dem Häuschen:
Jede/r, der/die nicht die Grünen wählt.“