So werden wir abGE­Zockt! Durch­schnitt­liches Monats­gehalt bei ARD von 9.400 € ist höher als bei DAX-Konzernen!

Werden Gebüh­ren­er­hö­hungen gefordert, um die üppigen Gehälter zu sichern? — Ein Kommentar

In der neuen Debatte um die Rund­funk­ge­büh­ren­er­höhung ist es legitim, das “Peku­niäre” bei ARD-Mit­ar­beitern zu hin­ter­fragen. Sind die ARD-Gehälter wirklich so extrem hoch, wie ver­mutet wird? Um mehr darüber zu erfahren, muss der Bürger nicht spekulieren.
Die Analyse der KEF-Berichte (Abk. Kom­mission zur Ermittlung des Finanz­be­darfs der Rund­funk­an­stalten) und der Jah­res­ab­schlüsse ein­zelner Anstalten erlauben Gehalts­ver­gleiche mit ver­schie­denen Berufs­gruppen (Nor­mal­ver­diener, Staats­diener, Beschäf­tigte bei DAX-Firmen). Das Studium dieser Rap­porte ver­langt aller­dings Vor­kennt­nisse. Was her­aus­kommt, erstaunt: Bei der durch­schnitt­lichen Gesamt­ver­gütung (Gehalt, Sozi­al­ab­gaben, Alters­ver­sorgung) liegt die ARD tat­sächlich vorne.

Stamm­daten zur ARD

Wegen seiner markt­be­herr­schenden Stellung (45% der Ein­schalt­quoten), der Finanz­kraft (über 7,8 Mrd. € Gebüh­ren­ein­nahmen) und der Beschäf­tig­tenzahl wird häufig vom ARD als großem Unter­nehmen gesprochen. Inklusive Betei­li­gungs­ge­sell­schaften und Frei­be­rufler arbeiten hier fast 42.000 Men­schen, so viel wie in einer mit­tel­großen Kreis­stadt Men­schen wohnen. Allein für die Ein­treibung und die Ver­waltung der Gebühren auf den etwa 44 Mio. Bei­trags­konten werden in der Gesell­schaft Zen­trale Bei­trags­service knapp 1.000 Mit­ar­beiter beschäftigt und kosten 168 Mio. €. In Bezug auf die betriebs­wirt­schaft­lichen Kenn­zahlen ist die ARD größer als die tra­di­ti­ons­reiche Bei­ersdorf oder die DAX-Zwerge Infineon, Vonovia oder Pro­Sieben. Im Unter­schied zu diesen muss er sich jedoch nicht im Markt behaupten — er “lebt” zu 96% aus den Rundfunkgebühren.
Die Lan­des­rund­funk­an­stalten des ARD (WDR & Co.) sowie das ZDF, die Deutsche Welle und das Deutsch­land­radio sind ver­pflichtet, Geschäfts­be­richte zu ver­öf­fent­lichen. Sie stellen jährlich Bilanzen und Gewinn- und Ver­lust­rech­nungen auf. Zudem wirken sie im Zwei-Jahres-Rhythmus bei der Erstellung des KEF-Berichts ent­scheidend mit. Die aktuelle 21. Ausgabe dieses Zah­len­werkes zählt immerhin 420 Seiten, von denen 52 Seiten den Per­so­nal­be­reich betreffen.
Betriebs­wirt­schaft­liche Struk­turen wie bei der ARD wären bei bör­sen­no­tierten Pri­vat­an­bietern kaum vor­stellbar. Der Kon­kurrent ProSiebenSat1 beschäftigt knapp 6.600 Mit­ar­beiter bei einem Umsatz von 3,8 Mrd. €. Während dessen Per­so­nal­kos­ten­quote bei 16% liegt, ver­harrt sie bei der ARD über der Marke von 50% (Per­so­nal­aufwand und Alters­ver­sorgung aller fest ange­stellten und freien Mit­ar­beiter). Die Kon­zen­tration von ProSiebenSat1 auf die Wer­be­ein­nahmen auf der Ertrags­seite wird diese “Kos­ten­las­tigkeit” der ARD nicht ganz erklären.

Was berichtet die Medi­enwelt über die Rundfunksgehälter?

Die üppigen Gehälter sind nur einer der Kri­tik­punkte, die zuletzt an die Adresse der Sender geäußert wurden. Über dieses Thema weiß die breite Öffent­lichkeit nur sehr wenig und ist meist auf Ver­mu­tungen ange­wiesen. In der Presse findet der Leser spo­ra­disch Ein­zel­ar­tikel mit durchaus span­nenden Über­schriften. (“Was ver­dient…?). Nach externen Studien und internen Prä­sen­ta­tionen wird er ver­geblich suchen. Hin und wieder lüftet sich ein Geheimnis über die Höhe der Pen­sionen. So soll die Lei­terin des RBB, Dagmar Reim, neben der gesetz­lichen Rente eine betrieb­liche Pen­si­ons­zahlung von rund 12.000 € monatlich erhalten — fast so viel wie Ex-Alt­kanzler Helmut Kohl erhielt (12.800 €).
Solche Pres­se­be­richte, die sich auf die Mana­ger­ge­hälter beschränken, helfen bei einem Niveau­ver­gleich nicht weiter. Der Durch­schnittswert für die Gesamtheit aller Beschäf­tigten inter­es­siert. Bei dessen Berechnung ist es irrelevant, ob die Star-Mode­ra­torin Marietta Slomka schon ein “Ver­mögen” ange­häuft hat oder die 399.000 € Jah­res­gehalt des WDR-Inten­danten Tom Burow in 2017 im Ver­gleich zu den 16 Mio. € des VW-Chefs Martin Win­terkorn zu viel oder zu wenig sind.
Werden in sel­tenen Fällen die TV-Bosse auf das heikle Thema Gehälter ange­sprochen, bekommt der Zuschauer immer das gleiche Stan­dard­ar­gument zu hören: Diese müssen so hoch sein, weil sonst “gute Leute” in die Pri­vat­wirt­schaft abwandern. Das behaupten unisono auch Wirt­schafts­ma­nager, wenn sie mit dem Weggang in die USA “drohen”. Es gibt aber nach­weislich am deut­schen Medi­en­markt gar nicht so viele Stellen, zu denen die ARD-Top-Leute wechseln können.

9.422 € monat­liche Durch­schnitts­ver­gütung deut­scher Spitzenwert?

2018 erzielte nach KEF ein ARD-Ange­stellter im Durch­schnitt eine Gesamt­ver­gütung von 113.064 € jährlich oder 9.422 € monatlich (siehe Tabelle zusam­men­ge­stellt aus KEF-Angaben). Dieser Betrag setzte sich aus 7.717 € Gehalt und 1.705 € Zuführung zu den Pen­si­ons­rück­stel­lungen zusammen, aus denen seine zukünftige Betriebs­rente gespeist wird.

Grafik: Viktor Heese

Diese Traum­ver­gütung lag deutlich über der Marke vieler Vergleichsgruppen:
1. Sie ist zweimal höher als das durch­schnitt­liche Brut­to­ar­beits­entgelt in der gesetz­lichen Ren­ten­ver­si­cherung, das 2018 bei 37.873 € lag. Wird hier aus Gründen der Ver­ein­heit­li­chung eine monat­liche Lohn­ne­ben­kos­ten­pau­schale des Arbeit­gebers von 35% dazu­ge­rechnet, kommen wir im Bun­des­durch­schnitt auf 51.130 € jährlich oder 4.260 € monatlich.
2. Schneller wird sich der Bürger eine Vor­stellung über die Ange­mes­senheit der ARD-Gehälter machen, wenn er die Ver­gü­tungen einiger Spit­zen­be­amten (z.B. eines Hoch­schul­lehrers oder eines jungen Bun­des­wehr­ge­nerals) her­an­zieht. Er muss dabei wissen, dass im öffentlich-recht­lichen Fern­sehen nicht nach dem Bun­des­an­ge­stell­ten­tarif (BAT), sondern nach einem eigenen Tarif ent­lohnt wird.
3. Gehalts­re­ports von Per­so­nal­be­ra­tungen belegen, dass Fach- und Füh­rungs­kräfte in der freien Wirt­schaft eben­falls deutlich weniger ver­dienen. Die Skala bewegt sich hier nach Stepstone beim Gehalt zwi­schen 4.800 € und 7.000 € (führend bestimmte Mediziner).
4. Der Ver­gleich mit den Ver­gü­tungen der DAX-Kon­zerne ergibt eben­falls eine Fehl­an­zeige. So lagen laut der Geschäfts­be­richte 2017 die Duch­schnitts­ge­hälter ohne Alters­vor­sorge bei Siemens bei 6.800 € , bei Volks­wagen mit 6.800 € und bei der Luft­hansa 5.250 € unter der ARD-Vorgabe.
Der errechnete hohe arith­me­tische Durch­schnitt von 9.422 €, der viel­leicht zwi­schen dem Gehalt der Büro­kraft und des Inten­danten liegt, steht nicht im Wider­spruch zur Tat­sache, dass auch beim ARD die “Ein­steiger” wesentlich weniger ver­dienen werden als ältere Kol­legen mit “güns­tigen Ver­trägen”. Der Median könnte bei einer schiefen Gehalts­ver­teilung (viele ver­dienen wenig, wenige ver­dienen viel — Daten liegen im KEF nicht vor) wesentlich nied­riger ausfallen.

Nicht-peku­niäre Vor­teile — hohe Arbeits­platz­si­cherheit und gedeckte Pensionsrückstellungen

Die Qua­lität eines Arbeits­ver­hält­nisses wird zusätzlich mit Fluk­tua­ti­ons­quoten oder dem Anteil der Zeit­ver­träge bewertet, also mit Angaben, die die ARD nicht öffentlich macht. Dennoch wird die hohe Arbeits­platz­si­cherheit unbe­stritten sein. Bevor Per­so­nal­frei­set­zungen wie in der Wirt­schaft in Gang gesetzt würden, dürfte der Riese zuerst auf seine “Reser­ve­armee” von über 11.000 freien Mit­ar­beitern und Mit­ar­beitern mit Arbeit­neh­mer­über­lassung zurück­greifen. Dieser Stamm weist bei gerin­geren Alters­vor­sor­ge­zu­sagen eine im Ver­gleich zu den Fest­an­ge­stellten nur gering­fügig nied­rigere Ver­gütung als die Fest­an­ge­stellten aus.
Zudem sind die Pen­si­ons­rück­stel­lungen der ARD-Beschäf­tigten durch Kapi­tal­an­lagen und Wert­pa­piere unterlegt. Zukünftige Betriebs­renten gelten formal als sicherer, wenn sie nicht nur auf dem staat­lichen Erfül­lungs­ver­sprechen basieren. Auf­grund der geän­derten Bilan­zierung (BilMoG) wird bei der ARD eine Deckungs­lücke von 2,2 Mrd. € attes­tiert. Diese wurde durch die Rück­stel­lungs­auf­lösung zuerst einmal geschlossen, wird sich aber zukünftig wieder bilden. In diesem Kontext wird die Rund­funk­ge­büh­ren­er­höhung auf 18,35 € (17,50 €) verlangt.

ARD bekommt Risse: Echter Spar­wille oder nur Ver­tei­digung des Status Quo

Geschil­derte Gehalts- und Pen­si­ons­ni­veaus wecken nicht nur Begehr­lich­keiten. Wenn im Öffent­lichen Dienst überall gespart wird, darf auch die ARD nicht abseits stehen. Mehr­jah­res­ver­gleiche zeigen eine nur leicht sin­kende Beschäf­tig­tenzahl. Nur beim WDR wird mehr abgebaut. Auch der Begriff “Ratio­na­li­sie­rungs­pro­gramm” findet in der Rech­nungs­legung der Anstalten zunehmend Eingang. Im KEF-Rapport findet der Leser ein Kapitel “Bericht zur Wirt­schaft­lichkeit und Sparsamkeit”.
Dennoch gewinnt der Bericht­leser den Ein­druck, dass diese “Spar­an­stren­gungen” Lip­pen­be­kennt­nisse sind, wie der groß­zügige Umgang der KEF-Auf­sicht mit den Bud­get­wün­schen der Kon­trol­lierten zeigt. Die Geneh­mi­gungen (Fest­stel­lungen) weichen nur wenig von den (Bedarfs-)Anmeldungen ab, so auch bei den Gehalts­vor­stel­lungen. Ein Ver­gleich mit dem harten Tarif­aus­ein­an­der­set­zungen in der freien Wirt­schaft oder Streiks im öffent­lichen Dienst stellt sich nicht.
Die Gehalts­pri­vi­legien der ARD befinden sich zunehmend auf dem Prüf­stand. Bald könnten auf die Betrof­fenen weitere unan­ge­nehme Fragen zukommen, die auch öffentlich dis­ku­tiert werden und Gewicht bekommen: Sind Fragen der Ent­lohnung im Rund­funk­s­staat­vertrag über­haupt zu finden oder handelt es sich hier um ein Gewohnheitsrecht?
In jedem Unter­nehmen stehen die Gehalts­struk­turen zur Dis­po­sition, wenn ernsthaft restruk­tu­riert wird. Wer defi­niert eigentlich, was der “öffent­liche Auftrag” ist, der die Kos­ten­di­mension bestimmt? Spart die Anstalt viel­leicht zu viel an der Qua­lität (wenig Eigen­pro­duktion, viel Wie­der­holung), um die Traum­ver­gü­tungen bezahlen zu können? Viel­leicht wäre der ARD-Chef Wilhelm besser beraten, nicht mit der Ver­fas­sungs­klage zu drohen. Sein Vor­gehen könnte in der ange­spannten Dis­kussion eine Dis­kus­si­ons­lawine aus­lösen.

Update: Bemer­kungen zu kri­ti­schen Einwänden

Der Beitrag ist einer­seits auf beacht­liches Leser­interesse gestoßen, hat ande­rer­seits aber auch unbe­ab­sichtigt einige Irri­ta­tionen erzeugt, zu denen mit Hilfe von nach­fol­genden Erläu­te­rungen und der Nennung von begriff­lichen Abgren­zungen Stellung bezogen wird.
1. Als Quelle für die ver­wen­deten Zahlen dient der 21. Bericht der Kom­mission zur Ermittlung des Finanz­be­darfs der Rund­funk­an­stalten vom Februar 2018 (KEF-Bericht) und hier konkret das Kapitel 5.4. Per­so­nal­aufwand (Seiten 100–152). Für den am Rande erwähnten Bei­trags­service sind die Zahlen aus dem Jah­res­be­richt 2017 entnommen.
2. Im KEF-Bericht sind für die ARD in Tab.41 (S. 105) der Per­so­nal­aufwand (ohne die Alters­vor­sorge) für 2018 mit 1.768,3 Mrd. €, die Netto-Zufüh­rungen zur Alters­vor­sorge in Tab. 55 (S. 118) mit 390,7 Mio. € sowie in Tab. 43 (S. 107) die Anzahl der besetzten Plan­stellen mit 19.096 ange­geben. Daraus errechnet sich eine Gesamt­ver­gütung von 9.422 € pro Plan­stelle und Monat, die als Gesamt­paket für die fun­dierte Arbeits­leistung des ARD-Per­sonals auf­zu­fassen ist.
3. Die Gesamt­ver­gütung ist als Per­so­nal­aufwand inkl. Zufüh­rungen zur Alters­vor­sorge (vgl. Erläu­te­rungen unter Tab. 55 – damit sind nicht die effek­tiven Pen­si­ons­zah­lungen gemeint!) als Gesamt­paket zu defi­nieren und wird genauso in den Geschäfts­be­richten der Unter­nehmen (vgl. Siemens 2018) gehandhabt.
4. Die Anzahl der Beschäf­tigten bezieht sich nur auf die fest ange­stellten Mit­ar­beiter. Sie umfasst nicht die freien Mit­ar­beiter, die Mit­ar­beiter aus Arbeit­neh­mer­über­lassung und das sog. GSEA-Per­sonal, deren Per­so­nal­aufwand in Tab. 62 (S. 132) des KEF-Berichtes (dort aber nur bis 2015) auf­ge­listet ist. Diese sind im Tele­polis-Beitrag nicht genannt worden, da das ein anderes Thema ist.
Die Intention des Tele­polis-Bei­trages war die Lie­ferung von Ver­gü­tungs­zahlen für die ARD auf der Basis der KEF-Zahlen. Der KEF-Bericht dürfte der breiten Öffent­lichkeit weit­gehend unbe­kannt sein. Es war nicht die Absicht des Ver­fassers — der sich als Wert­pa­pier­analyst Jahr­zehnte lang auch mit der Per­so­nal­kos­ten­pro­ble­matik in den Geschäfts­be­richten von DAX-Unter­nehmen aus­ein­an­der­ge­setzt hatte — irgend­welche Neid­de­batten oder poli­tische Dis­kus­sionen zu entfesseln.
In diesem Kontext ist der im Beitrag benutzte Ter­minus “Staatsfunk” etwas unglücklich gewählt worden, wenn­gleich er in Klammern gesetzt wurde. Der Ver­fasser sieht ein, dass begriff­liche Alter­na­tiven, wie z.B. “der von zahl­reichen Poli­tikern aus den Lan­des­re­gie­rungen beauf­sich­tigte Rundfunk”, sicherlich zutref­fender wären. (Viktor Heese)