Stefan Kretz­schmar: Wir haben keine Mei­nungs­freiheit mehr

Das Recht auf freie Mei­nungs­äu­ßerung ist das grund­le­gendste Frei­heits­recht über­haupt und zugleich ein essen­zi­elles Men­schen­recht. Denn wo es nicht möglich ist, das, was man denkt, frei zu äußern, da ist es bald schon gar nicht mehr möglich, auch nur frei zu denken, weil sich Gedanken und Ansichten im Aus­tausch mit anderen ent­wi­ckeln. Wie steht es aber am Ende der zweiten Dekade des 21. Jahr­hun­derts mit dem Recht auf freie Mei­nungs­äu­ßerung? Können wir in unserem Land über­haupt noch frei sprechen, oder sind die gesell­schaft­lichen Repres­salien längst so dras­tisch, dass dies außerhalb des Main­streams gar nicht mehr zuge­lassen wird?

Begrenzung der Mei­nungs­freiheit ist ein Angriff auf die mensch­liche Natur

Die Begrenzung der Mei­nungs­freiheit, genauer: der Mei­nungs­äu­ße­rungs­freiheit, sei nicht nur Zensur, sie sei ein Angriff auf die mensch­liche Natur, sagte vor gut drei Jahren bei der Eröffnung der Frank­furter Buch­messe der indisch-bri­tische Schrift­steller Salman Rushdie. Rushdie war 1989 von dem ira­ni­schen Revo­lu­ti­ons­führer und Staatschef, dem „geist­lichen“ und welt­lichen Ober­haupt, Aja­tollah Cho­meini, quasi dem schii­ti­schen Papst, wegen der Ver­öf­fent­li­chung des Buches „Die sata­ni­schen Verse“ für vogelfrei erklärt worden. Mittels einer Fatwa wurde der Schrift­steller für seine Worte zum Tode verurteilt.
Begründet wurde diese Fatwa damit, das Buch sei „gegen den Islam, den Pro­pheten und den Koran“. Cho­meini rief die Muslime in aller Welt zur Voll­stre­ckung des Todes­ur­teils auf. Die ira­nische „halb­staat­liche“ Stiftung 15. Chordat setzte ein Kopfgeld von zunächst einer Million US-Dollar aus. 1991 wurde das Kopfgeld der Chordat-Stiftung auf zwei Mil­lionen ver­doppelt. Der Dichter lebte wegen der erhal­tenen Mord­dro­hungen in erzwun­gener Iso­lation an ständig wech­selnden Wohn­orten und unter Poli­zei­schutz. Es kam zu zahl­reichen Dro­hungen und Anschläge gegen die Verlage und zur Ermordung eines Übersetzers.
Die Dro­hungen werden bis heute vom geist­lichen Führer des Irans und Nach­folger Cho­meinis, Seyyed Chāmene’ī, ebenso wie von der Ira­ni­schen Revo­lu­ti­ons­garde ver­treten. Der Iran erklärte, die Fatwa könne nicht zurück­ge­nommen werden, dies könne nur der Aus­steller selbst. Der sei aber inzwi­schen ver­storben, also könne man da nichts mehr machen. Im Sep­tember 2012 wurde das Kopfgeld noch einmal erhöht auf nunmehr 3,3 Mil­lionen US-Dollar. Im Februar 2016 meldete die ira­nische Nach­rich­ten­agentur Fars, dass vierzig staat­liche ira­nische Medien zum Jah­restag der Fatwa das Kopfgeld für den Tod Rushdies nochmals um 600.000 Dollar, auf jetzt fast 4 Mil­lionen US-Dollar, erhöht haben. Die Bot­schaft ist klar: Rushdie muss sterben, weil er etwas „Ver­kehrtes“ gesagt hat, genauer: Etwas, was andere nicht hören wollen und auch nicht gestatten, dass es irgend­jemand aus­spricht. Doch wie sieht es bei uns aus? Können wir in Deutschland noch frei sprechen?

Mei­nungs­freiheit im eigent­lichen Sinne haben wir keine

Sehr deut­liche, mutige und wahre Worte fand nun der ehe­malige Hand­ball­na­tio­nal­spieler, der jetzt fürs TV als Hand­ball­ex­perte tätig ist, Stefan Kretz­schmar. Unsere Gesell­schaft sei inzwi­schen so weit, dass man für jeden Kom­mentar (der nicht dem Main­stream ent­spreche) „eines auf die Fresse“ bekomme. Dem setze sich natürlich kaum noch einer aus. Daher gingen alle den gemüt­lichen Weg. „Welcher Sportler äußert sich denn heute noch poli­tisch?“, fragt Kretz­schmar. Es sei denn, es sei die poli­tische Main­stream-Meinung – „Wir sind bunt“ und „Refugees welcome“. Da könne man natürlich gesell­schaftlich nichts falsch machen. Sobald man aber eine eini­ger­maßen gesell­schafts- oder regie­rungs­kri­tische Meinung habe, dann dürfe man das nicht mehr sagen. Das werde einem sofort vorgeworfen.
Mei­nungs­freiheit, so Kretz­schmar, haben wir insofern noch, dass wir, wenn wir uns kri­tisch äußern, dafür nicht in den Knast kommen. Aber Mei­nungs­freiheit im eigent­lichen Sinne, haben wir keine. Denn sobald wir eine gesell­schafts­kri­tische Meinung äußern, haben wir mit Repres­salien zu rechnen, sei es vom Arbeit­geber, von Wer­be­partnern usw. Mei­nungs­freiheit haben wir gar nicht, wenn wir kri­tisch unterwegs sind, stellt der ehe­malige Spit­zen­sportler völlig richtig fest. Daher äußere sich heute auch keiner mehr kri­tisch. Das mache keiner mehr.
https://youtu.be/MIknIT6DQgg


Quelle: Jürgen Fritz