Peter Altmaier (CDU), Bild: Wikimedia Commons, Olaf Kosinsky, Bildlizenz: CC BY-SA 3.0 DE

Alt­maiers Nationale Indus­trie­stra­tegie 2030: Mit Pro­tek­tio­nismus und Staats­be­trieben gegen China?

In einer Welt, wo die Regeln und Gesetze haupt­sächlich gebrochen werden, muss man sich eine Menge ein­fallen lassen, um dabei nicht zum Opfer zu werden. Die halbwegs noch geordnete Welt bis vor der Jahr­tau­send­wende gibt es nicht mehr. Gerade der „Westen“ mit seiner wie eine Mons­tranz vor sich her­ge­tra­genen, heuch­le­ri­schen Hyper­mo­ra­lität hat zum Verfall aller Werte am meisten beigetragen.
Das gilt auch für die Wirt­schaft. „Der Westen“ hat im Aus­plündern der Welt scharfe Kon­kurrenz bekommen. China ist der neue Alphawolf und sucht die Welt ab nach fetter Beute. In Afrika genauso wie in Deutschland und auch im Herzen des Kon­kur­renten USA.
Peter Alt­maier, der letzte Woche seine Nationale Indus­trie­stra­tegie 2030 der Öffent­lichkeit vor­stellte, hatte offenbar sein trau­ma­ti­sches Erlebnis bei der Über­nahme der deut­schen Robotik-Firma Kuka aus Augsburg. Ein auf­stre­bendes Unter­nehmen in einer Schlüs­sel­in­dustrie, eine Perle in der deut­schen Industrie, viel­ver­spre­chend, die Nase vorn und im Wind. Und Schwupp! Kaufte die chi­ne­sische Midea-Group das Unter­nehmen auf, und Herr Gu, der Vizechef der Gruppe, schlug gleich im ersten Satz eines Inter­views mit dem Tages­spiegel den Pflock in den Boden. Den Weggang des Vor­standes Till Reuter nach der Über­nahme durch die Chi­nesen kom­men­tierte Herr Gu wie folgt: „Ein heißes Thema, ich weiß. Aber ich möchte noch einmal ganz deutlich betonen, dass es bei der Per­so­nalie nicht um die Beziehung zwi­schen China und Deutschland geht, sondern allein ums Geschäft. Und darauf wollen wir uns nun fokussieren.“
Für Bun­des­wirt­schafts­mi­nister Peter Alt­maier war das offenbar ein Erwe­ckungs­er­lebnis, das ihn in seinen Grund­satz­über­zeu­gungen in der Wirt­schafts­po­litik erschüttert hat. Das klingt auch in seiner Rede zur Vor­stellung der Natio­nalen Indus­trie­stra­tegie 2030 durch. Er sei (eigentlich) ein über­zeugter Anhänger der Markt­wirt­schaft und (eigentlich) ein Bewun­derer Ludwig Erhards, führt er aus. Um dann aber nach einigen wei­teren Beteue­rungen zum Kern der Sache zu kommen.
„Die gel­tenden Rah­men­be­din­gungen“ der Welt­wirt­schaft seien aus seiner Sicht „nicht mehr geeignet“, dass deutsche Firmen in der bisher gewohnten Weise auf dem Welt­markt bestehen können, for­mu­liert er vor­sichtig und ohne China explizit zu nennen, beschreibt er die Methoden, mit denen „Länder“ das tra­di­tionell freie Spiel der Kräfte in einer offenen Markt­wirt­schaft massiv stören: Staat­licher „Pro­tek­tio­nismus, Inter­ven­tio­nismus und das Setzen von Rah­men­be­din­gungen, um dem eigenen Wirt­schaftsraum Vor­teile zu ver­schaffen“, seien Methoden, mit denen eine freie, sich unge­stört ent­wi­ckelnde Welt­wirt­schaft nicht mit­halten könne.
Was Herr Minister Alt­maier am Fall Kuka stu­dieren konnte, geschieht andauernd und überall auf der Welt. Für ihn bedeutet das, dass die in der freien Markt­wirt­schaft gel­tende Regel, der Staat habe sich in die Pri­vat­wirt­schaft nicht ein­zu­mi­schen, so nicht mehr gelten kann, wolle man nicht die deutsche Industrie zur Plün­derung frei­geben. Es gelte künftig zu ver­hindern, dass Schlüs­sel­in­dus­trien „einfach weg­ge­kauft“ werden. Dazu müsse ein staat­licher Betei­li­gungs­fonds gegründet werden, mit dem der Staat in beson­deren Fällen in ein solches Unter­nehmen ein­steigt, um Über­nahmen zu ver­hindern. Für einen befris­teten Zeitraum müsse der Staat dann als Käufer von Unter­neh­mens­an­teilen auf­treten, wenn ein solches weg­wei­sendes Unter­nehmen, wie Deutschland es brauche, um im Wett­bewerb auf dem Welt­markt auf den vor­deren Plätzen bestehen zu können, von einem Land über­nommen werden würde. Nur so könnten feind­liche Über­nahmen ver­hindert werden, Arbeits­plätze und Wohl­stand gesi­chert und der Indus­trie­standort Deutschland vor der Plün­derung bewahrt werden.
Er führt dabei Unter­nehmen, wie die Telekom und die Bahn an, bei denen eben­falls der Staat beteiligt ist oder war. Tat­sächlich war die Bahn damals um Klassen besser, als sie noch nicht ein reines Pri­vat­un­ter­nehmen war. Die Züge fuhren pünkt­licher, das Bahnnetz war besser aus­gebaut und es gab genügend Reser­vezüge, mit denen tech­nische Aus­fälle schnell und effi­zient behoben werden konnten. Auch, als die Luft­hansa noch unter Staats­be­tei­ligung stand, funk­tio­nierte das damals besser und das Unter­nehmen war gesünder. Die kom­munale Was­ser­ver­sorgung ist ein Gebiet, auf dem die Theorie der Vor­teile durch Pri­vat­wirt­schaft ihr wört­liches Waterloo ein­ge­fahren hat. Überall, wo die Was­ser­werke pri­va­ti­siert wurden, wurde die Was­ser­qua­lität dras­tisch schlechter, das Was­ser­system ver­lot­terte, aber die Preise für das Lei­tungs­wasser stiegen und stiegen.
Insofern ist der Donner, der vom Olymp der Wirt­schafts­wis­sen­schaftler her­un­ter­grollt, mit etwas Vor­sicht zu genießen. Das sei der voll­kommen falsche Weg, sich nun mit China in einen Wett­kampf um „Sub­ven­tio­nierung, Regu­lierung, Pro­tek­tio­nismus und Markt­ein­griffe“ zu begeben und „deutsche Cham­pions zu päppeln“ rügen die Götter. Das erscheine den Wirt­schafts­weisen “nicht erfolg­ver­spre­chend” zu sein. So die Öko­no­mie­pro­fes­soren Isabel Schnabel, Christoph Schmidt, Volker Wieland und Lars Feld und dito das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung.
Die Star­ma­tadore ihres Faches mögen aus aka­de­mi­scher Sicht sicher Recht haben. Aber viel­leicht hat Herr Minister Alt­maier da eine etwas rea­lis­ti­schere Sicht. Der Markt wird es zwar sicher regeln, aber niemand sagt, dass das End­ergebnis dann auch not­wen­di­ger­weise wün­schenswert ist. Dass ein Schäfer seine Hüte­hunde hat, die die Wölfe fern­halten, ist auch Pro­tek­tio­nismus. Täte er das nicht, ginge die freie Natur sicher ihren Weg, nur hätte der Schäfer dann keine Schafe mehr.
Und einem Laien sei die ket­ze­rische Frage erlaubt, warum es denn über­haupt zu einer pre­kären Situation wie der jet­zigen kommen konnte, wo weltweit die Rosinen aus den natio­nalen Wirt­schaften von den Ländern ein­ver­leibt werden, die sich einen feuchten Keh­richt um die Theorie der freien Markt­wirt­schaft scheren… wenn doch die freie Markt­wirt­schaft alles so gut aus­ba­lan­ciert? Wis­sen­schaft­liche Theorien müssen immer dann über­dacht werden, wenn sie mit der Rea­lität nicht mehr kom­pa­tibel sind.