„Immer mehr private Freuden werden poli­tisch reglementiert“

Der Kom­mentar in der NZZ beschreibt Bekanntes, aber erinnert sehr gut daran, warum unsere Gesell­schafts­ordnung in die Krise fällt. Die Poli­tiker kümmern sich nicht um die grund­le­genden Themen, dele­gieren diese lieber an supra­na­tionale Orga­ni­sa­tionen wie EU und EZB (Euro-„Rettung“) und mischen sich dafür in immer mehr Bereiche ein, die sie nichts angehen. Es geschieht das Gegenteil von dem, was die 68er wollten, nur dass sie uns heute ihre Defi­nition von „gutem Leben“ auf­zwingen wollen!

  • „Zu allen Zeiten haben poli­tische oder reli­giöse Auto­ri­täten ver­sucht, unsere Triebe, Nei­gungen, Bedürf­nisse und Vor­lieben in ihnen gefällige Rich­tungen zu lenken. Sei es durch mehr oder weniger offenen Zwang, sei es durch mora­lische Appelle, Beein­flussung oder Mani­pu­lation. Niemals waren die Fragen, welche Nah­rungs­mittel, Getränke oder bewusst­seins­ver­än­dernden Sub­stanzen wir unseren Körpern zuführen, welchen (Glücks-)Spielen wir nach­gehen oder wie und mit wem wir Sex haben, reine Pri­vat­an­ge­le­gen­heiten. Bemer­kenswert und neu ist jedoch das Ausmass, in dem Genuss­fragen heute poli­ti­siert und ver­recht­licht werden.“
    Stelter: Bei­spiel ist der Veggie-Day der Grünen.
  • „Vor dem Hin­ter­grund einer immer aku­teren poli­ti­schen Füh­rungs- und Ori­en­tie­rungs­krise setzen die Eliten in der west­lichen Welt auf ein zunehmend klein­tei­li­geres Mikro­ma­nagement von Gesell­schaft, Öffent­lichkeit und Wirt­schaft. Mit Ver­boten, Regu­lie­rungen, Richt­linien, Steuern, bewusst­seins­bil­denden Mass­nahmen und neu­er­dings auch mit den Psy­cho­t­ricks des soge­nannten Nudging mischt sich der Staat in die private Lebens­führung der Bürger, die öffent­liche Debatte und unter­neh­me­ri­sches Handeln ein.“ – Stelter: Das ist wie im Sozia­lismus, weil es die Grund­lagen des Wirt­schaftens schlei­chend zer­setzt. Das Blöde ist nur, dass uns kein reicher Nachbar am Ende über­nimmt und damit die Sanierungskosten.
  • „An die Stelle eines Streits um grund­le­gende poli­tische und öko­no­mische Wei­chen­stel­lungen sind die tech­no­kra­tische Steuerung pri­vater Ver­hal­tens­weisen und eine Remo­ra­li­sierung von Genuss- und Lebens­stil­fragen getreten. Allerhand paternalistische
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    Mass­nahmen für ein ‘gesundes’, ‘bewusstes’ oder ‘nach­hal­tiges’ Leben werden heute vor­an­ge­trieben: Von natio­nalen Reduk­ti­ons­stra­tegien für Salz, Zucker und Fett in Lebens­mitteln über öffent­liche Rauch­verbote und illi­berale Sexu­al­straf­rechts­re­formen bis hin zu bevor­mun­denden Glücks­spiel­re­gu­lie­rungen reicht die Palette.“ – Stelter: Und diese Politik bestimmt auch die gesell­schaft­liche Dis­kussion. Siehe die Themen in den Medien hier.
  • „Gefördert wird diese Politik längst nicht nur, aber vor allem von Kreisen, die sich selbst als pro­gressiv begreifen. Tat­sächlich sind solche Mass­nahmen das Gegenteil von fort­schrittlich. Sie erinnern an ein längst über­wunden geglaubtes kon­ser­vativ-auto­ri­täres Denken, gegen das z.B. viele 68er, die kürzlich ihr 50-Jahr-Jubiläum gefeiert haben, mit Erfolg zu Felde gezogen waren. Vom opti­mis­ti­schen Geist der Befreiung der 1960er-Jahre findet man inzwi­schen kaum noch etwas. Heute herrscht eine Kultur der Angst und des Miss­trauens vor, in der gerade ein Zuviel an Freiheit als pro­ble­ma­tisch gilt.“ – Stelter: Jetzt müssen alle so leben, wie es die Gut­men­schen wollen.
  • „Iro­ni­scher­weise unter­gräbt so aus­ge­rechnet jenes poli­tische Füh­rungs­per­sonal, das sich zurzeit als letzte Wacht gegen den Popu­lis­ten­sturm zu insze­nieren ver­sucht, die mora­li­schen und kul­tu­rellen Vor­aus­set­zungen für das Funk­tio­nieren einer offenen Gesell­schaft. Denn wer als Poli­tiker den Leuten ständig signa­li­siert, dass er sie für zu blöd, schwach und vor­ur­teils­be­laden hält, um mit den Her­aus­for­de­rungen selbst der banalsten Fragen der per­sön­lichen Lebens­führung klar­zu­kommen, darf sich nicht wundern, wenn die Men­schen ihm irgendwann die kalte Schulter zeigen. Die gegen­wärtige Ver­än­derung der poli­ti­schen Land­schaft ist auch eine kul­tu­relle Revolte gegen diese abge­hobene Haltung, die Bürger – gerade die soge­nannten ‘kleinen Leute’ – nicht als Demos ernst zu nehmen, sondern zur the­ra­pie­be­dürf­tigen Ver­fü­gungs­masse für ‘wohl­mei­nende’ Sozi­al­tech­niken aller Art zu degra­dieren.“ – Stelter: Und die intel­li­genten und selbst­mo­ti­vierten Leute stimmen mit den Füßen ab.
  • „Auf der Makro­ebene haben die gewählten Volks­ver­treter vie­lerorts einen Grossteil ihrer Gestal­tungs­macht an demo­kra­tisch nicht oder nur schwach legi­ti­mierte supra­na­tionale Insti­tu­tionen (von der Euro­päi­schen Union bis zur Welt­ge­sund­heits­or­ga­ni­sation) abge­geben, die staat­liches Handeln bis ins kleinste Detail an ver­pflich­tende Regel­werke binden. Und auf der Mikroebene ver­suchen jene selbst­be­schränkten Volks­ver­treter nun mit ihren Ver­bün­deten in Büro­kratie, Wis­sen­schaft, Medien und Zivil­ge­sell­schaft, den Geist dieser tech­no­kra­tisch-regu­la­to­ri­schen Ordnung auch innerhalb der Gesell­schaft, im zwi­schen­mensch­lichen Mit­ein­ander, zu imple­men­tieren.“ – Stelter: Es ist so furchtbar, auf welchem Weg wir uns hier befinden!
  • „Die Regu­lierung des Genusses ist sowohl ein Angriff auf unser sinn­liches Erleben und gesel­liges Mit­ein­ander als auch auf unsere mora­lische Urteils­kraft. Denn mora­lische Auto­nomie ver­langt von den Men­schen, sie selbst zu sein, nach ihren Werten, Nei­gungen und ihrem Geschmack zu handeln und sich frei zu fühlen, einen Lebensstil anzu­nehmen, der es ihnen erlaubt, ihre Per­sön­lichkeit aus­zu­drücken. Um Auto­nomie zu kul­ti­vieren, bedarf es Ent­schei­dungs­freiheit. Denn nur durch die Mög­lichkeit, zwi­schen ver­schie­denen Optionen frei zu wählen, zu expe­ri­men­tieren und nicht zuletzt auch Fehler zu machen und dann hof­fentlich aus ihnen zu lernen, ent­wi­ckelt sich unsere Fähigkeit, Urteile zu fällen und ent­spre­chend zu leben.“Stelter: Nichts fürchten unsere Basta-alter­na­tivlos-Poli­tiker mehr!
  • „Wer es mit Freiheit und Demo­kratie ernst meint, muss Frei­räume für selbst­be­stimmten Genuss nicht nur zäh­ne­knir­schend tole­rieren, sondern sie als Aus­druck einer zivi­li­sierten Gesell­schaft ver­tei­digen und sich fragen, wie diese in Zukunft erweitert werden können. Momentan schwingt das Pendel genau in die andere Richtung. Leider.“ – Stelter: Und legt damit die Grundlage für den Auf­stieg anderer poli­ti­scher Kräfte, die genau das nicht wollen.

Dr. Daniel Stelter – www.think-beyondtheobvious.com
→ nzz.ch (Anmeldung erfor­derlich): „Harte Zeiten für Geniesser: Immer mehr private Freuden werden poli­tisch regle­men­tiert“, 28. Dezember 2018