Schlechte Kon­junktur, mehr bil­liges Geld: Die Rezession ist keine gute Nachricht

Schlechte Kon­junktur heißt noch mehr bil­liges Geld. Treib­stoff für die Börsen der Welt, nach ein­hel­liger Meinung. Doch diesmal dürften die Noten­banken enttäuschen.
Die Markt­be­ob­achter sind sich weit­gehend einig: Die US-Notenbank Fed hat in ziem­licher Panik einen wahr­haf­tigen U‑Turn hin­gelegt. Zins­er­hö­hungen werden für dieses Jahr nicht mehr erwartet und auch der Prozess der Bilanz­ver­kürzung findet früher als gedacht ein Ende. Aus­löser, so die Mehr­heits­meinung, war der deut­liche Rückgang an der Wall Street im letzten Quartal 2018. Die Finanz­märkte haben der Fed gezeigt, wie sehr sie vom bil­ligen Geld abhängen und anders als von Fed-Prä­si­denten Powell vorher lauthals ver­kündet, spielt die Börse durchaus eine wesent­liche Rolle bei den Über­le­gungen der Notenbanker. 
Ver­mö­gens­preise als Ziel der Notenbankpolitik
In den USA stellen Aktien die wesent­liche Ver­mö­gens­po­sition der Bürger dar, noch vor Immo­bilien. Die Bör­sen­be­wertung liegt beim 1,6‑fachen des BIP, nur im dritten Quartal 2018 und im ersten Quartal des Jahres 2000 war sie gering­fügig höher. Der Marktwert der Aktien in den Port­folios der ame­ri­ka­ni­schen Haus­halte beträgt rund 30 Bil­lionen US-Dollar. 
Offen­sichtlich können die Noten­banker schon seit Langem nicht mehr unab­hängig von der Börse agieren. Im Gegenteil, die Börse ist mitt­ler­weile zu einer wich­tigen Ziel­größe für die Noten­banker geworden. Fallen die Akti­en­kurse, hat dies unmit­telbar Effekt auf das Ver­mögen und damit auf das Kon­sum­ver­halten der Ame­ri­kaner. Nichts anderes steckt hinter dem Ein­bruch der US-Kon­sum­aus­gaben im Dezember um 1,2 Prozent, dem größten Rückgang seit der Finanz­krise 2009. 
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Wie schon mit der Politik der asym­me­tri­schen Zins­sen­kungen der letzten 30 Jahre, die maß­geblich für die immer höhere Ver­schuldung des Systems ver­ant­wortlich ist, haben sich die Noten­banker damit in eine Ecke manö­vriert: Die Zinsen dürfen nicht steigen, damit die Schul­den­blase nicht platzt. Die Börse darf nicht fallen, um keine Rezession aus­zu­lösen. Eine Ansicht, die durch die Ent­wick­lungen der letzten Wochen eine Bestä­tigung zu finden scheint. Kaum rumpelt es in den Märkten, schreitet die Fed zur Rettung. 
Oder ist die Rezession schon da?
Was aber, wenn die Rezession schon da ist? Bekanntlich werden Rezes­sionen ja immer erst im Nach­hinein fest­ge­stellt. Die Signale dafür kommen nicht nur aus Italien und Deutschland, sondern auch aus den USA. Da ist zum einen die inverse Zins­kurve – also die Tat­sache, dass die kurz­fris­tigen Zinsen höher sind als die lang­fris­tigen – die als ein recht ver­läss­licher Indi­kator für eine Rezession gilt. Da sind zum anderen die Indi­ka­toren der Real­wirt­schaft: ein deut­licher Ein­bruch des „GDPNow-Index“ der Fed-Zweig­stelle in Atlanta, der Rezes­sions-Index der New Yorker Zweig­stelle der Fed, der Index der Über­ra­schungen aus der Real­wirt­schaft, den die Citi-Bank erstellt und schließlich die Stimmung unter den Ein­käufern. Alles deutet auf eine rasche Abkühlung in den USA hin. Die Notenbank sieht das auch und es spricht sehr viel dafür, dass sie aus eben diesen Gründen zur Trend­wende geblasen hat. 
Dies alles erfolgt vor dem Hin­ter­grund eines ein­ma­ligen Kon­junk­tur­pro­gramms der Regierung Donald Trumps, die ver­sucht hat, mit mas­siven Steu­er­sen­kungen und einem Haus­halts­de­fizit von über fünf Prozent des BIP die US-Wirt­schaft auf eine höhere Wachs­tumsrate zu hieven. Dieser von mir schon zur Wahl erwartete Versuch der „Refla­tio­nierung“ muss als gescheitert ange­sehen werden. 
Für die letztlich ent­schei­denden Unter­neh­mens­ge­winne ist das ein schlechtes Omen. Ten­den­ziell stei­gende Löhne, gerin­geres Umsatz­wachstum und Preis­druck sprechen für sin­kende Gewinn­margen. Ange­sichts der schon rekord­ver­däch­tigen Bewertung der US-Firmen ist nicht zu hoffen, dass sin­kende Gewinne durch noch höhere Bewer­tungen kom­pen­siert werden. Im Ergebnis müssen die Kurse sinken. Die Opti­misten, die auf eine von bil­ligem Geld getriebene Fort­setzung des Auf­schwungs setzen, dürften eine bittere Ent­täu­schung erleben. Sehr gut möglich, dass wir die Jah­res­höchst­stände an der Wall Street schon gesehen haben. 
Die USA folgen damit Europa zeit­ver­zögert in das japa­nische Sze­nario geringen Wachstums, defla­tio­nären Drucks und Nega­tiv­zinsen für lang­lau­fende Staats­an­leihen. Ein Sze­nario, das mit immer beschränk­terer Wirk­samkeit der Geld­po­litik ein­hergeht. Denn könnte man mit Geld­drucken die Ver­mö­gens­preise dau­erhaft erhöhen, würde der Nikkei nicht noch deutlich unter dem Stand von 1990 notieren und der Euro-Stoxx nicht markant unter dem Höchst­stand des Jahres 2000. Liqui­dität treibt tak­tisch die Börsen, nicht nachhaltig. 
China rettet sich selbst
Das werden wir dieses Jahr wohl am ehesten in China beob­achten können. Aus Angst vor einer wei­teren Abschwä­chung der dor­tigen Wirt­schaft, hat die Regierung ähnlich wie die Fed eine panik­artige Kehrt­wende ein­ge­leitet. Alleine im Januar wuchs die Geld­menge in China („Total Social Financing“) um fast 700 Mil­li­arden Dollar.
Statt die Abhän­gigkeit von der Droge bil­ligen Geldes zu ver­ringern, setzt die Regierung also wieder auf deut­liches Kre­dit­wachstum, um die Wirt­schaft auf Trab zu bekommen. Egal, dass in China wie auch bei uns der real­wirt­schaft­liche Effekt neuer Schulden immer geringer wird. Für die Börse in China ist es auf jeden Fall ein gutes Vor­zeichen, wie auch die deut­liche Erhöhung des Anteils chi­ne­si­scher Werte im MSCI Emerging Markets Index von 5 auf 20 Prozent. 
Im Unter­schied zu 2016 dürfte die neue Liqui­dität in China nicht in die Welt­märkte schwappen, weshalb aus dieser Richtung keine Unter­stützung für Wall Street, Euro-Stoxx und Dax zu erwarten ist. Nur China dürfte von dem ver­bes­serten mone­tären Umfeld pro­fi­tieren. Indirekt mag eine Erholung der Wirt­schaft in China aller­dings positiv aus­strahlen und gerade die hiesige Wirt­schaft etwas beleben.
Europa vor erheb­lichen Problemen
Bleibt die bekannte Erkenntnis, dass es um Europa und vor allem um die Eurozone nicht gut bestellt ist. Das Wachstum bleibt schwach, die EZB schon vor der nächsten Krise extrem locker und die Poli­tiker sind unfähig, die Pro­bleme zu lösen. Die deutsche Wirt­schaft spürt die in den letzten zehn Jahren stark gestiegene Export­ab­hän­gigkeit immer schmerz­licher und steht vor erheb­lichen Risiken: 
  • Ohne Zweifel wird Donald Trump nach einer etwaigen Einigung im Han­dels­streit mit China die deutsche Auto­mo­bil­in­dustrie mit Zöllen frontal angreifen. Ob die EU darauf in der erhofften Einigkeit reagieren wird, bleibt abzu­warten. So mehren sich Anzeichen, dass bei­spiels­weise Frank­reich, das prak­tisch nicht betroffen wäre, Gegen­maß­nahmen, die zulasten der eigenen Wirt­schaft gingen, nicht unter­stützen würde.
  • Die Option eines harten Brexits ist meines Erachtens in der ver­gan­genen Woche gestiegen und nicht gesunken. Zwar signa­li­sieren die Finanz­märkte und die Buch­macher eine geringere Wahr­schein­lichkeit für dieses Sze­nario, ich denke jedoch, dass dies eine Fehl­ein­schätzung der bri­ti­schen Politik ist. Ein smarter Hard-Brexit, wie er von Gabriel Fel­bermayr durch­ge­rechnet wurde, ist durchaus attraktiv. Ver­lierer wäre dabei die Euro-Zone, die dadurch in eine Rezession gestürzt würde. Haupt­ver­lierer wäre Deutschland, ist doch Groß­bri­tannien ein bedeu­tender Absatz­markt, für Autos sogar der größte. Aus diesem Grunde habe ich meine Position im Pfund geschlossen.
  • Die struk­tu­rellen Pro­bleme der Eurozone werden in den kom­menden Monaten wieder offen zutage treten. Geringes Wachstum, hohe Ver­schuldung, schwaches Ban­ken­system und zuneh­mende poli­tische Unei­nigkeit – Bei­spiel: Italien und die Sei­den­straße – werden das Projekt zunehmend unter Druck setzen. Die anste­henden Wahlen erhöhen die Risiken zusätzlich.
  • Deutsch­lands Wirt­schaft leidet derweil zunehmend unter den Folgen einer Politik, die völlig falsche Schwer­punkte setzt: Ausbau des Sozi­al­staates, Energie- und Umwelt­wende ohne Rück­sicht auf Wett­be­werbs­fä­higkeit und Arbeits­plätze und die Ver­folgung einer emo­tio­nalen Wohl­fühlagenda, die keinen Raum für rational wirt­schaft­liches Handeln lässt.
In diesem Umfeld kann es nicht ver­wundern, dass gerade die Deutsche Börse enttäuscht. 
Doch auch weltweit dreht sich der Wind. In den USA, in Europa und in Japan sinken die Unter­neh­mens­ge­winne bereits. Die Halb­lei­ter­ex­porte Süd­koreas – ein viel­be­ob­ach­teter Früh­in­di­kator für die Welt­kon­junktur – fielen im Februar um 25 Prozent im Ver­gleich zum Vorjahr. Rück­läufige Gewinne können nicht durch immer mehr Liqui­dität kaschiert werden. Wir befinden uns am (vor­läu­figen) Höhe­punkt der geld­po­li­ti­schen Inter­ven­tionen. Mit der Abschwä­chung der Wirt­schaft werden die Börsen einen deut­lichen Dämpfer erfahren. Ob es den Noten­banken dann nochmals gelingt, eine Blase auf­zu­pumpen, bleibt abzu­warten. Die Rezes­si­ons­gefahr ist so – anders als von vielen Beob­achtern behauptet – keine gute Nach­richt für die Börsen, weil das Spiel der letzten Jahr­zehnte nicht mehr funktioniert.
Nachtrag am 29. März. Die Märkte setzen zumindest auf eine Umkehr der Geldpolitik: