Ener­gie­si­cherheit in der EU: Ver­hand­lungen über Gas­transit mit der Ukraine bisher ergebnislos

Wenn in den Medien über Erdgas berichtet wird, geht es meistens um Nord-Stream 2 oder um US-Flüs­siggas. Was die Medien dabei außen vor lassen, ist die Frage der gene­rellen Ver­sorgung der EU-Staaten mit Erdgas, die 2020 in Gefahr geraten kann. Daher will ich über den Stand der Gas­ver­sorgung der EU berichten.
In den ver­gangen 15 Jahren gab es immer wieder Pro­bleme mit der Gas­ver­sorgung der EU, weil die Ukraine den Gas­transit als Druck­mittel ein­ge­setzt hat. Es war nicht etwa Russland, das sein Gas je ver­kaufen möchte, sondern die Ukraine, die bessere Bedin­gungen für sich selbst her­aus­schlagen wollte, was einige Male sogar zu vor­über­ge­henden Eng­pässen bei der Gas­ver­sorgung in Süd­ost­europa geführt hat. Mit anderen Pipe­lines aus Russland gibt es der­artige Pro­bleme nicht, nur der Transit durch die Ukraine macht immer wieder Pro­bleme. Die Geschichte der Gas­kon­flikte habe ich hier aus­führlich beschrieben.
Aus diesem Grunde wurde sei­nerzeit Nord Stream gebaut: Deutschland wollte sich von der Abhän­gigkeit durch Tran­sit­länder befreien und seine stei­gende Nach­frage nach Gas über einen sicheren Weg befrie­digen. Und weil die Nach­frage nach Gas weiter steigt, wird derzeit Nord Stream 2 gebaut.
Auch die Staaten Süd­ost­eu­ropas, die unter den Eng­pässen durch die ukrai­ni­schen Spielchen gelitten haben und einige Male im Januar tagelang ohne Heizung waren, haben sich eine Alter­native gewünscht. Zunächst sollte es South Stream durch das Schwarze Meer nach Bul­garien geben, was die EU aber 2014 im Zuge der Ukraine-Krise gestoppt hat. Dar­aufhin haben die Russen sich mit der Türkei auf Turk Stream geeinigt, die Pipeline von Russland durch die Türkei bis Istanbul ist bereits fertig gebaut.
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Der Vertrag über den Gas­transit durch die Ukraine läuft Ende 2019 aus, derzeit laufen die Ver­hand­lungen zwi­schen Russland, der EU und der Ukraine über einen neuen Vertrag. Jedoch gestalten sich die Ver­hand­lungen auf­grund der ukrai­ni­schen For­de­rungen schwierig. Die bank­rotte Ukraine hat die Wartung der Pipeline jah­relang ver­nach­lässigt und möchte diese Kosten an Russland oder die EU über­tragen und gleich­zeitig auch noch mehr Geld für den Transit haben. Der rus­sische Ener­gie­mi­nister nannte die letzten Gespräche zwar „kon­struktiv“, aber eine Lösung ist noch nicht gefunden.
Der ukrai­nische Ener­gie­mi­nister wies auf „wirt­schaft­liche Streit­punkte“ hin und sagte, es könnte auch sein, dass kein Vertrag unter­schrieben wird. Dabei gab er ganz offen zu, dass das die Ener­gie­si­cherheit Europas bedrohen würde. Viel deut­licher kann eine Drohung nicht aus­ge­sprochen werden.
Die süd­eu­ro­päi­schen Staaten haben nun eben­falls beschlossen, sich von der Ukraine unab­hängig zu machen und einen Vertrag über eine Ver­län­gerung der Turk Stream Pipeline über Bul­garien bis Serbien geschlossen. Wie wichtig den Ländern das ist, zeigt sich daran, dass diese Pipeline, sie wird Balkan Stream heißen und fast 400 Kilo­meter lang werden, schon Anfang 2020 fertig sein soll. Das wäre wirklich rekordverdächtig!
Offen­sichtlich macht man sich in Süd­ost­eu­ropas ernst­hafte Sorgen um die Ver­sorgung durch die Ukraine und setzt alle Hebel in Bewegung, um schnellst­möglich eine Alter­native zu haben.
Die USA, die mit allen Mitteln ver­suchen, ihr teu­reres Fracking-Gas in Europa zu ver­kaufen und mit allen Mittel gegen Nord Stream 2 ankämpfen, scheinen zumindest bisher von den Pro­blemen mit dem ukrai­ni­schen Gas­transit nicht zu profitieren.

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“