Pfund fällt, doch ich bleibe dabei: UK ist ein Kauf
Heute Morgen fiel die Währung des Vereinigten Königreichs erstmals seit Januar 2017 unter die Marke von 1,20 US-Dollar. Im Tief wurden 1,1994 Dollar erreicht. Gegenüber dem Euro hält sich das Pfund etwas besser (was daran liegt, dass der Euro ja auch nicht gerade eine vertrauenserweckende Währung ist). Am Dienstag kostete ein Pfund knapp 1,10 Euro. Seit Jahresbeginn belaufen sich die Verluste des Pfunds zum Dollar auf rund sechs Prozent, gegenüber dem Euro auf ein Prozent.
Ich denke, das Pfund ist billig, während der US-Dollar teuer ist. Der Euro steht vermutlich gegenüber dem Dollar auch vor einer Erholung, was bedeutet, dass das Pfund vor allem gegenüber dem Dollar, aber auch gegenüber dem Euro ein Erholungspotenzial hat. Damit wiederhole ich meine strategische Empfehlung, in Großbritannien zu investieren und die günstigen Kurse für einen vorsichtigen Einstieg zu nutzen. Auf mittlere Sicht (fünf Jahre +) bleibe ich dabei, dass UK deutlich bessere Chancen hat als die Eurozone.
Im Januar 2019 hatte ich bei der WirtschaftsWoche so argumentiert und ich bleibe auch heute bei dieser Sicht:
Hard‑, Soft- oder No-Brexit – die Empfehlung ist eindeutig. Britische Aktien sind ein Kauf. Denn was für den langfristigen Erfolg mehr zählt als alles andere, ist der Preis, den man am Anfang bezahlt.
Eine Sicht, die bis heute auf viel Widerspruch trifft, wie ich am letzten Montag als Teilnehmer an der Diskussionsrunde bei hartaberfair (ARD) erfahren habe. Nicht nur die in der Runde anwesenden Politiker empörten sich, es gab auch in der Nachbetrachtung einige Kritik von Medien und Zuschauern.
Das dürfte auch daran liegen, dass den meisten Beobachtern nach zehn Jahren die Eurokrise nicht mehr bewusst ist und kuschelige Europagedanken wie „Düsseldorfer Studenten können in Maastricht studieren“ schwieriger zu verstehende ökonomische Probleme gerne in den Hintergrund treten lassen. Dass dies nur der sedierenden Wirkung des „money for nothing“ der EZB zu verdanken ist, haben Medien und Politiker außerhalb des Wirtschaftsteils der Zeitung nur zu gerne verdrängt. Mario Draghi sei Dank!
Ich bleibe dabei: Der Brexit muss nicht zwangsläufig ein Desaster für die Briten sein, zumal wir in einem Boot mit Ländern sitzen, die wirtschaftlich nicht zu uns passen. Der Euro bleibt dysfunktional und die Weigerung der Politik – die erneut in besagter Sendung deutlich wurde –, die Probleme des Euros ernsthaft anzugehen, verspricht nichts Gutes für die Eurozone und damit für uns, die wir mit unserer (noch bestehenden!) Wirtschaftskraft letztlich die Garanten für das Bestehen der Währung sind. Auch dazu will ich mir an dieser Stelle die Wiederholung sparen und verweise für Interessierte auf die Zusammenfassung hier.
Im Einkauf liegt der Gewinn
Natürlich ist das mit dem Timing so eine Sache. Viel zu früh habe ich empfohlen, eine Position in Pfund aufzubauen, wobei die Entwicklung von damals 1.1078 auf heute 1.1471 zumindest keinen Verlust beschert hat. Wie schon mit meinen Aussagen zum Dollar, hat mich damals die extreme Positionierung in den Märkten gegen das Pfund zu der Empfehlung bewogen. Trotzdem war meine Empfehlung zu früh.
Dennoch will ich mich heute eindeutig dazu bekennen, systematisch eine Position in Aktien aus Großbritannien aufzubauen. Egal, wie das Brexit-Drama nun ausgeht. Die Börse in London ist ein Kauf!
Das beste Konzept, um Erfolg bei der Geldanlage zu haben, ist einfach: billig kaufen und teuer verkaufen. Allen fundamentalen Faktoren zum Trotz kann es zu einer nachhaltigen Abweichung der am Finanzmarkt gezahlten Preise vom eigentlich gerechtfertigten Wert kommen. Es gibt also Zeitpunkte, wo es günstig ist zu kaufen – wie rückblickend im März 2009. Umgekehrt gibt es Zeitpunkte, wo es sich weniger lohnt zu kaufen und es vielmehr die Gefahr gibt, nur unterdurchschnittliche Erträge zu realisieren.
Welche Wirkung die Bewertung, also der Preis, beim Einstieg auf die nachfolgende Rendite hat, zeigt eine Analyse am Beispiel der US-Börse. Zurzeit liegt dort das sogenannte CAPE (Cycle-Adjusted Price Earnings Ratio) trotz des Kursrückgangs im Dezember bei fast 29.
Die nach seinem Erfinder auch Shiller-PE genannte Kenngröße setzt die Bewertung einer Aktie ins Verhältnis zum über zehn Jahre geglätteten und inflationsbereinigten Gewinn, den ein Unternehmen erwirtschaftet. Nur im Jahr 2000 und 1929 lag die Bewertung noch höher.
Die Kenngröße CAPE eignet sich nicht zum kurzfristigen Timing des Marktes. Es ist aber ein sehr guter Indikator für künftige Erträge. So lässt sich zeigen, dass Kapitalanleger, die bei einer Bewertung von 25 oder höher gekauft haben, über zehn Jahre im Durchschnitt nur 3,39 Prozent erzielt haben. Im Median, der nicht so stark vom besten Jahr 1997 („High“) verzerrt ist, lag die Rendite bei 2,92 Prozent und im schlechtesten Jahr („Low“) bei ‑1,38 Prozent.
Wer teuer kauft, riskiert also nicht nur einen starken Einbruch, sondern erzielt selbst mit einem Anlagehorizont von zehn Jahren keine Rendite – schon gar nicht, wenn man die gleichzeitig fortschreitende Inflation berücksichtigt. Dies sollten alle jene im Hinterkopf haben, die angesichts der ungebremsten Liquiditätsflut der Notenbanken davon ausgehen, dass Aktien nicht mehr fallen. Dies mag sein – auch wenn ich es für unwahrscheinlich halte –, bedeutet im Umkehrschluss jedoch nicht, dass die Investition sich gut verzinst.
UK ist unschlagbar billig
Nun ist billig nicht gleich gut. Man denke nur an die europäischen Banken, vor denen ich immer gewarnt habe. Zwar lag ich auch hier unter Trading-Gesichtspunkten falsch, weil der Sektor eine Bärenmarktrallye hingelegt hat, strategisch gilt aber die Warnung, dass der Sektor an einer toxischen Mischung aus zu geringem Eigenkapital, zu vielen faulen Krediten, intransparenten Wetten, zu hohen Kosten und (auch dank Null-Zinspolitik der EZB) zu geringen Erträgen leidet. Kurzgefasst: Der Sektor ist zu Recht tief bewertet, was nicht bedeutet, dass er billig ist. Das wissen wir erst nach der nächsten Rezession und der damit verbundenen weiteren Runde in der Eurokrise. Zocken ja, Anlegen nein.
Anders ist das in Großbritannien. Das Land wird immer ein Hort der Sicherung von Eigentum bleiben – anders als Deutschland, wo in Berlin allen Ernstes die Enteignung von privaten Immobilienbesitzern aus „sozialen Gründen“ (Thema einer der nächsten Folgen) überlegt wird.
Auch ich bezweifle nicht, dass es im Falle eines Hard-Brexits zu einer tiefen Rezession in Großbritannien kommt. So gibt es Schätzungen seriöser Institute, wie beispielsweise Capital Economics, die einen Einbruch des britischen BIP um ein bis zwei Prozent für diesen Fall erwarten. Unangenehm, aber zu bewältigen. Trotz aller aktuellen Panikmeldungen bereiten sich die Unternehmen auf das Schlimmste vor – und noch besteht ja die Hoffnung auf eine bessere Lösung.
Derweil gehört die britische Börse mit einem CAPE von 14,6 zu den billigsten Märkten der Welt. Günstige Währung, günstige Aktien, Rechtsstaatlichkeit und mehr Chancen als Risiken sprechen für ein Engagement, welches – wenn man historische Erfahrungen zugrunde legt –, immerhin eine jährliche Rendite von 9,4 Prozent für die kommenden zehn Jahre erhoffen lässt.
In Europa würde das Modell nur für Spanien, Italien und die Niederlande höhere Erträge prognostizieren. Was wiederum zeigt, dass man sich auf die Modelle allein nicht verlassen darf. Spanien und Italien bleiben in einer Währungsunion gefangen, in der sie niemals ihre Wettbewerbsfähigkeit wiedererlangen werden und Holland wird wie Deutschland eine Hauptlast des Schadens tragen müssen, wenn die Politiker der Eurozone zum Endkampf um eine nicht rettbare Währung blasen.
Da fühle ich mich an der Börse von London deutlich besser aufgehoben.
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