Putin im O‑Ton über seine Sicht auf die Zukunft Syriens

Vor seinem anste­henden Besuch in Saudi-Arabien hat Putin drei ara­bi­schen TV-Sendern ein Interview gegeben, in dem er auch über die Chancen auf eine fried­liche Zukunft Syriens gefragt wurde. 
Da ich es vor dem Hin­ter­grund der Bericht­erstattung in Deutschland über das Thema inter­essant finde, wie Russland auf diese The­matik blickt, habe ich diesen Teil des Inter­views von Putin mit den TV-Sendern Al Arabia, Sky News Arabia und RT Arabic übersetzt.
Beginn der Übersetzung:
Jour­nalist: Herr Prä­sident, jetzt möchte ich über Syrien sprechen. Sie haben vor kurzem ange­kündigt, dass die groß ange­legten Mili­tär­ak­tionen in Syrien aus­ge­setzt werden und wir hoffen jetzt wirklich auf eine poli­tische Lösung. Sie haben bei der Valdai-Kon­ferenz darüber gesprochen. Sie haben gesagt, dass Syrien in der Tat ein wahres Bei­spiel dafür sein kann, wie mit solchen Kon­flikten umzu­gehen ist.
Glauben Sie, dass es möglich ist, über irgendeine poli­tische Lösung zu sprechen, solange noch anderes Staaten auf dem Ter­ri­torium Syriens präsent sind? Derzeit sind da Sol­daten aus den Ver­ei­nigten Staaten, aus Russland, aus der Türkei und aus dem Iran. Können wir in so einem insta­bilen Umfeld auf Sta­bi­lität in Syrien hoffen?
Putin: Wir müssen darauf hoffen. Die Hoffnung stirbt zuletzt. Ich kann Ihnen nur zustimmen, dass alle, die sich unrecht­mäßig auf dem Ter­ri­torium eines anderen Staates befinden, in diesem Fall der Ara­bi­schen Republik Syrien, dieses Gebiet ver­lassen müssen. Das gilt generell für alle Staaten. Wenn die künftige Führung, die legitime Führung Syriens, sagt, dass sie die Präsenz der rus­si­schen Streit­kräfte nicht mehr braucht, dann betrifft das natürlich auch die Rus­sische Föde­ration. Aber über den heu­tigen Stand haben wir mit allen unseren Partnern absolut offen gesprochen: mit den ira­ni­schen Partnern und mit den tür­ki­schen Partnern haben wir wie­derholt darüber gesprochen und auch mit unseren ame­ri­ka­ni­schen Partnern. Und so, wie ich es Ihnen jetzt sagen werde, habe ich auch meinen Kol­legen offen gesagt, dass das Gebiet Syriens von aus­län­di­scher Mili­tär­präsenz befreit werden muss und dass die ter­ri­to­riale Inte­grität der Ara­bi­schen Republik Syrien voll­ständig wie­der­her­ge­stellt werden muss.
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Jour­nalist: Haben Sie eine Ahnung, wie die poli­tische Zukunft Syriens sein wird und welche Rolle Russland in dieser Zukunft spielen wird?
Putin: Wissen Sie, diese Frage, und das ist die schwie­rigste Frage, kann nur von den Syrern selbst beant­wortet werden. Ich hoffe, dass dies nicht mit Waffen, nicht durch bewaffnete Kon­fron­tation, nicht durch Bru­der­krieg, sondern in Ver­hand­lungen, in diesem Fall in Genf, geschieht. Und die erste Stufe ist natürlich die Arbeit am Grund­gesetz des Landes, an der Ver­fassung: ent­weder muss sie geändert werden oder es muss eine neue Ver­fassung erar­beitet werden. Aber zwei­fellos müssen die Inter­essen aller eth­ni­schen und reli­giösen Gruppen im Land garan­tiert werden. Die Men­schen müssen ver­stehen, dass sie in ihrem eigenen Land leben und sicher den Schutz dieses Landes und seiner Gesetze genießen. Das gilt für Sun­niten, Schiiten und Ala­witen, und das gilt für die Christen. Schließlich war Syrien schon immer ein multi-reli­giöser Staat und konnte stolz darauf sein. Nur Men­schen ohne gesunden Men­schen­ver­stand konnten eine solche Kam­pagne von Mas­sen­morden starten, wie es die ter­ro­ris­ti­schen Ele­mente in Syrien getan haben.
Aber ich wie­derhole, das wird ein schwie­riger Prozess, ein kom­pli­zierter, aber meiner Meinung nach ist es möglich. Und wissen Sie, was mich dazu bringt, in der Frage positiv zu denken? Heute kehren dort viele in ihre Heimat zurück. Wir sprechen von Tau­senden von Men­schen. Aus dem Ausland kehren sie zurück und auch aus anderen Gebieten Syriens, sie kehren in ihre Heimat zurück. Das ist ein sicheres Zeichen dafür, dass die Men­schen der Situation ver­trauen, die sich heute ent­wi­ckelt hat, den Garantien des Staates ver­trauen, den Garan­tie­ländern ver­trauen, die dort präsent sind.
Ich freue mich sehr, zu sehen, dass die Syrer die rus­si­schen Sol­daten und unsere Mili­tär­po­lizei sehr positiv und mit großem Ver­trauen behandeln. Die Mili­tär­po­li­zisten, die dort ihren Dienst erfolg­reich ver­richten, kommen größ­ten­teils aus dem Nord­kau­kasus. Sie alle sind prak­ti­zie­rende Moslems. Und die Ein­hei­mi­schen, ich kenne kon­krete Bei­spiele, gehen ver­trau­ensvoll zu ihnen, wenn sie Schutz oder Hilfe brauchen. Ich freue mich sehr, das sagen zu können.
Aber natürlich müssen sich die Men­schen dort unter­ein­ander einigen, damit die Situation am Ende stabil und lang­fristig gestaltet werden kann. Der schlimmste Frieden ist besser, als ein guter Krieg.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. Syrien hat in dem Buch ein eigenes Kapitel und auch die Vor­ge­schichte kann man gut ver­folgen, wenn man sich Putins Aus­sagen der ver­gan­genen Jahre anhört. Es ist von heute aus gesehen erschre­ckend, dass er all die schlimmen Ent­wick­lungen vor­her­ge­sehen hat und dass im Westen darüber nie berichtet wurde. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“