Whist­le­b­lower zeigen auf, wie der Westen die Orga­ni­sation für das Verbot che­mi­scher Waffen politisiert

Am Don­nerstag hat das rus­sische Außen­mi­nis­terium sich auf seiner Pres­se­kon­ferenz auch über die Orga­ni­sation für das Verbot che­mi­scher Waffen (OPCW) geäußert. Eigentlich wollte ich die sehr tro­ckene Erklärung nicht bringen, aber sie hat am Montag eine uner­wartete Aktua­lität bekommen.
Das OPCW wird vom Westen zuse­hends für poli­tische Zwecke miss­braucht. Der Westen hat zum Bei­spiel durch­ge­drückt, dass diese Orga­ni­sation nun im Rahmen der UNO nicht nur Vor­fälle mit Che­mie­waffen unter­suchen und darüber berichten soll, sie soll auch Schuldige benennen. Das jedoch steht einer neu­tralen Orga­ni­sation gar nicht zu, dafür gibt es andere Insti­tu­tionen. In der OPCW ist es dem Westen gelungen, die poli­tische Richtung vor­zu­geben und was das bedeutet, sehen wir gerade in Syrien.
Ich habe erst letzte Woche über den angeb­lichen Giftgas-Angriff auf die syrische Stadt Duma berichtet und die Chro­no­logie auf­ge­zeigt. Dabei zeigt sich, dass sich die OPCW nicht mit Ruhm bekle­ckert hat, als sie in ihrem Bericht Assad die Schuld gegeben hat. Es gibt nämlich Hin­weise, dass der Angriff nicht einmal statt­ge­funden hat, sondern eine Insze­nierung der Isla­misten war, damit die USA einen Grund haben, die syrische Armee mit Marsch­flug­körpern im Rahmen einer „Ver­gel­tungs­asktion“ wegen des Giftgas-Angriffes anzu­greifen. Der US-Angriff erfolgte auch, aber er hat nicht ver­hindert, dass die syrische Armee die Gegen nur Tage später von den Isla­misten befreit hat.
Ein BBC-Pro­duzent und zwei Whist­le­b­lower von der OPCW haben mit ver­öf­fent­lichten Unter­lagen belegt, dass die OPCW bewusst unsauber gear­beitet hat, damit das von den USA gewünschte Ergebnis her­aus­kommt. Die Details finden Sie hier, ich habe in dem Artikel die Ereig­nisse chro­no­lo­gisch und mit allen Quellen aufgeführt.
Am heu­tigen Montag ist nun ans Licht gekommen, dass es bereits einen dritten Whist­le­b­lower bei der OPCW gibt, der die Vor­würfe der ersten beiden Whist­le­b­lower bestätigt. Dabei handelt es sich um einen Wis­sen­schaftler, der vor Ort gear­beitet hat und der OPCW vor­wirft, sie hätte das Gegenteil von dem in ihren Bericht geschrieben, was die soge­nannte Fact Finding Mission vor Ort her­aus­ge­funden und in ihre Berichte geschrieben hat.
Vor diesem Hin­ter­grund ist es inter­essant, die Erklärung des rus­si­schen Außen­mi­nis­te­riums über die Jah­res­ver­sammlung der OPCW zu lesen. Sie ist zwar dem kom­plexen Thema ent­spre­chend ein wenig trocken, aber man kann sehen, dass Russland genau vor dem warnt, was wir gerade in Syrien erleben: Vor einer Poli­ti­sierung einer eigentlich neu­tralen, inter­na­tio­nalen Organisation.
Bevor wir zur Über­setzung der rus­si­schen Erklärung kommen, noch eine Anmerkung: Das rus­sische Außen­mi­nis­terium ver­öf­fent­licht die Pro­to­kolle der Pres­se­kon­fe­renzen neu­er­dings auch in deut­scher Über­setzung. Ich habe die deutsche Über­setzung, die einige kleine Fehler enthält, die pas­sieren, wenn jemand Texte nicht in seine Mut­ter­sprache über­setzt, ein wenig am Ori­ginal kor­ri­giert. Trotzdem können Inter­es­sierte nun die ganze Pres­se­kon­ferenz auf Deutsch lesen, wenn sie möchten, auch wenn es an ein paar Stellen ein wenig hol­perig klingt.
Beginn der Übersetzung:
Ende November fand in Den Haag die 24. Kon­ferenz der Teil­neh­mer­staaten der Che­mie­waf­fen­kon­vention statt, an der die rus­sische Regie­rungs­de­le­gation teilnahm. Der Auf­tritt des Stän­digen Ver­treters Russ­lands in der OPCW, Alex­ander Schulgin, wurde auf der offi­zi­ellen Web­seite des Außen­mi­nis­te­riums Russ­lands ver­öf­fent­licht, man kann ihn sich anschauen.
Während der Ver­an­staltung wurde den Ergeb­nissen zu einem breiten Spektrum von Fragen der Tages­ordnung der Orga­ni­sation für das Verbot che­mi­scher Waffen, ein­schließlich der Erör­terung des Pro­zesses der Ver­nichtung der ver­blei­benden Vorräte an Che­mie­waffen, der Bespre­chung der Pro­ble­matik des so genannten che­mi­schen Dos­siers und anderer aktu­eller Schwer­punkte der Tätigkeit dieser inter­na­tio­nalen Struktur große Auf­merk­samkeit gewidmet.
Das wich­tigste Punkt war die Ver­ab­schiedung im Konsens, was sehr wichtig ist, von zwei Beschlüssen über die Erwei­terung der Kon­troll-Listen der Che­mie­waf­fen­kon­vention via Auf­nahme von vier Familien neuer Ver­bin­dungen von gif­tigen Che­mi­kalien, die unter anderem zu dem berüch­tigten Nowit­schok-Typ gehören, deren Ent­wicklung und Erfor­schungen in meh­reren Nato- und EU-Ländern erfolgte. Der Bil­ligung der Beschlüsse, die auf den Vor­schlägen Russ­lands sowie der drei west­lichen Staaten USA, Kanada und Nie­der­lande beruhen, ging eine lange und nicht ein­fache Arbeit zur Abstimmung der tech­ni­schen Para­meter dieser sich gegen­seitig ergän­zenden Initia­tiven voraus und es wurden große Anstren­gungen zur Suche nach Kom­pro­missen und all­seitig annehm­baren Lösungen unter­nommen. Die Tat­sache, dass ein Konsens gefunden wurde, zeigt, dass wir uns dennoch einigen können. Mit „wir“ meine ich die Mit­glieder dieser Struktur. Wir können uns einigen, wenn es sich um reale Maß­nahmen zur Fes­tigung der Nicht­ver­breitung von Che­mie­waffen handelt. Und das trotz der offen­sicht­lichen Kon­fron­tation in der Orga­ni­sation wegen einer zu starken Poli­ti­sierung des absolut aus­ge­klü­gelten che­mi­schen Dos­siers durch die Länder des Westens, die durch den von Groß­bri­tannien inspi­rierten Skripal-Fall und die ille­gitime Über­tragung der „Attri­bu­tiv­funk­tionen“ zur Fest­stellung der Ver­ant­wort­lichen bei der Anwendung von C‑Waffen durch das Tech­nische Sekre­tariat der OPCW. (Anm. Übers.: Mit diesem kom­pli­zierten Satz ist etwas ein­faches gemeint: Der Westen hat mit seiner Stim­men­mehrheit beschlossen, dass das OPCW die ermit­telnde Behörde bei Che­mie­waffen-Vor­fällen sein soll und auch Schuldige benennen soll. Dazu ist die OPCW aber nicht gegründet worden und es besteht dadurch die Gefahr, dass sie keine neu­tralen Ermitt­lungen durch­führt, sondern vom Westen „bestellte“ Ergeb­nisse abliefert, wie es anscheinend schon bei dem oben genannten Vorfall in Duma geschehen ist)
Zugleich kam es erneut zur wei­teren Poli­ti­sierung der OPCW-Arbeit: der schon durch Abstimmung getroffene Beschluss der Kon­ferenz über den Haushalt der Orga­ni­sation für 2020 enthält eine ver­schleierte Finan­zierung des, wie wir meinen, unbe­rechtigt geschaf­fenen „Attri­butiv-Mecha­nismus“ des Tech­ni­schen Sekre­ta­riats. Russland und noch rund ein Drittel der Ver­trags­staaten der Che­mie­waf­fen­kon­vention haben sich nicht mit diesem Beschluss ein­ver­standen erklärt und traten dagegen ein, indem sie sich ihrer Stimme ent­hielten bzw. den Saal einfach verließen.
Die in einer anstren­genden und oft kon­fron­ta­tiven Atmo­sphäre statt­ge­fundene 24. Kon­ferenz war ein wei­teres Bei­spiel dafür, inwieweit unsere west­lichen Oppo­nenten auf die weitere Ver­wandlung der OPCW in ein Instrument zur Umsetzung der eigenen geo­po­li­ti­schen Initia­tiven im Nahen Osten und außerhalb der Region setzen. Das alles wird gemacht, anstatt gemeinsame Anstren­gungen zur Auf­recht­erhaltung des Ansehens dieser spe­zia­li­sierten, tech­ni­schen Orga­ni­sation und zur Fes­tigung der Inte­grität der Kon­vention über das Verbot von C‑Waffen selbst zu unternehmen.
Anschaulich ist in diesem Zusam­menhang, dass auf Initiative Russ­lands vor diesem Hin­ter­grund eine gemeinsame Erklärung der 24 Länder über die Maß­nahmen zur Bekämpfung des che­mi­schen Ter­ro­rismus ange­nommen wurde. Dieses Dokument zeigt erneut die überaus große Aktua­lität gemein­samer Schritte beim Kampf gegen den che­mi­schen Ter­ro­rismus. Das gilt besonders in Syrien, wo andauernd Ter­ror­an­schläge und Pro­vo­ka­tionen mit gif­tigen Che­mi­kalien und voll­wer­tigen Kampf-Gift­stoffen durch Extre­misten und mit ihnen ver­bundene, pseu­doh­u­ma­nitäre Nicht­re­gie­rungs­or­ga­ni­sa­tionen wie die Weiß­helme, durch­ge­führt werden.
Ende der Übersetzung
Wenn Sie sich dafür inter­es­sieren, wie Russland auf die Fragen der inter­na­tio­nalen Politik blickt, dann sollten Sie sich die Beschreibung meines Buches ansehen, in dem ich Putin direkt und unge­kürzt in langen Zitaten zu Wort kommen lasse. 

Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru
Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.
Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“