Bri­ti­scher High Court bestätigt: Bri­tische Geheim­agenten haben die Lizenz zum Töten

Bri­tische Geheim­agenten haben jetzt auch ganz offi­ziell die Lizenz zum Töten. Das ist keine Geschichte von James Bond, sondern eine Ent­scheidung des Lon­doner High Court. 

West­liche Poli­tiker und Medien werfen Russland immer wieder – und zwar bis heute ohne einen ein­zigen Beweis – vor, dass seine „Kil­ler­kom­mandos“ angeblich Men­schen umbringen. Diese Vor­würfe sind an Dop­pel­moral kaum zu über­bieten, denn was der Westen Russland vor­wirft, tut er selbst unbe­stritten im großen Stil. Allein mit ihren Droh­nen­morden haben die USA Tau­sende unschuldige Zivi­listen ermordet. Und das bei dem Versuch, angeb­liche Ter­ro­risten – natürlich auch ohne jedes Gerichts­urteil – zu ermorden.

Und auch die Briten, die im anti-rus­si­schen Chor besonders laut mit singen, töten Men­schen ohne Gerichts­ver­fahren. Nun hat der High Court in London bestätigt, dass diese „Lizenz zum Töten“, die es bereits gibt, auch rechtens ist.

Darüber hat das rus­sische Fern­sehen in der Sendung „Nach­richten der Woche“ am Sonntag berichtet und ich habe den Bericht übersetzt.

Beginn der Übersetzung:

Der High Court in London hat bri­ti­schen Geheim­dienst­of­fi­ziere und ihren Agenten das Recht gegeben, Men­schen zu töten. Die Ent­scheidung wurde mit drei gegen zwei Stimmen getroffen. Während Scotland Yard und alle anderen Geheim­dienste in Groß­bri­tannien nach aus­ge­dachten, rus­si­schen „Ver­giftern“ suchen, bestätigt die dortige Justiz die Tötungs­be­fug­nisse bri­ti­scher Agenten, wenn Mord im öffent­lichen Interesse liegt. Die Ent­scheidung, in welchem Fall ein Mensch getötet wird, wird vom Agenten selbst getroffen.

Vor Weih­nachten machte der High Court in London den bri­ti­schen Geheim­agenten ein Geschenk und erteilte ihnen die Lizenz zum Töten, wenn dies im Interesse der natio­nalen Sicherheit geschieht.

Der Gerichtshof bestä­tigte die bestehenden Wei­sungen des bri­ti­schen Geheim­dienstes, die es ihren Mit­ar­beitern und Agenten erlauben, „Straf­taten zu begehen, um Zugang zu nach­rich­ten­dienst­lichen Infor­ma­tionen auf­recht­zu­er­halten, wenn dies nötig ist, um Leben zu retten, schwerere Ver­brechen zu ver­hindern oder den Agenten selbst zu schützen.“

Zwei der fünf Richter des Tri­bunals lehnten dies ab, aber die Ent­scheidung wurde mit Mehrheit getroffen. Vier Men­schen­rechts­or­ga­ni­sa­tionen kün­digten an, Berufung ein­zu­legen. Sie fordern eine offene Unter­su­chung der Akti­vi­täten der bri­ti­schen Geheim­dienste während des Kon­flikts in Nordirland.

Einer der pro­mi­nen­testen Fälle ist der Mord an dem Anwalt Pat Finucane. 1989 wurde er von Bewaff­neten der Ulster Defence Asso­ciation erschossen.

„Stellen Sie sich vor, Sie sitzen mit Ihren kleinen Kindern in der Küche und jemand bricht ein und eröffnet das Feuer. Pat wurde von 14 Kugeln getroffen. Auch nachdem die Polizei weg war, fand ich immer noch Kugeln, sie waren überall“, erinnert sich Finu­canes Witwe.

Zwei bri­tische Mili­tär­ge­heim­dienst­agenten waren an der Orga­ni­sation des Mordes beteiligt. Die Geheim­dienste nutzten die London-treuen Pro­tes­tanten und ver­sorgten sie mit Infor­ma­tionen über Akti­visten der Iri­schen Repu­bli­ka­ni­schen Armee, die zer­stört werden sollten. Finucane wurde ins Visier genommen, weil er ver­haftete IRA-Mit­glieder vor Gericht ver­teidigt hat.

Der Autor von Dut­zenden von Büchern über Geheim­dienste und Gegen­spionage, der ehe­malige bri­tische Poli­tiker Rupert Allason, ver­öf­fent­licht unter dem Pseudonym Nigel West. Er erinnert sich an einen wei­teren Skandal um einen angeb­lichen Agenten des bri­ti­schen Geheim­dienstes, Freddy Scap­p­a­ticci, der unter dem Code­namen Ste­ak­knife, was fast wie „Flei­scher­messer“ klingt, ope­rierte. Der Mann ver­brachte 25 Jahre unter repu­bli­ka­ni­schen Akti­visten und betrieb Gegenspionage.

Agent Ste­ak­knife lie­ferte aus­ge­zeichnete Infor­ma­tionen, aber das Problem dabei war, dass er angeblich für die Tötung von 10 bis 40 Men­schen ver­ant­wortlich war. Und es stellt sich die Frage, inwieweit seine Füh­rungs­of­fi­ziere sich dessen bewusst waren und welche Anwei­sungen sie in dieser Hin­sicht gegeben haben“, sagte Allason.

Scap­p­a­ticci behauptet, er habe nie für den bri­ti­schen Geheim­dienst gear­beitet. Die Polizei ermit­telte gegen ihn und übergab alle Unter­lagen an die Staats­an­walt­schaft, aber es ist nicht bekannt, ob und wie der Fall vor Gericht gehen wird.

„Die Kura­toren dieses Agenten werden sicherlich sagen, dass er, wenn er sein Ver­halten geändert und auf­gehört hätte, Ver­brecher zu begehen, Miss­trauen geweckt und den Zugang zu Infor­ma­tionen ver­loren hätte, die das Leben anderer retten konnten. Das ist immer eine schwierige Frage. Um den Ter­ro­rismus zu bekämpfen, ist es not­wendig, Infor­ma­tionen zu erhalten, ist es not­wendig, die Mit­glieder der Unter­grund­or­ga­ni­sation zu iden­ti­fi­zieren, ihre Pläne zu kennen und zu wissen, wer sie finan­ziert. Und um Zugang dazu zu bekommen, muss man manchmal mit Men­schen zu tun haben, die nicht mit den Ideen von Mutter Teresa arbeiten. Diese Men­schen können Blut an den Händen haben und sogar ehe­ma­ligen Ter­ro­risten sein“, sagte Allason.

2010 ver­öf­fent­lichte der ehe­malige Mili­tär­ge­heim­dienstler und heutige Jour­nalist Michael Smith ein Buch über die frühen Jahr­zehnte des bri­ti­schen Geheim­dienstes MI6. Er bestä­tigte, dass Oswald Reiner, ein bri­ti­scher Geheim­dienst­of­fizier, direkt in den Mord an Grigory Ras­putin ver­wi­ckelt war.

Einige Jahre später bereitete die bri­tische Residenz in Russland ein Attentat auf Josef Stalin vor.

„Unmit­telbar nach der Revo­lution for­derte Stalin lauter Frieden mit Deutschland, als alle anderen. Und dann ver­sam­melten sich die Konsuln Frank­reichs und Groß­bri­tan­niens zu einem geheimen Treffen. Stephen Alley wurde auch dazu ein­ge­laden. Aber der Plan schei­terte, weil der fran­zö­sische Konsul zu diesem Treffen jemand anderen mit­brachte, einen Jour­na­listen, der für den Geheim­dienst der Bol­schewiki arbeitete“, sagte Smith.

Ein gewisser Spielraum für bri­tische Agenten wurde durch die Tat­sache gegeben, dass Groß­bri­tannien sich bis Ende der 1980er Jahre wei­gerte, offi­ziell zuzu­geben, dass es über­haupt eigene Geheim­dienste hatte. Erst 1989 wurde das Geheim­dienst­gesetz über den MI5 ver­ab­schiedet, der offi­ziell dem Innen­mi­nis­terium unter­stellt ist. Und 1994 wurden die Geheim­dienst­be­stim­mungen des MI6 und das Government Com­mu­ni­ca­tions Centre, das sich mit elek­tro­ni­scher Spionage befasst, offi­ziell genehmigt.

„80 Jahre lang gab es keine Kon­trolle der Minis­terien über die Geheim­dienste. Denn oft wollten die Minister selbst lieber nichts wissen“, sagte Rupert Allason.

Trotz der Atmo­sphäre der Quasi-Geheim­haltung war Spionage ein beliebtes Thema unter eng­li­schen Schrift­stellern, von denen viele selbst für die Geheim­dienste tätig waren. In den Jahren dienten Somerset Maugham, Graham Greene, Ian Fleming und John Le Carre, die Spionage als die geistige Heimat der bri­ti­schen poli­ti­schen und intel­lek­tu­ellen Elite bezeichnen, der bri­ti­schen Krone.

„Das Ziel eines pro­fes­sio­nellen Agenten der Auf­klärung war damals, zumindest von unserer Seite und größ­ten­teils auch bei Ihnen, die Wahrheit auf­zu­decken. Die Methoden, die wir benutzten, waren manchmal nicht sehr schön, aber unsere Aufgabe war es, unseren Chefs die wahre Situation zu zeigen, ob sie es hören wollten oder nicht. Ich kann nicht behaupten, dass ich gelitten habe, aber ich hatte ernst­hafte mora­lische Zweifel, ob die ein­ge­setzten Mittel die Ziele recht­fer­tigen“, sagte Le Carre.

Die Aben­teuer von James Bond sind zu einer der umsatz­stärksten Film­serien der Welt geworden. Im wirk­lichen Leben ist nicht alles so elegant.

Im Jahr 2010 war die bri­tische Regierung gezwungen, einer mil­lio­nen­schweren Ent­schä­digung für 17 Guan­tanamo-Häft­linge zuzu­stimmen. Dies geschah, um die bri­ti­schen Geheim­dienste vor Straf­ver­folgung wegen ihrer Betei­ligung an der dort ein­ge­setzten Folter zu schützen.

„Die Folter begann in der Mili­tär­basis in Bagram. Ich war mit den Händen hinter meinem Rücken gefesselt. Sie sagten mir, wenn du nicht mit uns koope­rierst, bringen wir dich nach Ägypten oder Syrien und dort wirst du noch härter gequält. Dann fing eine Frau an, im Nach­barraum zu schreien. Sie wollten, dass ich denke, es sei meine Frau und sie würde gefoltert. Sie ver­prü­gelten mich und zeigten mir Bilder von meinen Kindern und sagten, ich würde sie nie wieder sehen. Bri­tische Geheim­dienst­of­fi­ziere waren bei meiner Inhaf­tierung anwesend. Sie wussten genau, dass sowohl in Guan­tanamo, als auch in Bagram Men­schen getötet wurden, dass wir dort gefoltert wurden. Und sie waren tat­sächlich ein Teil davon“, sagte Moazzam Begg, ein ehe­ma­liger Guantanamo-Gefangener.

Einer von denen, die eine Million Pfund Ent­schä­digung für Folter in Guan­tanamo erhalten haben, war ein Brite namens Jamal Al Harith. Der Mann verübte sieben Jahre nach seiner Frei­lassung einen Selbst­mord­an­schlag in der Nähe der Stadt Mossul und zündete eine Auto­bombe in der Nähe eines ira­ki­schen Militärstützpunkts.

Wie sich her­aus­stellte, hat London, um die Ehre Dienste zu retten, Ter­ro­risten frei­ge­lassen und ihnen auch noch Geld mit­ge­geben. Einige Jahre zuvor hatten sich die bri­ti­schen Geheim­dienste aktiv an den Vor­be­rei­tungen für die Invasion des Irak durch die west­liche Koalition beteiligt.

„Es gab streng geheime Infor­ma­tionen, zuver­lässige Quellen, Über­läufer aus dem Irak, Treffen einiger Geheim­agenten, die CIA, MI6. Der Krieg begann und ame­ri­ka­nische und bri­tische Truppen töteten Tau­sende von Men­schen. Dann starben Zehn­tau­sende, wenn nicht Hun­dert­tau­sende unschul­diger Zivi­listen, während der Kon­flikt wei­terging. Das Land wurde zer­stört, die Ter­ror­gefahr hat nur zuge­nommen. Grob gesagt war der Krieg illegal. Aber hat das den Poli­tikern geschadet? Nein! Mil­lionen von Men­schen auf der ganzen Welt glauben, dass Tony Blair ein Kriegs­ver­brecher ist, der im Gefängnis sitzen sollte. Aber er ist frei und kann hier im Fern­sehen auf­treten.“, sagte Alex­ander Was­siljew, ein Schrift­steller und Geheimdiensthistoriker.

Bri­tische Geheim­dienste führen neue Ope­ra­tionen durch. Im Jahr 2016 gab London in der Hoffnung, Trump vor der Wahl schaden zu können, grünes Licht, ein mit frei erfun­denen Geschichten gefülltes Dossier über seine angeblich umfang­reichen Ver­bin­dungen zum Kreml in die Ver­ei­nigten Staaten zu schicken. Das Dokument wurde vom ehe­ma­ligen bri­ti­schen Spion Jonathan Steele zusam­men­ge­stellt. Dann kam eine noch skan­da­lösere Geschichte – der Fall Skripal -, der die Bezie­hungen zwi­schen Russland und Groß­bri­tannien auf das Niveau des Kalten Krieges zurückwarf.

Viel­leicht ist es für die bri­ti­schen Geheim­dienste ein­facher, in einem quasi-mili­tä­ri­schen Umfeld zu handeln und die Bürger mit Geschichten von feind­lichen Spione zu erschrecken, die ver­suchen, die Grund­lagen der Demo­kratie zu unter­graben. Auf diese Weise können Sie ihre Budgets und ihre Kom­pe­tenzen erhöhen, die sie vor Straf­ver­folgung schützen.

Ende der Übersetzung


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“