Daraufhin hat der treue Stelter-Leser und ‑Kommentator Bauer mich kontaktiert und darauf hingewiesen, dass aus seiner Sicht dieses Endspiel bereits läuft und an der Entwicklung der Sonderziehungsrechte des IWF und deren Entwicklung zum Goldpreis abzulesen ist. Da ich das interessant fand, bat ich ihn, seine Gedanken aufzubereiten. Hier nun also sein Gastbeitrag:
Gegen Ende 2017 entstand im Zuge einer breit angelegten Untersuchung für ein internationales Aktien-Portfolio, das Währungsrisiken möglichst weitgehend ausschloss, auch eine Zeitreihe für Gold gegen SDR, also SDR/oz. Eigentlich bietet diese Relation ja keine Überraschungen, da die SDR durch ihre Definition in enger Relation zum USD stehen. Der Vergleich zwischen USD/oz. und SDR/oz. machte aber doch stutzig. Die erwartete Relation stimmte bis Oktober 2016. Ab diesem Datum ging jedoch der Goldkurs in SDR eigene Wege, genauer gesagt, er bewegte sich kaum mehr und pendelte um 900 SDR/oz. Bei allen Berechnungen wurden die Wochenendkurse von freitagabends verwendet.
Die weitere Beobachtung bis März 2018 bestätigte diesen Trend und lineare Regression und Fehlerrechnung schlossen zunehmend einen Irrtum aus. Die Abweichungen wurden zudem stetig geringer. Eine erste Nachricht an befreundete Wissenschaftler und Finanzanalysten – und auch an Dr. Stelter – erregte wenig Aufmerksamkeit, denn Gold lag und liegt immer noch außerhalb des Radars der Experten als nutzloses Metall und Erinnerung an längst verflossene Zeiten vor 1971. Hier ist nun das erste Diagramm von März 2018:
Die schwarze vertikale Linie markiert den 1. Oktober 2016, als China dem IMF beitrat und der CNY in die Berechnung der SDR aufgenommen wurde. Vor dem ominösen Datum verlaufen die beiden Kurslinien wie zu erwarten weitgehend parallel, da nur die geringe Variation des USD innerhalb der SDR als Einfluss zu vermuten war. Die violette Linie kennzeichnet die durch lineare Regression ermittelte Trendlinie für SDR/oz. Blau ist die Trendlinie für USD/oz., die sich zwangsläufig ergibt aus der Relation des Kurses USD/SDR und der SDR-Trendlinie.
Soweit die Vorgeschichte. Inzwischen sind fast zwei Jahre vergangen und das gleiche weitergeführte Diagramm ist nun wesentlich aussagekräftiger:
Wer anfangs noch skeptisch war, müsste jetzt eigentlich bekehrt sein, denn Gold blieb bei seinem peg von 900 SDR/oz., bis es am 24.05.2019 steil und geradlinig ausbrach, um am 16.08.2019 die Marke von 1‘100 SDR/oz. zu erreichen. Seitdem bildet sich auf diesem Niveau ein neuer konstanter Trend. Diese letzten beiden Bewegungen folgen wieder eng einer linearen Regression. Soweit also die unwiderlegbaren Fakten. Was steckt dahinter und welche Schlussfolgerungen sind zu ziehen?
Die erste Frage ist, wer da aktiv eingreift. Gold wird nicht in SDR notiert oder gehandelt, sondern nur in USD (London/Chicago) bzw. in CNY (Shanghai). Wer dieses Spiel betreibt, muss nahezu unbegrenzt Zugang zu Gold, USD und CNY haben und womöglich auch zu SDR. Es gibt nur vier Spieler, die da infrage kommen, FED, ECB, SAFE (Chinese State Agency of Foreign Exchange) und der IMF selbst. Da die aktive Kurspflege sich in wechselnden Beständen an USD und CNY, vor allem aber in Gold niederschlagen würde, in den Goldbeständen von FED, ECB und IMF jedoch keine Veränderungen erkennbar sind, wird es wohl die SAFE sein, zumal deren Publizität ohnehin zu wünschen lässt. Auch das Startdatum legt diese Vermutung nahe.
Sodann ist zu fragen: Cui bono? Diese hartnäckige Kurspflege über nun mehr als drei Jahre ist nicht umsonst zu haben, wenn man einmal vom Wertgewinn der eigenen Goldbestände absieht. Hier darf ruhig Absicht und ein Plan vermutet werden.
Zu Beginn des Jahres 2016 habe ich eine kleine Schrift zu Finanzen für meine Familie und Freunde verfasst (ISBN 978–3‑8370–6890‑0). Darin habe ich zum Thema beiläufig Folgendes geschrieben:
Seit 1971 hat Gold seine Funktion als Währungsbasis, verloren. Die Mehrheitsmeinung ist heute, dass dies das endgültige Aus ist, während eine Minderheit der Ökonomen immerhin für eine Rückkehr plädiert. Der Dollar gilt allgemein als abgewirtschaftet und die Tendenz geht dahin, ihn durch die SDR (special drawing rights), zu Deutsch Sonderziehungsrechte des IWF zu ersetzen. Die kürzliche Aufnahme Chinas in den IWF zielt in diese Richtung. Aber das wäre nur wieder eine virtuelle Basis (fiat money), die über kurz oder lang die Geschichte des Dollar wiederholen würde. Außerdem ist der IWF ein Klub unabhängiger Staaten wie die EU und aus denselben Gründen ungeeignet, eine Kunstwährung im Zaum zu halten. Die Geschichte des fiat money würde sich in noch größerem Maßstab wiederholen. Die Folgen wären nicht mehr begrenzbar, da die ganze Welt an den SDR hängen würde.
Anders sähe nach meiner Meinung die Sache aus, wenn gleichzeitig die SDR am Gold festgemacht würden, da sie dann nicht willkürlich vermehrt werden könnten. Schon eine 30-prozentige Golddeckung könnte zur Stabilisierung genügen, wenn das Recht auf Tausch auf die Mitglieder des IWF beschränkt würde. Historisch genügten den USA und dem Deutschen Kaiserreich eine Golddeckung in ähnlicher Höhe, um ihre Währungen über Jahrzehnte nahezu inflationsfrei zu halten, bis äußere weltpolitische Ereignisse eintraten.
Ich konnte nicht ahnen, dass nur ein halbes Jahr später im Ansatz eintreten würde, was mir damals als vernünftige Lösung vorschwebte.
Weitere Schlussfolgerungen und mögliche Konsequenzen bieten sich an:
Der IMF hat seine Autonomie teilweise verloren, denn was China da treibt, liegt außerhalb des Einflussbereichs des IMF. Die Satzung des IMF verbietet zwar den Mitgliedsstaaten, ihre Währung an die SDR zu binden, sagt aber nichts über Gold. Im Übrigen waren die SDR 1969 bei Gründung des IMF schon einmal an das Gold gebunden, bis die USA ihre Deckungszusage für den USD aufkündigten. Schon als China dem IMF beitrat, durfte man annehmen, dass es nicht lange am Katzentisch sitzen und dem Geschehen zusehen würde. Der Machtanspruch Chinas erlaubt das nicht. Man kann daher annehmen, dass es bald zu einer Reform der Stimmrechte kommen oder der IMF in der Obskurität verschwinden könnte.
Auf dem Umweg über den Goldmarkt besteht nun die diskrete Möglichkeit, den Dollarkurs zu steuern, ohne dass dies auffällt oder als Währungsmanipulation ausgelegt werden könnte. Mit Gold-Arbitrage zwischen Schanghai (CNY) und London/Chicago (USD) können gewaltige Beträge zwischen diesen Währungen verschoben werden, ohne den Goldpreis nennenswert zu beeinflussen. Das blieb sicher auch China nicht verborgen, wie das folgende Beispiel illustriert:
Am 30. Juli 2019 beschloss die FED – wohl auf Druck von Trump – eine Umkehr ihrer Politik und am selben Tag kündigte Trump auch neue Zolltarife im Handelskrieg an. Eigentlich war zu erwarten, dass Dow-Jones und Dollarkurs positiv darauf reagieren würden, denn das war ja der Zweck dieser Maßnahmen. In der nächsten Nacht – wegen der Zeitunterschiede die Nacht zum 01.08.2019 – spielte sich dann Folgendes ab:
Die Uhrzeiten sind MEST. Zu diesen Stunden zwischen ein Uhr und acht Uhr MEST ist China allein auf dem Markt. Der Dollar wurde wider Erwarten stärker und Gold brach ein. In Folge verlor der Dow-Jones während der nächsten Handelstage rund 1500 Punkte statt wie allseits erwartet weiter zu steigen, und Trump zog seine soeben verkündeten verschärften Zolltarife auf unbestimmte Zeit zurück „damit die Amerikaner ihre Weihnachtseinkäufe noch billig erledigen können“. Das ist amerikanische Wirtschaftspolitik made in China.
Ähnlich abrupte parallele oder gegenläufige Kursbewegungen bei USD und Gold sind im Übrigen inzwischen schon eher die Regel als die Ausnahme. Anhand der Tagescharts liegt außerdem die Vermutung nahe, dass China im Verlauf der letzten drei Jahre potente Gegenspieler gefunden hat, die versuchen, den Goldpreis kurz zu halten.
Es ist weiter zu vermuten, dass der gesteuerte Kursanstieg des Goldes vom Mai bis August 2019 sich wiederholen könnte, bis der Goldpreis dort ist, wo ihn China haben will. Ob und wie weit dies die Finanzwelt beeinflussen wird, vermag ich nicht zu beurteilen. Schon möglich, dass da die Luft für Gold-Habenichtse dünn wird.
Die künftige Weltwährung wird vermutlich von China beherrscht werden und Gold-basiert, jedoch wohl in weiser Zurückhaltung eher nicht der CNY sein.
In summa kann man die Ansicht vertreten, dass das monetäre Endspiel bereits im Gange sei. Ich will hier nicht polemisieren, halte es jedoch für an der Zeit, im Fachdiskurs (z. B. Dr. Stelter) nicht mehr nur die gegenwärtige verfahrene Situation zum n‑ten Mal auszuloten. Wir sollten erörtern, wie ein neues Währungssystem auf Goldbasis und ohne Wachstumszwang, der nicht länger leistbar ist, in den hoch entwickelten Staaten aussehen könnte und wie der Übergang dahin zu bewältigen sei.
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