Merkel zu Besuch bei Putin — Was sind die Ergebnisse?

Bun­des­kanz­lerin Merkel war am Samstag auf Arbeits­besuch bei Prä­sident Putin in Moskau. Die Gespräche dau­erten wesentlich länger, als geplant, über die Ergeb­nisse wurde jedoch fast nichts bekannt. Inter­essant war die gemeinsame Pres­se­kon­ferenz aus­ge­rechnet wegen einer Antwort von Merkel.

Die Liste der Themen, die bei dem Treffen auf der Tages­ordnung standen, war lang. Es ging natürlich um den Iran, es ging um Libyen und um Syrien, während die Ukraine auf­grund der aktu­ellen Ent­wick­lungen wohl nur eine Neben­rolle gespielt hat. Es gab auch noch deutsch-rus­sische Themen wie Nord Stream 2 und viel­leicht ging es auch den Tier­gar­tenmord.

Das Treffen dauerte wesentlich länger, als erwartet. Es begann um 14.30 Uhr Mos­kauer Zeit und erst nach 18 Uhr traten die beiden vor die Presse.

Die Pres­se­kon­ferenz war erstaunlich nichts­sagend (sie ist am Ende des Artikels mit Über­setzung ver­linkt). Jour­na­listen aus beiden Ländern durften je zwei Fragen stellen, es waren also nur vier Fragen zuge­lassen. Das ist bei solchen Pres­se­kon­fe­renzen aber ganz normal.

In der Pres­se­kon­ferenz war die Rede von „scharfen“ Gesprächen gewesen, also von kon­tro­versen Gesprächen, aber Putin und Merkel haben dann bei der Pres­se­kon­ferenz erstaunlich viel Einigkeit gezeigt. Es war fast schon auf­fällig, dass sie bei all der Einigkeit immer wieder extra darauf hin­weisen musste, dass es auch Unei­nigkeit zwi­schen ihnen gibt. Obwohl in der Sache nicht viel gesagt wurde — auch Putin blieb weit­gehend bei bekannten Standard-Ant­worten und Merkel nutzte ihr übliches Arsenal an Wort­hülsen — war das ein ganz anderes Bild, als früher. Auf dem Höhe­punkt der Ukraine-Krise zum Bei­spiel hatte Merkel Russland bei so einer Gele­genheit noch offen „Ver­brechen“ im Zusam­menhang mit der Krim vor­ge­worfen, während Putin neben ihr stand.

Inter­essant war eine Frage, die dann von RTL an Merkel gestellt wurde. Die Jour­na­listin bezog sich auf die vielen genannten Gemein­sam­keiten und fragte Merkel, ob man sich in Zukunft ein­stellen müsse, „dass wir Koope­ra­tionen zwi­schen Russland und der EU sehen werden, in einigen Fragen dann unter Umständen auch gegen die USA“.

Merkels Antwort war sehr bemer­kenswert. Sie ant­wortete — wie immer — mit ihren Wort­hülsen und räumte gemeinsame Inter­essen mit Russland ein. Inter­essant war aber, was sie nicht gesagt hat: Das Wort „nein“ fehlte. Sie hat also auf die direkte Frage, ob es auch Koope­ra­tionen gegen die USA geben könnte, das nicht ausgeschlossen.

Man sollte deshalb nicht morgen einen radi­kalen Poli­tik­wechsel erwarten, aber es war sehr uner­wartet, dass Merkel die Mög­lichkeit von Koope­ra­tionen zwi­schen Russland und der EU gegen die USA mit keinem Wort aus­ge­schlossen hat.

Über­haupt habe ich, wenn ich Treffen von Merkel und Putin beob­achte, durchaus das Gefühl, dass sich beide in wesentlich mehr Punkten einig sind, als sie öffentlich zuge­geben. Putin erwähnt aus­ge­rechnet Merkel bei Podi­ums­dis­kus­sionen immer wieder positiv, aber nie negativ. Und er hat auch schon mal deutlich gesagt, dass Merkel sich seiner Meinung nach manchmal über die „man­gelnde Sou­ve­rä­nität“ ärgert. Im Klartext: Putin hat den Ein­druck, dass Merkel manchmal anders handeln möchte, als sie es auf­grund der USA und ihrer Macht über Deutschland tun muss. Zu solchen Aus­sagen Putins gibt es einige Bei­spiele in meinem Buch über Putin.

Aber zurück zu den Themen des Treffens. Man kann über das lange Gespräch der beiden nur spe­ku­lieren, aber beide haben sich für den Erhalt des Atom­ab­kommens mit dem Iran aus­ge­sprochen, obwohl die USA wollen, dass auch die Europäer das Abkommen verlassen.

Bei Libyen haben sich beide für eine Waf­fenruhe aus­ge­sprochen, aber sie dürften doch auch unter­schied­liche Ansichten über die Vor­gänge in dem Land haben.

Im Fall der Ukraine haben sich beide für den Erhalt des Minsker Abkommens aus­ge­sprochen. Das war ein klares Signal an Kiew, denn dort möchte man das Abkommen ver­ändern. Dem hat Merkel eine Absage erteilt, ohne das freilich offen zu sagen.

Auch Nord Stream 2 wollen beide erhalten und vor allem Merkel betonte mehrmals, dass es kein poli­ti­sches, sondern ein rein wirt­schaft­liches Projekt ist. Diese Argu­men­tation legen die deut­schen Medien sonst immer den Russen in den Mund.

Über den Tier­gar­tenmord haben die beiden kein Wort verloren.

Hier ist für alle Inter­es­sierten die gesamte Pres­se­kon­ferenz mit deut­scher Übersetzung.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“