Das Amtsblatt für Brandenburg machte vor wenigen Tagen offiziell, worüber schon überall geschrieben und berichtet wird: Tesla will in Brandenburg die berühmt-berüchtigte „Gigafabrik“ für seine Stromer bauen. Das Landesumweltamt hat das Genehmigungsverfahren für die geplante Fabrik nun eröffnet. Der Finanzausschuss des Brandenburger Landtags hat den Kaufvertrag für das Gelände der geplanten Fabrik des US-Elektroautoherstellers Tesla bereits abgenickt. Der geplante Produktionsstart soll Juli 2021 sein. Das ist „mehr als ambitioniert“, meinen Fachleute.
Nichtsdestotrotz hat Tesla schon Stellenanzeigen geschaltet. Die Politik jubelt, denn sie sieht Tausende neue Jobs für Berliner und Brandenburger und die Kommune wartet auf die satten Gewerbesteuern. „Der Landkreis Oder-Spree schätzt die Zahl der ‚von Tesla angezogenen‘ Zuzügler auf 50.000 bis 100.000 Menschen“, schreibt die Welt. Nur zeigen die Stellenanzeigen, dass man ganz gezielt auch polnische Mitarbeiter sucht. Das bietet sich an, denn die Grenze ist nur 60 Kilometer entfernt vom Werk.
„Zu den ersten Jobanzeigen von Tesla für die Fabrik im Großraum Berlin gehören zwei Stellen in der Personalabteilung.„Recruitment Operations Coordinator“ suchen Musks Leute, die sollen dann weitere Mitarbeiter anwerben. Mitbringen müssen die Kandidaten für die Stellen eine Schlüsselqualifikation: Sie sollen nicht nur fließend Deutsch und Englisch sprechen – sondern auch Polnisch. (…) unter anderem müssen Kandidaten ein „brennendes Verlangen haben, für die coolste Firma des Planeten zu arbeiten“.
Wenn der Kauf zustande kommt, wird Tesla 41 Millionen Euro für das Grundstück in Grünheide bezahlen. Der Rohbau ist auf weitere 650 Millionen Euro taxiert, der gesamte, erste Bauabschnitt soll 1,065 Milliarden Euro kosten. Außerdem gibt es Neuigkeiten. Tesla wird hier in Grünheide seine Modelle ‚Kompaktlimousine Model 3‘, der ‚Kompakt-SUV Model Y‘ und später noch weitere, zukünftige Modelle produzieren. 500.000 Fahrzeuge sollen hier jährlich vom Band laufen. Eine Gießerei und ein Presswerk werden hier gebaut, auch der Karosseriebau und die Lackiererei sollen in Grünheide stattfinden. Weiters sind die Fertigungsbereiche für den Zusammenbau der Batterien, die Autositze, die Antriebstechnik, die Kunststoffbauteile und die Endmontage hier geplant. Das Bauvorhaben schließt auch ein Versorgungsgebäude, eine Logistikhalle und eine Abwasserbehandlungsanlage sowie einen Parkplatz für die Mitarbeiter ein.
Was vermissen wir da? Tesla denkt gar nicht daran, seinen eigenen Strom zu erzeugen. Anders als im Tesla-Werk in Nevada, USA, sind keine Solardächer geplant und auch keine Windenergie. Dafür soll ein Erdgaskraftwerk für die nötige Energie in der Gießerei und in den Trockenkammern der Lackieranlagen und die Beheizung der Gebäude sorgen. So heißt es in den Plänen und Unterlagen, die noch bis zum Beginn des Februars in vier Orten in der Region öffentlich ausliegen. So richtig „öko“ ist das alles nicht gerade. Für die Produktion reicht die eigene Stromproduktion bei weitem nicht aus. Das Werk wird nach jetzigen Berechnungen 109 Megawatt Fremdstrom benötigen.
Die Ausmaße der Fabrik sind beachtlich: Die große Produktionshalle wird fast 750 Meter lang und über 300 Meter breit sein. Sie wird eine Grundfläche von 380.000 Quadratmetern bedecken. Dafür sollen schon gleich, als erster Schritt, 90 Hektar Wald gerodet werden. Das werde bis März geschehen. Zurzeit wird in dem Gelände, das für den ersten Rodungsabschnitt markiert und abgesteckt ist, eine Schneise geschlagen. Der Minenräumdienst hat seine Prüfung schon durchgeführt. Letztendlich sollen es aber 300 Hektar Wald werden, die den Kettensägen und Holz-Harvestern zum Opfer fallen. Wir dürfen gespannt sein, ob sich dort auch Ökoaktivisten an die Bäume ketten werden und Schlachten mit der Polizei liefern.
Schlimmer noch als das, sollen später täglich 500 LKWs dort ein und aus fahren und sechs Güterzüge. Es liegen noch ältere Bahngeleise an der Ostseite des Geländes, doch sie sind schon eine Weile ungenutzt und haben Rost angesetzt. Tesla wird die Schienen erst wieder betriebsbereit machen müssen und die Sträucher entfernen. Die Rodungsarbeiten und später das Donnern der LKWs dürfte dem noch stehenden Ökosystem Wald drumherum übel mitspielen. Kein Wunder, dass sich die Bewohner der Region große Sorgen machen.
Was eine Zubetonierung von fast 300 Hektar mit dem Grundwasserspiegel und dem Trinkwasser machen wird, ist vollkommen offen. Welche Emissionen das Werk in die Luft oder auch den Boden entlässt, ebenfalls, genau wie die Auswirkungen auf das Ökosystem Wald.
Von den Grünen kommt kein Wort gegen diese Waldvernichtung. Na, sicher, geht es doch um das heilige Elektroauto.
Doch es formiert sich Protest und Widerstand von den Bewohnern der Region. Nicht nur die Trinkwasserqualität wird leiden, auch die Tatsache, dass das Tesla-Werk seinen Wasserbedarf ebenfalls anfangs aus dem öffentlichen Trinkwassernetz entnehmen will. Tesla braucht den Unterlagen zufolge 372 Kubikmeter pro Stunde und entsorgt 252 Kubikmeter Abwasser pro Stunde in die Kläranlage des Wasserverbandes Strausberg-Erkner. Später soll die Versorgung über einen eigenen Brunnen auf dem Gelände geleistet werden, was erhebliche Mengen aus dem Grundwasser entnimmt. Teile des Tesla-Standortes befinden sich überdies in einem Wasserschutzgebiet. Die Wasserversorgung der in der Nähe liegenden Naturschutzgebiete wäre bedroht. Jetzt schon, bei bisher moderatem Zuzug von neuen Einwohnern in dieser Region, nimmt die Grundwassermenge stetig ab. Was geschieht, wenn das Autowerk wirklich 100.000 Mitarbeiter und damit zigtausende neue Anwohner anzieht?
Der Nabu prüft derzeit die ausliegenden Unterlagen des Bauprojektes. „Wir werden uns genau ansehen, ob die rechtlichen Vorgaben eingehalten werden“, sagt Friedhelm Schmitz-Jersch, Landesvorsitzender des Nabu in Brandenburg. Gegen den Standort hat er aber grundsätzlich nichts einzuwenden. Er weiß, Tesla wird entweder an diesem Ort bauen oder gar nicht in Brandenburg. Aber die Politik sollte die Sorgen der Menschen vor Ort wirklich ernst nehmen, meint er. Die Menschen wollten die Sicherheit, dass sich ihre Wohn- und Lebensbedingungen nicht grundlegend änderten.
Die Eile, in der jetzt schon Bäume gefällt werden, ärgert Wilhelm Schäkel. Mitglied des BUND-Landesvorstandes. Ihm erscheint es als „abstrus“, jetzt schon Bäume zu fällen, obwohl es noch keine Genehmigung für das Bauvorhaben gibt.
„Da es rechtlich zulässig ist, werde der BUND nicht versuchen die Rodung zu verhindern, sagte er. Bis Ende Februar muss gerodet werden. Das Genehmigungsverfahren läuft aber noch bis in den März.“
Eine Bürgerinitiative gegen die „Tesla-Giga-Fabrik“ hat sich schon gegründet. Sie plant Protestaktionen und startete ihre Arbeit mit einem „Waldspaziergang“ auf dem Gelände. Für weitere Aktionen sucht die Initiative noch Mitstreiter. Wer sich dafür interessiert, kann am Samstag, den 18. Januar auf dem Marktplatz um 11 Uhr an der Demo teilnehmen und sich informieren. Die „Volksinitiative Rettet Brandenburg“ schrieb:
„Die in Gründung befindliche Bürgerinitative Grünheide hat um unsere Unterstützung gebeten.
Bitte holt eure Transparente heraus oder malt euch welche und kommt am Samstag mit nach Grünheide. Die geplante Vernichtung von Wald, von Arten, von Naturschutzgebieten, von Trinkwasserreservoirs dürfen wir nicht zulassen. Dieses Bauvorhaben orientiert sich nicht am Wohl von Mensch und Natur.
Für den Bau von elektrischen Luxuskarossen sollen mehrere hundert Hektar Wald abgeholzt werden. Da geht es um sehr viel mehr als nur um irgendwelche Waldameisen oder artenarmen Kiefernwald.
Diese Firma (Tesla) hat gar kein Geld, schreibt rote Zahlen, hat für ihre Gigafactory in den USA gerade einen Investitionsstopp verfügt. Es kann gut sein, dass nach dem Kahlschlag da (in Grünheide) gar nichts mehr passiert.
Diese Vernichtung unserer Lebensräume dürfen wir nicht zulassen.
Kommt nach Grünheide!
Lasst und am kommenden Samstag gegen dieses Vorhaben demonstrieren.
Beste Grüße
Helga Ehresmann
Tel. 0151 58177973
Volksinitiative Rettet Brandenburg
Du muss angemeldet sein, um einen Kommentar zu veröffentlichen.