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Li Wen­liang: Warner und Held von Wuhan (+Videos)

Die Geschichte von Li Wen­liang zeigt die Pro­bleme des Systems China:

Vor wenigen Tagen ist der Augenarzt Li Wen­liang an einer Infektion mit dem Corona-Virus gestorben. Er war einer der Ersten, die die Epi­demie-Gefahr „Coro­na­virus“ erkannte und alar­mierte bereits am 30. Dezember über das Internet befreundete Ärzte. Die Polizei küm­merte sich sofort um ihn. Er habe mit fal­schen Angaben die öffent­liche Ordnung ernsthaft bedroht. Diese dro­hende Haltung und die Ein­schüch­terung der Behörden machte der cou­ra­gierte Arzt eben­falls öffentlich. Damit wurde klar, dass die Behörden die wahren Gefahren und das Ausmaß der Seuche vertuschten.

Li Wen­liang ist tot. Er starb eben­falls an einer Corona-Infektion, die er sich bei einer infi­zierten Pati­entin geholt hatte. Es starb letzten Don­nerstag. Sein Tod scheint auch wieder von Ver­tu­schungs­maß­nahmen begleitet. Die Zeit schreibt:

„In Chinas sozialen Medien wird nun darüber spe­ku­liert, dass die Behörden Lis Ärzte noch weit nach Mit­ter­nacht zu Ret­tungs­maß­nahmen ange­halten haben, um vor­zu­täu­schen, er sei noch am Leben – obwohl Mel­dungen zufolge Lis Herz schon am Don­ners­tag­abend um 21.30 Uhr auf­gehört haben soll zu schlagen.“

Stun­denlang soll es im Internet ein Hin und Her von Zeit­an­gaben über den Todes­zeit­punkt Li Wen­liangs gegeben haben. Die Global Times habe den Tod um 22:30 gemeldet, Dann hieß es, er sei noch am Leben. Nach Mit­ter­nacht wie­derum mel­deten Jour­na­listen, er sei um 00:04 Uhr gestorben, was die Klinik demen­tierte. Die Behörden gaben letzt­endlich bekannt, er sei um 02:58 Uhr ver­storben. Der mutige Arzt war ein Held in den Augen des Volkes. Selbst die Regierung sah sich gezwungen, öffentlich ihr Beileid auszudrücken.

Nachdem die Par­tei­zeitung der Regierung den Tod berichtete, brach im chi­ne­si­schen, sozialen Netzwerk Weibo der Sturm los. Der Tod Li Wen­liangs war DAS Thema im Netz. Es gab sogar Kom­mentare wie: „Die­je­nigen, die sterben sollten, sind nicht gestorben, aber der, der nicht sterben sollte, ist gestorben“. Der Hashtag „#Wuh­an­Re­gie­rung­S­chul­det­Dok­tor­Li­Wen­li­ang­Eine­Ent­schul­digung“ wurde weg­zen­siert. Viele Nutzer ersetzten dar­aufhin ihr Pro­filbild als Zeichen der Trauer und des Pro­testes mit einer schwarzen Fläche.

Es war schon länger eine Art stiller Par­ti­sa­nen­krieg in den Sozialen Medien ent­brannt. Die jungen Leute in China sind alle bestens ver­netzt und in der digi­talen Welt zu Hause. Sie sind in einer Boomzeit auf­ge­wachsen und kennen die bittere Armut der Ver­gan­genheit nicht. In den chi­ne­si­schen Waren­häusern liegen die neu­esten Ent­wick­lungen der Technik und des digi­talen Fort­schrittes weit früher, als wir „im Westen“ über­haupt davon zu hören bekommen – und weit bil­liger. Der wach­sende Fort­schritt und Wohl­stand wurde der kom­pe­tenten, tüch­tigen Par­tei­führung zuge­schrieben. Die junge Gene­ration hatte größ­ten­teils Ver­trauen in die Regierung. Das scheint unwie­der­bringlich geschädigt zu sein.

Die Regierung erlebt nun, dass die Zen­sur­maß­nahmen gegen uner­wünschte Infor­ma­tionen nicht wirklich greifen. In Zeiten wie diesen wirken Ein­schüch­te­rungen ange­sichts des überall dro­henden Seu­chen­todes nicht mehr.

Hätten die Behörden Li Wen­liangs Warnung ernst genommen – und die anderer Ärzte auch —  wäre die Epi­demie nicht so massiv aus­ge­brochen. Viele Leben wären gerettet und China nicht an den Rand des huma­ni­tären und wirt­schaft­lichen Zusam­men­bruchs getrieben worden. Die Sozialen Medien fun­gieren als Mög­lichkeit der orga­ni­sierten Selbst­hilfe. Die User, so schreibt die Zeit, gehen jetzt die Pro­bleme in respekt­ge­bie­tender Weise selbst an:

„In der Krise mobi­li­sieren die Jün­geren eine bisher nicht gekannte Energie zur Selbst­hilfe – und sie orga­ni­sieren diese eben­falls oft über soziale Medien. Sie besorgen Atem­schutz­masken und bringen sie Kran­ken­häusern; sie stellen medi­zi­ni­schem Per­sonal Autos zur Ver­fügung; sie helfen Alten und Kranken, die zu Hause fest­sitzen, und ver­suchen, Flücht­linge aus Hubei zu unter­stützen. Unter großen Anstren­gungen bemüht sich die Zivil­ge­sell­schaft, die Lücke zu füllen, die man­gel­haftes Handeln der Behörden und deren offen­kundige Über­for­derung ange­sichts des Virus­aus­bruchs lässt.“

Wie auch im Westen, wird durch das Enga­gement der Men­schen vieles recher­chiert und auf­ge­klärt, was den Mäch­tigen nicht passt. In China sammeln sich die Infor­ma­tionen in Netz. Leute berichten aus den ersten Tagen des Auf­tau­chens der Corona-Virus-Epi­demie, was sie gesehen haben und was zu dieser Zeit in den staat­lichen Medien ver­breitet wurde – oder besser: eben nicht berichtet wurde. Es wird langsam immer deut­licher, wie ver­schleiernd, unan­ge­messen und unwillig die Behörden reagiert haben – bis Hun­derte (oder Tau­sende) von Toten später, Mitte Januar, das Desaster nicht mehr zu ver­tu­schen war.

Einen ganzen Monat wurde jeder Warner zum Schweigen gebracht, Nach­richten unter­drückt, erste Mel­dungen in den Sozialen Netz­werken weg­zen­siert, alles als „schäd­liches Gerücht“ von der Polizei ver­folgt. Die Ärzte in Kran­ken­häusern, die nicht direkt in die Behandlung der Infi­zierten ein­ge­bunden waren, erfuhren nichts und steckten sich zuhauf an, weil unge­schützt. Die behan­delnden Lun­gen­ärzte waren zum Schweigen ver­donnert worden.

Aber schon am 30. Dezember abends pos­teten einige Ärzte aus ver­schie­denen Kran­ken­häusern in ihren Gruppen wie Chainnews und „WeChat“ die Krank­heits­bilder der infi­zierten Pati­enten und dass die Behörden trotz aller Alarm­si­gnale dennoch jeg­liche Mel­dungen unter­drückten. Sie alar­mierten Kol­legen, dass hier Sym­ptome, wie bei SARS zu sehen seien und so gelangten diese Berichte auch unter dem Hashtag #WuhanSARS in das große Netzwerk Weibo, wo die Behörden die Posts sofort löschten.

Doch irgendwann mussten die Behörden Wuhans doch in den Kran­ken­häusern nach­fragen und dann eine Erklärung an die Öffent­lichkeit geben. Man gab 27 Infek­ti­ons­fälle zu. Dann erst wurde die Regierung in Peking auf­merksam. Plötzlich reagierte das System schnell und brutal. Am 1. Januar wurde der Fisch­markt geschlossen

Quelle: https://finance.sina.com.cn/china/gncj/2020–01-01/doc-iihnzhfz9652655.shtml

 

Ord­nungs­kräfte in Out­break-Anzügen machten alle Ver­kaufs­stände dicht:

Quelle: https://finance.sina.com.cn/china/gncj/2020–01-01/doc-iihnzhfz9652655.shtml

Gleich­zeitig ermit­telte die Polizei aber immer noch gegen diverse Per­sonen wegen des „Ver­breitens von Gerüchten“. Ver­haf­tungen von „Gerüch­te­streuern“ wurden im Fern­sehen gezeigt. Die Stadt­ver­waltung Wuhan meldete Anfang des Jahres fast zwei Wochen lang keine neuen Infek­ti­ons­fälle, wohl um den Ein­druck zu wecken, die mys­te­riöse Lun­gen­krankheit sei vorbei, und weil während dieser Zeit in der Stadt der Hubei-Volks­kon­gress stattfand. Tat­sächlich aber beför­derte das die weitere Ver­breitung der Lun­gen­seuche durch den hoch anste­ckenden Corona-Virus.

All das wurde durch die Sozialen Medien auf­ge­deckt und ver­breitet. Die Wut im Volk wächst rasant. Nicht nur die Ver­tu­schungs­ver­suche um das Todes­datum eines der „Helden von Wuhan“ sind der Aus­löser. Es ist das epo­chale Ver­sagen des Systems im Umgang mit einer Epi­demie. All das und die all­ge­gen­wärtige Zensur hat dem Virus Tür und Tor geöffnet und nun reagiert die Regierung gna­denlos: Jetzt werden Tür und Tor ver­riegelt an den großen Wohn­hoch­häusern, und die Leute sind gefangen in ihren Woh­nungen. Nur alle zwei Tage darf ein Fami­li­en­mit­glied jeweils hinaus, um Nah­rungs­mittel und Medi­ka­mente zu besorgen, wenn es welche gibt.

Ein Kran­kenhaus mit einer Kapa­zität von meh­reren Tausend Betten wurde innerhalb von zehn Tagen aus dem Boden gestampft. Es wird vom Mili­tär­per­sonal betrieben und die offi­zi­ellen Bilder zeigen ein enormes Auf­gebot an modernen Kran­ken­betten und Medizintechnik.

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In Qua­rantäne-Ein­rich­tungen dagegen gibt es zwar Tau­sende Betten, aber keine Toi­letten, keine Ärzte, keine Ver­sorgung. Und wer einmal drin ist, kommt nicht mehr raus. Im Grunde lässt man die Men­schen dort allein zum Sterben liegen.

In einer Situation wie dieser zeigen sich die Defizite eines „Kom­man­do­staates“, bei dem alles auf den starken Mann an der Spitze, Xi Jinping, hört. Die ver­schie­denen Behörden ver­tu­schen schlechte Nach­richten aus Angst vor Repres­salien. Niemand möchte seinen Kopf dafür hin­halten, dass er unwill­kommene Nach­richten bringt, die sind im chi­ne­si­schen Poli­zei­staat ver­boten. Daher wartet jeder auf ent­spre­chende Anwei­sungen von oben, die dann auch wort­getreu befolgt werden. In diesem Fall zeigte sich, dass die schlechten Nach­richten einer sich aus­brei­tenden Epi­demie viel zu spät „oben ankam“. Mutige Leute wie Li Wen­liang wurden als Gerüch­te­ver­breiter von der Polizei (fast) zum Schweigen gebracht. Er wurde ver­donnert, keine wei­teren Infor­ma­tionen mehr zu ver­öf­fent­lichen. Nun ist er selbst am Coro­na­virus gestorben. Die schreck­lichen Folgen tragen nun die Men­schen in China —  und viel­leicht sogar die ganze Welt.

Denn etwa fünf Mil­lionen Men­schen waren zu Beginn der ver­tuschten Epi­demie zum Neu­jahrsfest ins gesamte Land zu Familien und Ver­wandten gefahren und viele konnten, das Virus schon in sich tragend, in die Welt hinaus reisen. Dann aber, als die Nach­richt ange­kommen und ver­standen war, wurde das Steuer her­um­ge­rissen: Die Elf-Mil­lionen Metropole Wuhan wurde kom­plett abge­riegelt. Es wird noch lange dauern, bevor wir erfahren, was die wahren Zahlen dieser Kata­strophe sind. Denn auch andere Mil­lio­nen­städte sind prak­tisch zu Qua­ran­tä­ne­lagern gemacht worden.

Die Leute in den abge­rie­gelten Hoch­häusern in Wuhan stellen sich auf die Balkone und an die Fenster, hoch über den men­schen­leeren Straßen und singen Lieder, um sich gemeinsam Mut zu machen und rufen sich Nach­richten und Durch­hal­te­pa­rolen zu. Eine sehr seltsame Stimmung:

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