Mün­chener Sicher­heits­kon­ferenz — Was in deut­schen Medien nicht zu lesen war

Auf der Mün­chener Sicher­heits­kon­ferenz waren inter­es­sante Töne zu hören. Pompeo sprach über die rus­sische Bedrohung, Macron über eine Zusam­men­arbeit mit Russland.

Der deutsche Bun­des­prä­sident Stein­meier hat in seiner Rede Europa in den Mit­tel­punkt gestellt und den USA unter Trump vor­ge­worfen, eine „zunehmend destruktive Dynamik der Welt­po­litik“ zu befördern, wie man im Spiegel lesen konnte:

„Als Haupt­ver­ant­wort­liche dafür benennt er Russland, China und die USA. „Vom Ziel inter­na­tio­naler Zusam­men­arbeit zur Schaffung einer fried­li­cheren Welt ent­fernen wir uns von Jahr zu Jahr weiter“, warnt er. „In diesem Zeit­alter führt uns der Rückzug ins Nationale in eine Sack­gasse, in eine finstere Zeit.“

Aller­dings schlug Stein­meier nicht den logi­schen nächsten Schritt vor, nämlich sich von den USA zu eman­zi­pieren. Statt­dessen war Stein­meiers Rede wohl eher ein Spagat, denn einer­seits sprach er über eine „ver­tei­di­gungs­po­li­tisch hand­lungs­fähige EU“, ande­rer­seits setzte er voll auf die von den USA domi­nierte Nato:

„Für Deutschland ist die Ent­wicklung einer ver­tei­di­gungs­po­li­tisch hand­lungs­fä­higen EU ebenso unab­dingbar wie der Ausbau des euro­päi­schen Pfeilers der Nato“

Es war also im Grunde eine Kritik an US-Prä­sident Trump, aber nicht an den USA und es war keine Neu­aus­richtung und kein Umdenken in der Verteidigungspolitik.

US-Außen­mi­nister Pompeos Rede war da schon wesentlich kon­kreter. Der Kor­re­spondent des rus­si­schen Fern­sehens über­schrieb Pompeos Rede mit den Worten „im Westen nichts Neues„, denn die Rede war letztlich nur eine Wie­der­holung der alt­be­kannten US-Thesen über die angeb­liche „rus­sische Bedrohung“. Der Spiegel schrieb, die USA kün­digten an,

„die „Drei-Meere-Initiative“ mit einer Mil­liarde Dollar unter­stützen zu wollen. Diese sieht vor, dass zwölf mittel- und ost­eu­ro­päische Anrai­ner­staaten der Ostsee, des Schwarzen Meeres und des Mit­tel­meeres enger zusam­men­ar­beiten. Inves­ti­tionen der Pri­vat­wirt­schaft in den Ener­gie­sektor sollten gefördert werden.“

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Das klingt gut im Spiegel. Der Spiegel ging jedoch darüber hinweg, dass Pompeo hier sehr deutlich sagte, wofür die Mil­liarde gedacht ist. Die USA wollen mit dem Geld die angeb­liche „Abhän­gigkeit“ Europas von rus­si­schem Gas bekämpfen. Es geht also gegen Nord Stream 2 und ist nichts anderes, als eine Sub­vention für US-FRack­inggas, das Washington nach Europa ver­kaufen will. Das US-Gas ist jedoch nicht nur 30 Prozent teurer, als rus­si­sches Gas, es ist auch wegen der För­derung durch Fracking und den Transport auf Flüs­siggas-Tankern wesentlich umwelt­schäd­licher. Bemer­kenswert, dass deutsche Medien und Poli­tiker darauf nie hin­weisen, obwohl die Kli­ma­de­batte derzeit eines der wich­tigsten Themen für sie ist.

Der Spiegel hat darauf jedoch nicht hin­ge­wiesen und statt­dessen weit­gehend Pompeos Loblied auf die US-Politik zitiert:

„Die USA kämpfen für Sou­ve­rä­nität und Freiheit“, sagte Pompeo. „Wir sollten Ver­trauen in die trans­at­lan­tische Allianz haben. Der freie Westen hat eine leuch­tendere Zukunft als illi­berale Alternativen.“

„Die USA kämpfen für Sou­ve­rä­nität“, wird hier behauptet. Wie passt das aber zu fol­genden Äuße­rungen Pompeos, die eben­falls im Spiegel zu lesen waren:

„Pompeo sprach davon, dass die USA die Orga­ni­sation der ame­ri­ka­ni­schen Staaten stärken wolle und eine Koalition von 59 Staaten anführe, die den umstrit­tenen Prä­si­denten Vene­zuelas, Nicolas Maduro, aus dem Amt drängen wolle.“

Einem anderen Land vor­schreiben zu wollen, wer dort regiert, ist kaum mit „Sou­ve­rä­nität“ ver­einbar. Pompeos Rede war voller offen­sicht­licher Wider­sprüche und US-Pro­pa­ganda. Auch der Druck und die Sank­tionen gegen Nord Stream 2 zeigen, dass es den USA nicht um die Sou­ve­rä­nität der „Ver­bün­deten“ geht, sondern um das Gegenteil: Sie sollen als gehorsame Vasallen tun, was Washington ver­langt, auch wenn es ihnen schadet.

Dem Spiegel sind diese Wider­sprüche jedoch nicht auf­ge­fallen, er zitiert Pompeo statt­dessen weit­gehend unkom­men­tiert, gerade so, als sei der Spiegel nur der Sprecher des US-Außenministers.

Dass es den USA nicht um die Freiheit und Sou­ve­rä­nität ihrer Vasallen geht, die sich selbst gerne als „Ver­bündete“ bezeichnen, zeigten weitere Äuße­rungen von Pompeo:

„Erneut kri­ti­sierte der US-Außen­mi­nister die Pläne für die Ostsee-Gas­pipeline Nord­stream 2, die mehr rus­si­sches Gas nach West­europa bringen soll. Zudem warnte er vor Gefahren beim Ausbau der Mobil­funk­netze. Huawei gehöre zu den „tro­ja­ni­schen Pferden“ chi­ne­si­scher Sicher­heits­dienste, sagte er.“

Auch die gerade für Europa brand­ge­fähr­liche Kün­digung wich­tiger Abrüs­tungs­ver­träge durch die USA stellt Pompeo positiv dar und auch der Spiegel hatte daran mal wieder nichts zu kritisieren:

„Dem Rückzug der USA aus dem INF-Abrüs­tungs­vertrag mit Russland kann Pompeo der Nach­rich­ten­agentur AFP zufolge Gutes abge­winnen: Die „Glaub­wür­digkeit“ inter­na­tio­naler Waf­fen­kon­trolle sei wiederhergestellt.“

Was aber hat die Kün­digung von Abrüs­tungs­ver­trägen mit „Waf­fen­kon­trolle“ zu tun? Das ist das exakte Gegenteil, denn die Kün­digung von Abrüs­tungs­ver­trägen führt zwangs­läufig zu neuem Wett­rüsten. Das zeigt, dass Reden ame­ri­ka­ni­scher Poli­tiker nichts als das Dre­schen schöner Phrasen sind, die sich gut anhören, aber das Gegenteil von dem bedeuten, was sie sagen. Den Spiegel stört das nicht, er lässt auch das unkom­men­tiert stehen.

Inter­essant waren auch noch die Äuße­rungen von Macron, der eben­falls bei der Mün­chener Sicher­heits­kon­ferenz auf­ge­treten ist und über dessen Aus­sagen ich im Spiegel bisher nichts gefunden habe. Macron sagte zum Bei­spiel:

„Im Licht der geo­gra­fi­schen Lage ist Russland ein realer Partner Europas. Wir müssen mit Russland ein Ver­trau­ens­ver­hältnis aufbauen.“

Komi­scher­weise stand davon bisher nichts im Spiegel.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“