Erdogan labert Mist! Auf dem Bild: Erdogan (Rechtefrei) und ein dampfender Misthaufen: By Superbass - Own work, CC BY-SA 3.0, Link

Poli­ti­scher Amoklauf: Erdogan gegen den Rest der Welt

Erdogans Politik ist derzeit kaum zu ver­stehen. In Syrien hat er sich in eine Sack­gasse manö­vriert und steht im Grunde völlig iso­liert da. Was auch immer er erreichen will, es scheint weiter davon ent­fernt, denn je.

Erdogan hat es sich mit seiner Politik schon vor Jahren mit dem Westen ver­scherzt. Die Bei­tritts­ge­spräche zur EU finden nicht einmal mehr auf dem Papier statt und sowohl die EU, als auch die USA haben Sank­tionen gegen die Türkei ver­hängt. Der Tief­punkt war sicherlich der Putsch­versuch gegen Erdogan 2016, den kein west­licher Nato-Partner je kri­ti­siert hat. Statt­dessen haben die Nato-„Partner“ den Put­schisten Asyl gewährt. Ob Deutschland nach einem Putsch­versuch beim Nato-Partner Frank­reich den Put­schisten Asyl gewähren würde? Wohl kaum.

Es spricht alles dafür, dass die USA hinter dem Putsch­versuch standen. Erdogan kann seinen Nato-„Partnern“ also kaum allzu viel Ver­trauen ent­gegen bringen.

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Hinzu kommt, dass es aus­ge­rechnet Russland war, das Erdogan im letzten Moment vor dem Putsch gewarnt hat, sodass Erdogan einem Lynch­versuch nur knapp mit dem Hub­schrauber ent­kommen konnte. Zwi­schen Russland und der Türkei herrschte damals eine diplo­ma­tische Eiszeit, die aber nach dem Putsch schlag­artig vorbei war. Die Details dazu finden Sie hier.

Mit seiner offenen Unter­stützung für den syri­schen Al-Qaida-Ableger in Syrien und seinem offenen Kampf gegen syrische Regie­rungs­truppen hat Erdogan aber wohl den Bogen über­spannt. Wenn er darauf gebaut hat, Putin würde dem tatenlos zusehen, hat Erdogan sich ver­rechnet. In Syrien setzt Erdogan alles auf eine Karte und ris­kiert, auch Russland gegen sich aufzubringen.

Während die Kämpfe zwi­schen tür­ki­schen und syri­schen Truppen in Idlib immer hef­tiger werden, klopft Erdogan nun plötzlich wieder beim Westen an und will von der Nato Unter­stützung in Syrien. Abge­sehen davon, dass die Nato kaum wegen Erdogans Aben­teuern einen Krieg mit Russland ris­kieren würde, macht Erdogan auch hier alles falsch, was er falsch machen kann. Er will die Europäer mit Gewalt dazu bringen, ihn zu unter­stützen und setzt dabei auf die Flücht­linge als Druckmittel.

Am Freitag hat Erdogan die Grenzen zu Grie­chenland geöffnet und die Flücht­linge werden mit kos­ten­losen Bussen zur tür­kisch-grie­chi­schen Grenze gefahren. Dort gibt es nun massive Zusam­men­stöße mit der grie­chi­schen Polizei, die sie auf­halten soll.

Aber auch diese Rechnung ging nicht auf. Die Nato hat Erdogan die kalte Schulter gezeigt. Es kam nicht einmal eine gemeinsame Erklärung zu Stande, die der Türkei zumindest mora­lische Unter­stützung hätte geben können. Nach Medi­en­be­richten hat Grie­chenland, das von der Türkei mit Flücht­lingen geflutet werden soll, eine fertige Erklärung mit seinem Veto gestoppt.

Am Freitag haben Erdogan und Putin tele­fo­niert, aber dabei ist nichts her­aus­ge­kommen. Die Pres­se­meldung des Kreml sagte nur, man habe über die Situation gesprochen. Am Samstag hat Erdogan bei einem Auf­tritt dazu gesagt:

„Gestern fragte ich Putin, was sind Ihre Ziele dort? Wenn Sie eine Mili­tär­basis bauen wollen, tun Sie das, aber ziehen Sie Ihre Truppen von unseren weg. Ich habe ihm gesagt, er soll uns mit dem Regime allein lassen.“

Man muss Putin nicht mögen, aber es ist kaum denkbar, dass er so mit sich reden lässt und dass das Erfolg haben könnte. Für den fünften oder sechsten März ist ein Treffen zwi­schen Putin und Erdogan geplant. Es bleibt abzu­warten, ob es dabei zu einer Einigung kommt. Wenn ja, müsste einer der beiden im großen Stil nach­geben. Danach sieht es momentan nicht aus.

Die Türkei scheint sich derzeit kom­plett zu iso­lieren, ich wüsste kein Land, dass die der­zeitige Politik Erdogans unter­stützt. Sicher, die USA freuen sich, wenn Erdogan und Putin sich zer­streiten und daher dürften sich in Washington einige in stiller Scha­den­freude die Hände reiben. Aber gleich­zeitig machen die USA keine Anstalten, zum Bei­spiel die Sank­tionen gegen die Türkei zu lockern. Die USA freuen sich, wenn die Türkei sich selbst iso­liert, weil sie dann erfolg­reicher Druck auf Erdogan ausüben können.

Ent­weder habe ich hier also irgendwas ganz und gar nicht ver­standen, oder Erdogan macht tat­sächlich derzeit eine unglaublich dumme Politik, mit der er in erster Linie sich selbst schadet.


Thomas Röper — www.anti-spiegel.ru

Thomas Röper, Jahrgang 1971, hat als Experte für Ost­europa in ver­schie­denen Ver­si­che­rungs- und Finanz­dienst­leis­tungs­un­ter­nehmen in Ost­europa und Russland Vor­stands- und Auf­sichts­rats­po­si­tionen bekleidet, bevor er sich ent­schloss, sich als unab­hän­giger Unter­neh­mens­be­rater in seiner Wahl­heimat St. Petersburg nie­der­zu­lassen. Er lebt ins­gesamt über 15 Jahre in Russland und betreibt die Seite  www.anti-spiegel.ru. Die Schwer­punkte seiner medi­en­kri­ti­schen Arbeit sind das (mediale) Russ­landbild in Deutschland, Kritik an der Bericht­erstattung west­licher Medien im All­ge­meinen und die Themen (Geo-)Politik und Wirtschaft.

Thomas Röper ist Autor des Buches „Vla­dimir Putin: Seht Ihr, was Ihr ange­richtet habt?“