Sudan als Ver­suchs­ka­ninchen für Bar­geld­ab­schaffung, uni­ver­selles Grund­ein­kommen und Totalüberwachung

Sudan hat eine Über­gangs­re­gierung, die auf das Wohl­wollen der USA ange­wiesen ist. Was liegt da näher, als das Land für den bisher größten Feld­versuch ein­zu­setzen, eine ganze Bevöl­kerung per Bar­geld­ab­schaffung und ein all­ge­meines Mini-Grund­ein­kommen an die digitale Leine zu legen.

Seit einigen Jahren fördern und bewerben Weltbank, Better Than Cash Alliance und ver­schiedene UN-Orga­ni­sa­tionen massiv die rein digitale Über­mittlung finan­zi­eller Hilfen für Bedürftige in armen Länder. Erklärte Ziele sind Kos­ten­ein­sparung und Ver­meidung von Kor­ruption und Dieb­stahl, sowie “finan­zielle Inklusion”.

Letz­teres ist der wahre Haupt­grund, aller­dings nicht in der harm­losen Bedeutung, jedem die Chance auf ein Bank­konto zu geben, sondern in der Bedeutung, jeden “ins System zu bringen”, wie der Chef von Paypal, Dan Schulman, das 2015 auf einem Financial Inclusion Forum in Washington defi­niert hat.

Das System ist das­jenige, in dem Paypal, Microsoft und Co. mit jeder Trans­aktion Geld ver­dienen können und, wie Microsoft-Gründer Bill Gates auf der gleichen Ver­an­staltung deutlich machte, in dem die US-Regierung jede Trans­aktion spei­chern, nach­ver­folgen und bei Bedarf blo­ckieren kann.

Nachdem Indien erfolg­reich als Ver­suchs­ka­ninchen sowohl für die (zeit­weise) Bar­geld­be­sei­tigung als auch die bio­me­trische Erfassung einer Mil­li­ar­den­be­völ­kerung in einer zen­tralen Datenbank her­ge­halten hat, ist nun Sudan an der Reihe. Hier wird aus­pro­biert, wie gut man eine in Teilen rebel­lische und fun­da­men­ta­lis­tische Bevöl­kerung eines großen, wenig ent­wi­ckelten Landes mit digi­talen Almosen “ins System bringen” und kon­trol­lieren kann.

Die Better Than Cash Alliance triumphiert

Aus­gangs­punkt dieser Recherche war ein Tweet der Better Than Cash Alliance (Besser-als-Bargeld-Allianz)  in dem diese die Selbst­ver­pflichtung des Sudan lobte, den Übergang vom Bargeld zum digi­talen Zah­lungs­verkehr zu beschleu­nigen. In dieser 2012 gegrün­deten Allianz haben sich US-Regierung, Visa, Mas­tercard, Citibank und Bill & Melinda Gates Stiftung als Kern­mit­glieder zusam­men­getan, um die welt­weite Bar­geld­be­sei­tigung voranzutreiben.

Sie arbeitet dabei eng mit der von der Weltbank gelei­teten Con­sul­tative Group to Assist the Poor (CGAP) zusammen, deren Kern­mit­glied­schaft sich mit der Better Than Cash Alliance überschneidet.

Die Better Than Cash Alliance ver­kündete am 10. Juni in einer Pres­se­er­klärung mit ihrem typi­schen fal­schen Welt­ver­bes­se­rungs­pathos (durch­gängig meine Übersetzungen):

Als Teil seiner Vision von der Trans­for­mation seiner Wirt­schaft hat die Republik Sudan heute eine neue Selbst­ver­pflichtung ver­kündet, den Übergang von Bargeld zu digi­talem Bezahlen zu beschleu­nigen. Indem sie der Better Than Cash Alliance bei­tritt, ver­pflichtet sich die Regierung die finan­zielle Inklusion und Trans­parenz zu ver­größern und Schritte hin zu einer Wirt­schaft zu machen, von der alle Bürger pro­fi­tieren. Weg vom Bargeld und hin zu ver­ant­wort­lichem digi­talen Bezahlen zu kommen ist zentral für die Stra­tegie der Regierung zur wirt­schaft­lichen Erholung und Reform.

Mit Trans­parenz ist bessere Über­wa­chung der Geld­ströme gemeint. Der Sudan ist ein Land mit einer durch Terror, Bür­ger­krieg und US-Sank­tionen zer­störten Wirt­schaft. Es wäre ganz schön mutig, in dieser Situation die Bar­geld­be­sei­tigung zum zen­tralen Pfeiler der Wirt­schafts­po­litik zu machen.

Aber man macht das ja nicht frei­willig sondern unter mas­sivem Druck und mit einer Karotte, die vor der Nase baumelt. Die Karotte hat das Kürzel SFSP und heißt aus­führlich und über­setzt Sudan Familien-Unter­stüt­zungs­pro­gramm. Es wird von der Weltbank bezahlt. Die Better Than Cash Alliance schreibt darüber:

Digitale Bezahl­ver­fahren werden von zen­traler Bedeutung für den Erfolg des jüngst ver­kün­deten Sudan Familien-Unter­stüt­zungs­pro­gramms sein, das monat­liche, direkte und digitale Zah­lungen für rund 80 Prozent aller suda­ne­si­schen Familien bieten wird.

Es sind 32 Mil­lionen Men­schen, die hier auf ein Mini-Grund­ein­kommen gesetzt werden sollen. Nach einem Weltbank-Dokument von April soll das Welt­bank­projekt P173521 mit dem Namen Sudan Familiy Support Pro­gramme am 16. Juni vom Vor­stand der Weltbank genehmigt werden. Ob der Bei­tritt der suda­ne­si­schen Regierung zur Better Than Cash Alliance am 10. Juni damit etwas zu tun hat? Man darf es stark vermuten.

Bereits am 29. Mai hat die Regierung ein Abkommen mit dem Welt­ernäh­rungs­pro­gramm der UN geschlossen, nach dem das Welt­ernäh­rungs­pro­gramm das Familien-Unter­stüt­zungs­pro­gramm mit tech­ni­scher Hilfe unter­stützt. Dass das Geld im Wesent­lichen von der Weltbank kommt, und es sich um ein Weltbank Projekt handelt, sollen die Suda­nesen offenbar nicht wissen.

Jeden­falls hieß es in der Mit­teilung des Welt­ernäh­rungs­pro­gramms und den darauf auf­bau­enden Medi­en­be­richten, dass dies eine der wich­tigsten Unter­neh­mungen der Über­gangs­re­gierung sei und dieses von der Regierung und Partnern finan­ziert werde. Auch die Better Than Cash Alliance erwähnte die Weltbank in ihrer Pres­se­er­klärung nicht. (Absatz 20 Uhr eingefügt)

Die Weltbank ist zwar eher knau­serig bei der Bemessung dieses Grund­ein­kommens. Es soll fünf Dollar pro Person und Monat betragen. Aber das Kalkül ist wohl, dass die Men­schen, die man ins System bringen will, arm genug sind, dass fünf zusätz­liche Dollar im Monat die meisten zur Betei­ligung an diesem Pro­gramm moti­vieren können.

Die Better Than Cash Alliance nennt sich wie üblich in ihrer Pres­se­mit­teilung “UN-basiert”, um ihren Akti­vi­täten den Anschein der Zuge­hö­rigkeit zur UN zu geben. Dabei hat sie nur eine kleine, selb­ständige UN-Unter­or­ga­ni­sation namens UNCDF mit groß­zü­gigen Spenden dazu gebracht, ihr in den eigenen Räumen ein Sekre­tariat einzurichten.

Ein erpress­bares Land mit Regie­rungs­per­sonal, das man kennt

Die Republik Sudan ist mus­li­misch geprägt und hat ein großes Problem mit fun­da­men­ta­lis­ti­schen Gruppen, Hun­gers­nöten und Bür­ger­kriegen. Trotz des für afri­ka­nische Ver­hält­nisse recht ordent­lichen Brut­to­in­lands­pro­dukts pro Kopf lebt wegen der extrem ungleichen Ver­teilung ein Großteil der Bevöl­kerung in bit­terer Armut.

Die USA führen das Land mit Nord­korea, Iran und Syrien auf ihrer Liste der staat­lichen Ter­ror­un­ter­stützer, was bewirkt, dass es von inter­na­tio­nalen Orga­ni­sa­tionen wie Weltbank und IWF und auch von anderen Regie­rungen tra­di­tionell kaum finan­zielle Unter­stützung bekommt. Seit sich 2011 der ölreiche Süd­sudan abge­spalten hat, herrscht chro­nisch schwerer Devisenmangel.

Im letzten Jahr wurde nach mona­te­langen Pro­testen und Demons­tra­tionen erst durch einen Mili­tär­putsch der Mili­tär­dik­tator Omar al-Bashir abge­setzt und dann der neuen Junta eine gemeinsame Über­gangs­re­gierung von Pro­test­be­wegung und Militär abge­rungen, die seit Sep­tember 2019 regiert.

Die Selbst­ver­pflichtung zur Bar­geld­ab­schaffung und der Bei­tritt zur Better Than Cash Alliance sind ein Werk des Über­gangs-Finanz­mi­nisters Ibrahim Elbadawi. Der in den USA aus­ge­bildete Ökonom hatte zuvor viele Jahre für die Weltbank in Washington gearbeitet.

Seit 2009 ist er außerdem Gast­wis­sen­schaftler (Visiting Research Fellow) am maß­geblich von der Bill & Melinda Gates Stiftung finan­zierten Center for Global Deve­lo­pment in Washington, das ganz im Sinne seiner größten Geld­ge­berin intensiv daran arbeitet, zu zeigen, wie gut und wichtig “digitale finan­zielle Inklusion” für arme Länder ist.

Regie­rungschef Abdalla Hamdok, ist ein in Groß­bri­tannien aus­ge­bil­deter Ökonom der zuvor für die UN gear­beitet hat, als Stell­ver­tre­tender Exe­ku­tiv­di­rektor der Wirt­schafts­kom­mission für Afrika (Streben der Finanz­eliten: Der Weg zur bar­geld­losen Gesell­schaft ist mit Schulden gepflastert).

Im Dezember 2019 zeigte sich das Tau­wetter im Ver­hältnis der USA zu Sudan darin, dass Premier Hamdok zu einem sechs­tä­gigen Besuch nach Washington ein­ge­laden wurde, wo er sich unter anderem mit Ver­tretern des US-Außen­mi­nis­te­riums, sowie den Finanz- und Ver­tei­di­gungs­mi­nis­terien und der CIA traf, sowie mit der ange­sie­delten Ent­wick­lungs­be­hörde USAID, Kern­mit­glied der Better Than Cash Alliance, und mit der gesamten Füh­rungs­spitze der Weltbank. (Absatz 19 Uhr ein­gefügt).

Die Geld­börse wird ein bisschen geöffnet

Auch wenn die USA den Sudan auf ihrer Ter­ror­liste behielten, bekam die neue Regierung finan­zielle Unter­stützung von den US-Alli­ierten Saudi Arabien und Ver­ei­nigte Ara­bische Emirate und, in Form des Familien-Unter­stüt­zungs­pro­gramms nun mög­li­cher­weise sogar von der Weltbank. Für die Regierung eines unter extremem Devi­sen­mangel lei­denden Landes sind knapp zwei Mil­li­arden pro Jahr im Rahmen dieses Pro­gramms viel Geld.

Die Regierung hat also allen Grund, brav mit­zu­spielen bei dem Groß­ex­pe­riment in Bevöl­ke­rungs­über­wa­chung und ‑kon­trolle, das Washington in dem Land ver­an­staltet. Nicht nur wegen des Geldes, sondern vor allem wegen der Aus­sicht, von der wirt­schaftlich ver­hee­renden Ter­ror­liste genommen zu werden, wenn das Expe­riment glückt und dazu bei­trägt, Auf­stän­di­schen den Rückhalt in der Bevöl­kerung zu nehmen, sie aus­findig zu machen und auf die eine oder andere Weise zu neutralisieren.

Wenn es gelingt, die Bevöl­kerung in den umkämpften länd­lichen Regionen, den Rück­zugs­orten und Ope­ra­ti­ons­basen der Auf­stän­di­schen, bio­me­trisch zu regis­trieren und mit einem Mobil­te­lefon als Über­wa­chungs­gerät ver­knüpfen zu lassen, kommt man auf dem Weg zu diesem Ziel ein großes Stück voran.

Man könnte dann zum Bei­spiel immer wenn man einen Rebellen iden­ti­fi­ziert hat, über­prüfen, mit wem er tele­fo­ni­schen Kontakt hatte und wer sich häu­figer in dessen Nähe auf­ge­halten hat. Man könnte dafür sorgen, dass bekannt wird, dass jedem, der mit Auf­stän­di­schen näheren Umgang pflegt, umstandslos die monat­liche Zahlung abge­stellt wird.

Teil eines glo­balen Plans namens uni­ver­selles Grundeinkommen

Dieses Feld­ex­pe­riment ist Teil eines viel grö­ßeren Pro­gramms der Welt­ver­bes­serung im Sinne der Silicon-Valley-Mil­li­ardäre und ihrer Mit­streiter in Washington und New York. Unter dem Namen Uni­versal Basic Income (Uni­ver­selles Grund­ein­kommen) pro­pa­gieren sie den Ver­zicht auf tra­di­tio­nelle Ent­wick­lungs­po­litik, die wenigstens vorgibt, Länder ent­wi­ckeln zu wollen.

Statt­dessen sollen direkte digitale Zah­lungen auf die Mobil­te­lefone der Ärmsten diese vor dem Ver­hungern bewahren und dafür sorgen dass sie bleiben, oder hin­gehen, wo man sie haben will.

Ein unter anderem vom Welt­wirt­schafts­forum und der Weltbank pro­te­giertes Projekt namens Give­Di­rectly aus dem Umfeld der Harvard Uni­ver­sität hat bereits einigen Erfolg dabei, Spenden wohl­mei­nender Men­schen, Gelder von soge­nannten Phil­an­thropen und von Regie­rungen und Inter­na­tio­nalen Orga­ni­sa­tionen umzu­lenken, weg von der bis­he­rigen Pro­jekt­hilfe, hin zu dieser neuen Hilfs­va­riante in Form von ver­ein­zelnden Almosen.

Die Unter­stützer von Give­Di­rectly über­schneiden sich stark mit denen der Kam­pagne zur Bar­geld­be­sei­tigung. Das ist kein Wunder, ergänzen sich die beiden Pro­jekte doch her­vor­ragend im Hin­blick auf das Ziel, alle Men­schen “ins System zu bringen” und so Über­wa­chung und Kon­trolle der Welt­be­völ­kerung zu verbessern.

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Quelle: norberthearing.de