Laut Gesetz soll der Bundestag 598 Mitglieder haben. Aber um Gesetze scheren sich die Politiker, wenn es sie selbst betrifft, schon lange nicht mehr.
Es waren die Grünen, die vor etlichen Legislaturperioden durchgesetzt haben, dass es für Überhangmandate, die entstehen, wenn eine Partei mehr Wahlkreise gewinnt, als ihr nach Prozentzahl zustehen, „Ausgleichsmandate“ gibt, welche das prozentuale Wahlergebnis wieder herstellen sollen. Statt die gesetzliche Anzahl der Abgeordneten als unverrückbar anzunehmen und es, wie im Europaparlament, mit einer feststehenden Abgeordnetenzahl der Berechnung zu überlassen, wer in das Hohe Haus einziehen kann, wurde der Bundestag von Legislaturperiode zu Legislaturperiode immer mehr aufgebläht.
Momentan gibt es 709 Abgeordnete, so viele, wie nie zuvor. Nach der nächsten Wahl könnten es gar über 800 werden. Die Bundestagsverwaltung soll schon den Kauf von Containern ins Auge gefasst haben, in denen dann Abgeordnetenbüros eingerichtet werden können.
Zwar hat der Bundestag vom Verfassungsgericht den Auftrag bekommen, die Zahl der Abgeordneten dauerhaft durch eine Wahlrechtsreform zu begrenzen, aber wie immer, wenn es um ihre Pfründe geht, lassen sich die Abgeordneten damit viel Zeit. Inzwischen steht die nächste Bundestagswahl vor der Tür, sodass eine Reform, sollte sie wider Erwarten noch zustande kommen, schon nicht mehr greifen würde.
Inzwischen ist wohl einigen Politikern klar geworden, dass mitten in der wirtschaftlichen Depression, die spätestens im Herbst spürbar werden wird, eine weitere Vergrößerung des ohnehin zweitgrößten Parlaments der Welt in der Öffentlichkeit nicht so gut ankommt. Deshalb wurde von der CSU ein „Kompromiss“ präsentiert, der vor allem eins demonstriert: Die Selbstbedienungsmentalität unserer politischen Klasse.
Er sieht eine einmalige Höchstgrenze von 699 Abgeordneten für die Bundestagswahl 2021 vor. Dabei soll ein Teil der Abgeordneten in den 299 Wahlkreisen gewählt werden, der andere Teil über 400 Listenmandate in den Bundestag einziehen. Sollten die Anzahl der gewählten Abgeordneten, zum Beispiel durch Überhangmandate, die Höchstgrenze von 699 Parlamentariern überschreiten, solle die Anzahl der Abgeordneten im Verhältnis der Fraktionen zueinander reduziert werden. Das heißt, die Aufblähung des Parlaments wird verstetigt, denn eine zahlenmäßige Reduzierung der Fraktionsstärken zueinander könnte auch mit der gesetzlich festgelegten Höchstgrenze von 598 Abgeordneten realisiert werden.
In einem zweiten Schritt sieht der Vorschlag der CSU vor, die Größe des Bundestages ab 2025 durch eine Kombination ausgleichsloser Übergangsmandate und einer Reduzierung der Zahl der Wahlkreise zu begrenzen.
Auf die Verringerung der Wahlkreise dringen vor allem die kleinen Parteien.
Die Fraktion der FDP hat gemeinsam mit Linken und Grünen schon vor mehr als fünf Monaten einen Gesetzentwurf zur Wahlrechtsreform vorgelegt, der dazu führen würde, dass alle Parteien im nächsten Bundestag weniger Abgeordnete hätten als heute. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Zahl der Wahlkreise von derzeit 299 auf 250 sinkt und gleichzeitig die gesetzliche Normzahl der Abgeordneten von 598 auf 630 steigt. Regierung und Opposition wollen also die dauerhafte Vergrößerung des Bundestages, sie sind sich nur noch nicht einig auf dem Weg dahin.
Nur eins steht fest: Es wird immer teurer. In der Rezession werden alle den Gürtel enger schnallen müssen, nur die Politiker nicht.
An dieser Stelle sein daran erinnert, dass etliche Regierungen sich in der Corona-Krise nach neuseeländischem Vorbild die Bezüge gekürzt haben. Nur die Deutsche Regierung tat nichts dergleichen, sondern genehmigte sich eine Erhöhung ihrer Besoldung. Kanzlerin Angela Merkel, die 15 Minister ihres Kabinetts sowie die 35 Parlamentarischen Staatssekretärinnen und ‑sekretäre bekommen seit dem 1. März mehr Geld:
“Auf der Grundlage des Bundesbesoldungs- und ‑versorgungsanpassungsgesetzes, das vom Deutschen Bundestag mit Zustimmung aller Fraktionen beschlossen wurde, sowie des Besoldungsstrukturenmodernisierungs-Gesetzes haben sich zum 1. März 2020 die monatlichen Amtsbezüge der Bundeskanzlerin um 308 Euro, der Bundesministerinnen und Bundesminister um 248,38 Euro und der Parlamentarischen Staatssekretärinnen und Parlamentarischen Staatssekretäre um 189 Euro erhöht”, heißt es in der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage des Linke-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch.
Diese Erhöhung ist fast unbemerkt geblieben, weil unsere unkritischen Medien sich darauf kapriziert haben, der Regierung alle unangenehmen Fragen zu ersparen. Wie lange lässt sich die Bevölkerung noch hinter die Fichte führen?
Vera Lengsfeld — Erstveröffentlichung auf dem Blog der Autorin www.vera-lengsfeld.de
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