In schöner Regelmäßigkeit fliegt immer wieder auf, wie tief die Industrie und die Großkonzerne in die Politik hineinregieren. Für die Medien eine schöne Gelegenheit, sich als die Ritter des Guten zu inszenieren, der Lobbyismus wird angeprangert, ein Empörungs-Stürmchen bricht los und ein paar Wochen später kräht kein Hahn mehr danach, „business as usual“. Das sollte sich jetzt endlich ändern. Starke Stimmen und Verbände forderten ein Lobbyregister. Doch die Kanzlerin, sonst immer sehr für offene Grenzen, mauert. Der jetzt veröffentlichte Entwurf ist nur ein Feigenblättchen und vermittelt den fatalen Eindruck, dass diese Geldquellen nicht gefährdet werden sollen.
Aufreger und jüngster Anlass, endlich mehr Transparenz in das Geschäft der Lobbyisten zu bringen, war der „Skandal Philipp Amthor“. Erst 27-jährig, aber mit dem Auftreten eines erfahrenen Mittfünzigers, galt er als DAS politische Jungtalent: Typ Wunsch-Schwiegersohn einer Fabrikantenfamilie, ehrgeizig, selbstsicher, stets makellos-superkonservativ gekleidet. Bis er ins Zwielicht von Lobbyismus und sogar Korruptionsverdacht geriet. Gerade in dem wichtigen Moment, als er für den Landesvorsitz der CDU in MeckVorpomm kandidierte, kochte die Sache hoch. Die Landesparteispitze spielte nicht mit, seine „Nebentätigkeiten“ waren zu brisant. Philipp Amthor zog seine Kandidatur zurück.
Philipp Amthor hat zumindest die Konsequenz gezogen und sich aus dem Spiel genommen. Aber Lobbyismus ist in der Politik quer durch die Parteien Gang und Gäbe. Andere Politiker überleben aber ihre Skandale unbeschadet. Umtriebige und zahlungskräftige Wirtschaftspartner sind willkommen: Rüstungsindustrie, Pharmaindustrie, Autoindustrie … Herr zu Guttenberg und Herr Minister Spahn sind nur zwei prominentere Politiker, deren Lobby-Hintergrund Stoff für Berichterstattung waren.
Lobbyismus ist etwas, das man niemals verhindern oder abstellen können wird. Die großen Konzerne sind mächtig, aber nicht unverwundbar. Politische Entscheidungen haben oft weitreichende Folgen. Die Themensparten der Medien haben nicht ohne Grund außer Sport und Feuilleton etc. die Abteilung „Politik & Wirtschaft“, weil man das nicht immer scharf trennen kann. Das Interesse der Wirtschaft auf die Politik Einfluss zu nehmen, ist daher groß – und nicht unberechtigt. Lobbyisten, die im Interesse der Wirtschaft Beziehungen in die Politik knüpfen, um Informationen zu bekommen und Einfluss im Sinne ihrer Auftraggeber zu erlangen, tun im Prinzip nichts Ungesetzliches. Schwierig wird es, wenn die politischen Kontakte zur Lobby geldwerte Vorteile für die Person des Politikers bringen – und wir sprechen hier nicht von einer Einladung zu einem Abendessen. Da ist die Grauzone in die Korruption hinein schnell überschritten.
Webseiten, wie Lobbycontrol, Abgeordnetenwatch, FragdenStaat und viele andere fordern hier schon seit Jahren mehr Transparenz und Kontrolle. Gemeinsam riefen sie das Projekt „Lobbyregister.org“ ins Leben. Bereits im Februar 2017 erarbeiteten sie einen Entwurf für ein verpflichtendes Lobbyregister und ein Bundeslobbygesetz (BlobbyG)), den man hier einsehen kann.
Lobbyregister.org schreibt:
„Immer noch vollzieht sich Lobbyismus in Deutschland weitgehend im Dunkeln. Bürgerinnen und Bürger wissen nicht, wie viele Lobbyisten in Berlin arbeiten und in wessen Auftrag und mit welchen Mitteln sie Interessen vertreten. Das wollen wir als LobbyControl und abgeordnetenwatch.de ändern!
Seit langem fordern wir ein verpflichtendes Register, in dem sich alle Lobbyisten eintragen und Angaben zu ihren Auftraggebern, ihren Zielen und ihrer Finanzierung machen müssen. Doch der Bundestag konnte sich bisher nicht dazu durchringen, ein solches Register einzuführen, wie es in vielen anderen Ländern bereits existiert. Immer wieder ist zu hören, dass das in Deutschland nicht gehe oder dass das freie Mandat der Abgeordneten dem im Weg stünde.
Das sehen wir anders. Ein verpflichtendes Lobbyregister ist auch in Deutschland möglich. Doch die Diskussion darüber ist verfahren, weil bisher kein konkreter Vorschlag zeigte, wie ein deutsches Lobbytransparenz-Gesetz aussehen kann.“
Gefordert wird in dem Entwurf ein verpflichtendes Lobbyregister. So ein Verzeichnis:
- gibt zweifelsfrei Auskunft über Auftraggeber und Finanzierung von Lobbyisten
- erschwert Versuche der verdeckten Einflussnahme massiv
- macht Lobbyeinflüsse auf Parlament und Regierung nachvollziehbarer und damit öffentlich diskutierbar
- legt klare Regeln und Standards für alle Lobbyisten fest.
Tatsächlich hatte die zähe Arbeit der Initiative Lobbyregister.org Erfolg. Die Politik sah sich gezwungen, einen Entwurf für ein solches Lobbyregister zu erarbeiten. Dass sie nicht den Vorschlag der Initiative übernahm, war natürlich von vorneherein klar. Doch der GroKo-Entwurf, der jetzt in Berlin auf dem Tisch liegt, scheint noch die bescheidensten Hoffnungen zu unterbieten. Abgeordnetenwatch schreibt:
„Die nächsten Wochen werden entscheidend. SPD und Union verhandeln über die konkrete Ausgestaltung eines Lobbyregisters. Klingt erstmal gut? Ja, aber die endgültige Ausgestaltung entscheidet auch über möglichen Erfolg oder Misserfolg eines Registers und ob sich ungezügelter Lobbyismus bändigen lässt. Nach allem, was bisher an Informationen nach außen gedrungen ist, droht eher die nutzlose Schmalspurvariante, bei der wesentliche Informationen einfach nicht erfasst werden sollen.“
In einem offenen Brief an die Regierungskoalition und die Abgeordneten legt die Initiative aus Abgeordnetenwatch, LobbyControl und fünf weiteren Organisationen ihre Erwartungen an ein Lobbyregister dar. Sie warnen vor verwässerten Regeln, wie sie schon jetzt im Entwurf zu sehen sind. Ein verpflichtender Lobbyregister soll es wohl sein, aber anscheinend sollen ausgerechnet die Lobby-Einflüsse auf die Bundesregierung nicht offengelegt werden. Der Bundeskanzler sowie die Ministerien sollen komplett ausgenommen sein. Genau diejenigen, wo der Einfluss der Lobbys am wichtigsten und der Einsatz an Mitteln am größten ist. Dieses halbherzige Papier soll nur für den Bundestag gelten, wo selbst die Abgeordneten nur über eine relativ begrenzte „Machtfülle“ verfügen. Die wirklich wichtigen Entscheidungen fallen täglich im Kanzleramt und in den Ministerien. Die großen Summen, wie wir auch bei Ex-Bundesverteidigungsministerin von der Leyen gesehen haben, werden von den Ministern vergeben, sogar an Unternehmen, wo der eigene Sohn in entscheidender Position sitzt. Die Staatssekretäre verfügen ebenfalls über große Geldsummen, die der Steuerzahler erarbeiten muss.
Aber Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel findet unverdrossen, dass die Koalitionsregierung „sehr transparent“ arbeite, beschied sie die Fragen der Journalisten auf einer Pressekonferenz am 28. August.
Ein Auszug aus der Pressekonferenz: Die Frage des Journalisten lautete:
„Frau Bundeskanzlerin, zu Wirecard: Sind die Erkenntnisse, die wir beziehungsweise die Sie in den letzten Wochen und Monaten über dieses Unternehmen gesammelt haben, ein Anlass für Sie, sich bei Auslandsreisen vorsichtiger beziehungsweise zurückhaltender für deutsche Unternehmen einzusetzen? Warum waren diese Erfahrungen nicht ein Anlass für Sie und Ihre Regierung, auch Ministerien und das Bundeskanzleramt in die Transparenzpflichten eines Lobbyregisters im Gesetzentwurf der Koalition einzubeziehen?“
Antwort Bundeskanzlerin:
„Ich glaube, dass wir durch das Informationsfreiheitsgesetz schon sehr verantwortlich sind oder eine rechtliche Grundlage dafür haben, sehr transparent zu arbeiten, sowohl in Richtung der Öffentlichkeit als aber auch durch das Instrument der Fragen, die ja in Form Kleiner und Großer Anfragen nicht unzahlreich jeden Tag auf uns einstürmen, also dass wir durch diese Instrumente als Regierung doch eine sehr hohe Transparenz an den Tag legen. Insofern haben wir dann ja auch auf die Anfragen bezüglich Wirecard hingewiesen.“
Das Informationsfreiheitsgesetz, demzufolge die Bürger Zugang zu den Akten der Bundesregierung gewährt werden muss, ist ein stumpfes Schwert und das weiß die Kanzlerin. Immer wieder stehen Journalisten und Bürgerinitiativen vor dem Problem, dass diese Akten nur nach langem Ringen einzusehen sind und dann oft nicht viel hergeben – oder das Kanzleramt lehnt die Einsicht in die Akten ab, weil zu dem angefragten Thema keine „einschlägigen oder relevanten Unterlagen“ vorliegen. Oder es zeigt sich, dass bestimmte Vorgänge „mangels Relevanz“ gar nicht in den Akten liegen.
Es ist ein Unding, dass gerade die Kanzlerin und die Minister davon ausgeschlossen bleiben sollen. Der Spiegel schreibt dazu:
„Wer es so wie Angela Merkel zulässt, dass Schindluder mit Bürgerrechten auf den Zugang zu Akten getrieben wird, für den ist das Informationsfreiheitsgesetz kein Instrument, um Transparenz herzustellen. Das IFG ist da in Wahrheit eher eine lästige Pflichtübung. Merkels Motto: Die Informationsfreiheit ist nervig genug. Verschont mich mit einem Lobbyregister.“
Überdies scheint es auch keine Offenlegung des Umfangs und des konkreten Zwecks der Lobbyarbeit dort geben zu sollen, wo das Lobbyregister gilt – und damit ist die ganze Sache praktisch wertlos.
„Zur Bewertung des Umfangs und der Hintergründe der Interessenvertretung gegenüber Bundestag, Ministerien und Bundesregierung sind bestimmte Angaben unerlässlich. Das sind Angaben zu den Auftraggebern und zur Finanzierung, zu den Ausgaben für Lobbyarbeit sowie zu den konkreten Aktivitäten, einschließlich der Angabe, mit welchen Stellen Kontakt aufgenommen wurde.“
Es genügt aber nicht, wenn im Dunkeln bleibt, worum es konkret bei der Lobbyarbeit geht, wer genau da eingebunden ist, zu welchem konkreten Ziel und welche Mittel in welchem Umfang eingesetzt werden. Es muss auch Kontrollen geben, ob das, was da angegeben wird, auch tatsächlich korrekt und aussagekräftig ist. Das beste Lobbyregister nützt nichts, wenn Verantwortliche nicht benannt werden, nebulöse, schön klingende Ziele und Zwecke angegeben werden, die nicht nachgeprüft werden und nicht einmal eine grobe Angabe zu den eingesetzten Geldern und deren Bestimmung vorliegt.
Der Normalbürger, der seine beruflichen Fahrten von der Steuer absetzen will, muss ein Fahrtenbuch führen, wo genau drinsteht, wann er wohin gefahren ist und warum. Dabei geht es hier um „Peanuts“ von Privatleuten, an deren genauen Aktivitäten kein großes Interesse besteht. Aber Lobbyisten und Politiker möchten ihre gemeinsamen Tätigkeiten nicht offenlegen. Daher fordert sie Initiative:
„Stellen Sie sicher, dass sämtliche professionell Lobbyarbeit betreibende Akteure registrierungspflichtig sind. Ob Verband, Unternehmen, NGO, Stiftung, Public Affairs-Agentur oder mit Lobbyarbeit beauftragte Anwaltskanzlei: Für alle müssen dieselben Regeln, Pflichten und Rechte gelten. (…) Pflichtverletzungen wie beispielsweise Falschangaben oder Verweigerung der Registrierung müssen Konsequenzen haben. Die registerführende Stelle braucht entsprechende Kompetenzen, um Pflichtverletzungen nachgehen und sanktionieren zu können. Dabei sollte sie institutionell unabhängig und parteipolitisch neutral sein. “
Als Letztes fordern die Organisationen noch, dass das Führen des Lobbyregisters gesetzlich verankert wird und nicht nur den Charakter eines freiwilligen Verhaltenskodex hat, á la „So sollte es sein, ist aber nicht verpflichtend und schon gar nicht durchsetzbar“.
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