Wir bekommen immer wieder gruselige Bilder von Plastikmüll in den Ozeanen und an den Stränden gezeigt. Die Natur kann Plastik kaum abbauen, der Müll nimmt überhand. Die Berge von Kunststoffverpackungen, die in praktisch jedem Haushalt anfallen, sind enorm. Die neue Verordnung zur Vermeidung von Einweg-Plastikmüll ist ein Schritt, der zu begrüßen ist. Allerdings betrifft sie nur bestimmte Verpackungen und Kunststoffartikel. Und es ist ein bisschen unübersichtlich. Hier einmal, was verboten ist und was nicht.
Die Bundesländer haben dabei aber nicht mehr getan, als die EU-Richtlinien abzunicken. Das Verbot betrifft Wattestäbchen im Volke auch „Ohrpopler“ genannt, Kunststoffbestecke, Plastikstrohhalme, die bunten Umrührstäbchen für Drinks, Luftballonstöcke aus Plastik und die Styroporbehälter und Getränkebecher aus Styropor, auch „To-Go-Lebensmittelbehälter“ genannt. Kurz: Behälter aus oxo-abbaubarem Kunststoff allgemein. Was das ist, wissen die Wenigsten, ich auch nicht, bevor ich über das Plastikverbot geschrieben habe. Aber, lieber Leser, ich hab‘s für Sie nachgeschlagen:
„Generell verboten sind Produkte aus sogenannten oxo-abbaubaren Kunststoffen. Diese Stoffe zerlegen sich nämlich nach ihrer Nutzung durch Oxidation zwar schnell in kleine Fragmente. Die kleineren Teilchen werden dann jedoch kaum weiter natürlich abgebaut.
Wald, Wiese, Feld, Fluss, Stadt, Parks und auch wir Menschen sind durch diese Kleinst- und Mikropartikel an Plastik schon jetzt durchseucht.“
Verstöße gegen diese Verordnung können – wie so vieles heute — mit einem Bußgeld bis zu 100.000 € geahndet werden. Wir bewegen uns mittlerweile durch‘s Leben, wie durch ein Minenfeld. Überall lauern die Tretminen für Verbotenes und ein falscher Schritt, Rumms! Explodiert der Bußgeld-Sprengsatz. Eine Wespe draußen getötet, zack! Bis zu 5.000 € Strafe – pro Stück! Zu nah zusammengestanden? Zack! Bußgeld. Maske nicht angehabt, wo vorgeschrieben? Zack! Gleich 150 € beim ersten Verstoß. Bis 25 km/h zu schnell im Ort? Zack! 80 €. Über 70 km/h zu schnell auf der Autobahn? Zack! 600 € und drei Monate Fahrverbot.
Man stelle sich vor: Ein Kindergeburtstag und 20 Kinder (so diese kleinen „Virenschleudern“ überhaupt in einer so obszönen Menge zusammenkommen dürfen) trinken ihren Kakao durch Plastikstrohhalme, weil die Geburtstagskind-Mami das noch nicht mitbekommen hat und noch eine große Packung daheim hatte? Katschinggg! Futsch ist das Eigenheim des Gastgebers.
Nun hatte aber der Wirtschafts- und der Umweltausschuss des Bundesrates schon im Vorfeld eine Verschärfung der Vorschriften über die EU-Richtlinie gefordert. Es sollen ALLE Salat‑, Sandwich‑, Burger- und Sushi-Verpackungen sowie Getränkebecher aus Kunststoff im To-Go-Segment untersagt werden. Das könnte sich der Bürger ja eher merken. Plastik geht generell nicht mehr. Was erwartungsgemäß sofort von den Verbänden der kunststoffverarbeitenden Industrie als vollkommen überzogen und unrealistisch abgelehnt wurde.
Die Verpackungs-Industrie warnt, wahrscheinlich zu Recht, dass dann sofort einfach diese verbotenen Verpackungen durch Papier-Plastikverbundstoffe ersetzt würden, die noch wesentlich schlechter recycelt werden können. So gut und richtig es ist, die Müllberge aus Plastik deutlich zu reduzieren, man darf eben nie blindwütig alles verbieten und sich dann wundern, wenn die betroffenen Industrien einfach diese Verbote geschickt unterlaufen und den Teufel mit dem Beelzebub austreiben.
Das deutet sich schon in einem Beitrag im Newsroom der Industrievereinigung Kunststoffverpackungen an:
„Die EU hat mit der SUP-Richtlinie ein viel zu komplexes Regelwerk geschaffen, zu dem noch keine endgültigen Leitlinien vorliegen. Daher sind viele Auslegungsfragen noch offen und ich befürchte, sie werden auch noch lange Anlass zu Rechtsunsicherheit und endlosen Streitigkeiten bieten. Ein Beispiel für Verpackungen, die nicht von der Verbotsverordnung betroffen sind, sind Portionsverpackungen für Fertiggerichte, die vor dem Verzehr noch erhitzt werden müssen. Ebenfalls nicht vom Verbot betroffen sind so genannte Multipacks, die mehre Portionen in einer Verkaufseinheit beinhalten.“
Vergeblich versucht sich die „IK Industrievereinigung Kunststoffverpackungen e.V.“ in Imagepflege. Schön retuschierte Himbeeren in einer Plastikschale vermitteln „Produktschutz ist Klimaschutz. Wird die Ware beschädigt, sind Energie und Rohstoffe für die Produktion umsonst verbraucht worden.“ Oder: „Nie waren To-Go-Verpackungen wichtiger als heute.“ Und es ist noch nicht alles verloren: „EPS-Styroporboxen für Frischfisch, Eis und Torten sind vom Verbot nicht betroffen.“ Hmmm … ist nun eine Sushibox, die auch frischen Fisch enthält verbotswidrig? Oder nur, wenn Reis drumrum ist um den frischen Fisch? Und Torten? Wenn ich bei McDonald‘s Café ein Stück Torte in Styroporverpackung mitnehme — ist das dann erlaubt oder einhunderttausend Euro Buße fällig?
Immerhin fordert der Bundesrat von der Regierung jetzt eine Prüfung zu der Frage ein, „in welchem Umfang eine teilweise Marktbeschränkung für weitere Einwegprodukte im Take-Away-Bereich verhältnismäßig und diskriminierungsfrei möglich ist“. Revolutionär. Man will jetzt wissen, ob ein Verbot VERHÄLTNISMÄßIG ist? Vorbildlich. Hätte man das nicht vielleicht auch mal machen können, bevor man das gesamte Land in einem Lockdown runterfährt und die Wirtschaft erwürgt? Warum geht das bei Plastikverpackungen und bei den Grundrechten der Bürger nicht?
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