dpa-Corona-Fak­ten­checker: Wer gesund ist, ist dennoch krank – Irrsinn mit System

Uns fehlen die dpa-Fak­ten­checker. Die dilet­tie­rende Art und Weise, in der sie sich an unseren Texten ver­sucht haben, hat uns erheb­lichen Anlass zur Hei­terkeit ver­schafft. Und wir haben diese Hei­terkeit auch immer wieder gerne mit unseren Lesern geteilt. Und dann haben die dpa-Wichtel, wie wir sie lie­bevoll genannt haben, ob ihrer Ver­suche, obschon intel­lek­tuell klein­wüchsig, in der Welt der Erwach­senen mit­zu­mi­schen, einfach die Lust an unseren Texten ver­loren.

Wirklich schade.

Und so gingen die Tage ins Land, wurden zu Wochen und Monaten und dann hat uns doch die Sehn­sucht ein­geholt, und wir haben aus Nost­algie die dpa-Fak­ten­checker-Seite auf­ge­rufen und das gefunden:

“Auch wer keine Sym­ptome hat, kann mit Corona infi­ziert sein und andere anstecken
16/04/2021, 11:33 AM (CEST)

Auf Facebook wird in unter­schied­licher Form immer wieder die Behauptung ver­breitet, wer keine Corona-Sym­ptome habe, sei gesund. Bei­spiels­weise in diesem Beitrag (hier archi­viert). Ist das nach einer Infektion mit dem Virus so richtig?

BEWERTUNG: Die Aussage «Ohne Sym­ptome ist man gesund» ist im Zusam­menhang mit einer Infektion mit dem Coro­na­virus generell falsch.

FAKTEN: Nur weil jemand keine Corona-Sym­ptome hat, heißt das nicht, dass die Person auch gesund ist. Vor allem in der frühen Infek­ti­ons­phase und oft auch vor dem Auf­treten von Sym­ptomen ist die Anste­ckungs­fä­higkeit am größten.

[…]

Laut Robert Koch-Institut (RKI) «steckt sich ein rele­vanter Anteil von Per­sonen bei infek­tiösen Per­sonen innerhalb von 1–2 Tagen vor deren Sym­ptom­beginn an».

Die dpa Wichtel nehmen mit diesem Text Anstoss an dem fol­genden, soll man es Beitrag nennen?, das wohl auf Facebook geteilt wird, obwohl Facebook explizit davor warnt, das zu teilen, was natürlich richtig ist, denn wer will schon Bürger, die eigen­ständig und unge­leitet von Regie­rungen und ihren Hel­fers­helfern denken…

Was da steht, so behaupten die “dpa-Fakten-Wichtel”, das sei nicht etwa nur falsch, nein es sei “generell falsch”. Und weil das noch nicht reicht, um sich zu dis­kre­di­tieren, legen die dpa-Wichtel das fol­gende nach:

FAKTEN: Nur weil jemand keine Corona-Sym­ptome hat, heißt das nicht, dass die Person auch gesund ist. Vor allem in der frühen Infek­ti­ons­phase und oft auch vor dem Auf­treten von Sym­ptomen ist die Anste­ckungs­fä­higkeit am größten.”

Gesundheit wird also nicht über Wohl­be­finden, Abwe­senheit von Erkrankung defi­niert, sondern über … nun ja, Gesundheit. Wer Gesund ist, der muss deshalb nicht gesund sein, denn auch, so steht es da, wer kei­nerlei Sym­ptome hat, wer sich gesund fühlt, der muss nicht gesund sein.

Was hat hier Rea­lität: Das, was ein indi­vi­du­eller Mensch über den Zustand seiner Gesundheit WEISS und ent­spre­chend angeben kann, oder das, was ein anderer, der diesen gesunden Men­schen sieht und dennoch für einen nicht gesunden Men­schen hält, behauptet?

In der Logik gibt es den Satz des aus­ge­schlos­senen Dritten. Etwas kann nicht es selbst oder sein Gegenteil sein. Auch wenn die dpa-Fakten-Wichtel diesen grund­le­genden Satz, der Men­schen daran hindert, in den Wahnsinn abzu­gleiten, außer Kraft setzen wollen, so gibt es dennoch nichts an der Tat­sache zu rütteln, dass jemand, der sich gesund fühlt und kei­nerlei Sym­ptome einer Erkrankung zeigt, gesund ist. Er mag in der Zukunft Sym­ptome zeigen, wenn er sich z.B. mit irgend etwas ange­steckt hat. Aber bis zum Auf­tauchen von Sym­ptomen, ist er GESUND. Insofern gibt es an dem, was die dpa-Wichtel bean­standen wollen, nichts zu bean­standen. Wenn jemand kei­nerlei Sym­ptome ent­wi­ckelt, dann ist er auch nicht krank, egal, was ein Test, der nie zur allei­nigen Dia­gnostik bestimmt war, an Ergebnis auswirft.

Wir haben schon lange den Ver­dacht, dass angeb­liche Fak­ten­checker eigentlich Teil eines groß­an­ge­legten Anschlags auf die Ver­nunft sind. Der dpa-Wichtel-Text von oben, bestätigt diesen Ver­dacht. Der Hin­ter­grund des pein­lichen Dilet­tierens der dpas ist natürlich die Behautung, dass SARS-CoV‑2 im prä-sym­pto­ma­ti­schen Stadium über­tragbar sei bzw. von asym­pto­ma­ti­schen Trägern über­tragen werden könne. Als Beleg für die Rich­tigkeit dieser Behauptung, die tat­sächlich aus zwei Behaup­tungen besteht, denn ein Träger von SARS-CoV‑2, der sich im prä-sym­pto­ma­ti­schen Stadium befindet, der ent­wi­ckelt Sym­ptome (sonst könnte er nicht im prä-sym­pto­ma­ti­schen Stadium sein), während ein asym­pto­ma­ti­scher Träger gerade KEINE Sym­ptome ent­wi­ckelt, ver­linken die Wichtel auf eine Seite des Robert-Koch-Instituts. Dort wird erklärt:

”Eine große Bedeutung haben die Über­tra­gungen von infek­tiösen Per­sonen, wenn sie bereits Krank­heits­zeichen (Sym­ptome) ent­wi­ckelt haben (73, 74). […] Darüber hinaus steckt sich ein rele­vanter Anteil von Per­sonen bei infek­tiösen Per­sonen innerhalb von 1–2 Tagen vor deren Sym­ptom­beginn an (73, 76). Wie groß dieser Anteil ist, kann nicht genau beziffert werden, da in vielen der Studien der „Sym­ptom­beginn“ nicht oder nicht gut defi­niert wurde. […] Schließlich gibt es ver­mutlich auch Anste­ckungen durch Per­sonen, die zwar infi­ziert und infektiös waren, aber gar nicht erkrankten (asym­pto­ma­tische Über­tragung). Diese Anste­ckungen spielen ver­mutlich jedoch eine unter­ge­ordnete Rolle (77).

Inter­es­santer Weise schließt das Robert-Koch-Institut asym­pto­ma­tische Träger als Anste­ckungsherd weit­gehend aus, behauptet gar, diese Leute seien gar nicht erkrankt, also GESUND. Das ist erfreulich, denn die Befunde, die zeigen, dass asym­pto­ma­tische Träger von SARS-CoV‑2 angeblich andere anzu­stecken in der Lage sind, stehen auf einer mehr als dürf­tigen Basis. Die wenigen Studien, deren Autoren belegt haben wollen, dass eine asym­pto­ma­tische Über­tragung möglich sei, basieren auf ins­gesamt 6, in Worten: SECHS asym­pto­ma­ti­schen Trägern, die SIEBEN Men­schen ange­steckt haben sollen. Sie sind die Daten­basis auf der die Behauptung, asym­pto­ma­tische Träger von SARS-CoV‑2 seien in der Lage, andere anzu­stecken, basiert. Zu behaupten, asym­pto­ma­tische Träger könnten SARS-CoV‑2 über­tragen, grenzt bei dieser Datenlage an Betrug.

Wer sich für die Studien im Ein­zelnen inter­es­siert, die nach­ge­wiesen haben wollen, dass asym­pto­ma­tische Träger SARS-CoV‑2 über­tragen können, wir haben sie hier zusam­men­ge­stellt und besprochen.

Schreiten wir voran zur “prä-sym­pto­ma­ti­schen Über­tragung”, von der das RKI schreibt: “Darüber hinaus steckt sich ein rele­vanter Anteil von Per­sonen bei infek­tiösen Per­sonen innerhalb von 1–2 Tagen vor deren Sym­ptom­beginn an (73, 76). Wie groß dieser Anteil ist, kann nicht genau beziffert werden, da in vielen der Studien der „Sym­ptom­beginn“ nicht oder nicht gut defi­niert wurde.”

Dass es ein “rele­vanter Anteil” ist, scheint den Helden beim RKI irgendwie klar zu sein, obwohl sie selbst sagen, dass nicht bestimmt werden kann, “wie groß dieser Anteil”, also wie groß der “rele­vante Anteil” ist. Wir haben somit eine Beleglage, die es nicht ermög­licht, einen Anteil zu bestimmen, die es aber ermög­lichen soll, die Bewertung des unbe­kannten Anteils als “relevant” vor­zu­nehmen. Wir wissen nicht, wie hoch der Anteil der Zweit­stimmen ist, der auf die CDU ent­fallen ist, aber wir wissen, dass es ein rele­vanter Anteil ist und dass deshalb  Söder Bun­des­kanzler wird. Offen­kundig hat beim RKI niemand damit gerechnet, dass der Blödsinn, der dort zusam­men­ge­schrieben wurde, gelesen wird. Aber nun, da die dpa-Wichtel aus­ge­rechnet auf diesen Blödsinn ver­linken, wurde er gelesen. Von uns.

Das RKI bezieht sich mit seiner Behauptung, dass prä-sym­pto­ma­tische Infektion möglich sei, auf zwei Studien.
Die erste Studie:

He X, Lau EHY, Wu P, Deng X, Wang J, Hao X, et al. Tem­poral dynamics in viral shedding and trans­mis­si­bility of COVID-19. Nature medicine. 2020;26(5):672–5.

Diese Studie ist voll­kommen unge­eignet, um prä-sym­pto­ma­tische Ver­breitung von SARS-CoV‑2 zu belegen, denn sie basiert auf Daten von 94 Pati­enten, die bereits Sym­ptome zeigen und deshalb in ein Kran­kenhaus in Guangzhou ein­ge­wiesen wurden:

“Among 94 patients with labo­ratory-con­firmed COVID-19 admitted to Guangzhou Eighth People’s Hos­pital, 47/94 (50%) were male, the median age was 47 years and 61/93 (66%) were moderately ill (with fever and/or respi­ratory sym­ptoms and radio­graphic evi­dence of pneu­monia), but none were clas­sified as ‘severe’ or ‘cri­tical’ on hos­pital admission”

Für diese 94 Pati­enten bestimmen die Autoren zu unter­schied­lichen Zeit­punkten, maximal für 21 Tage, die virale Ladung und sind damit in der Lage, den cha­rak­te­ris­ti­schen Verlauf einer Infektion, hohe virale Ladung zu Beginn von Sym­ptomen, die schnell absinkt, nach­zu­zeichnen. Dass Pati­enten auch prä-sym­pto­ma­tisch SARS-CoV‑2 ver­breiten können, ist in der Studie von He nicht geprüft worden, sondern das Ergebnis einer Simu­la­ti­ons­rechnung, die u.a. auf der fol­genden Prä­misse basiert:

“We con­sidered that infected cases would become infec­tious at a certain time point before or after illness onset (tS1). Infectiousness—that is, trans­mission pro­ba­bility to a secondary case—would then increase until rea­ching its peak…”

Wenn man eine Simu­lation auf der Annahme aufbaut, dass SARS-CoV-2-Infi­zierte bevor sie Sym­ptome zeigen, das Virus ver­breiten können, dann wird man im Ergebnis der Simu­lation, deren Ziel darin besteht, die Häu­figkeit von Infek­tionen zu bestimmen, einen Wert gene­rieren, der den Anteil der Infi­zierten, die von einem prä-Sym­pto­ma­ti­schen infi­ziert wurden, angibt. Indes ist die Bestä­tigung der eigenen Annahme kein Beleg dafür, dass die Annahme richtig ist, lediglich ein Beleg dafür, dass die Simu­lation das Ergebnis pro­du­ziert, das man in den Annahmen vor­weg­ge­nommen hat. Die Studie ist unbrauchbar, um eine Über­tragung von SARS-CoV‑2 durch prä-sym­pto­ma­tische Per­sonen zu belegen.

Bleibt Studie 2:

Ganyani T, Kremer C, Chen D, Torneri A, Faes C, Wal­linga J, et al. Esti­mating the gene­ration interval for coro­na­virus disease (COVID-19) based on symptom onset data, March 2020. Euro­sur­veil­lance. 2020;25(17).

Die Studie basiert auf 135 Per­sonen, für die eine Infektion mit SARS-CoV‑2 belegt ist. Ob diese Per­sonen an COVID-19 erkrankt sind, geht aus der Stu­di­en­be­schreibung nicht hervor. Für diese 135 Per­sonen aus Sin­gapur stehen teil­weise Kon­takt­daten zur Ver­fügung, da, wo sie nicht zur Ver­fügung standen, haben die Autoren der Studie einfach mit eigenen Annahmen nachgeholfen:

“As at 27 February, 135 con­firmed cases had been reported by the Tianjin Muni­cipal Health Com­mission. Data on these cases were available in official daily reports (http://www.tjbd.gov.cn/zjbd/gsgg/, last accessed 27 February) and included age, sex, rela­ti­onship to other known cases, and travel history to risk areas in and outside Hubei Pro­vince, China. In these data, 114 cases can be traced to one of 16 clusters. The largest cluster con­sisting of 45 cases could be traced to a shopping mall in Baodi dis­trict of Tianjin. Through contact inves­ti­ga­tions, potential trans­mission links were iden­tified for cases who had close contacts. Travel history infor­mation was used to identify some indi­vi­duals as imported cases. For cases with no infector infor­mation available, it was assumed that they could have been infected by any other case within the same cluster.”

Wie man beim Lesen dieser Infor­ma­tionen sieht, findet sich kein Datum dazu, ob ein Infi­zierter prä-sym­pto­ma­tisch oder sym­pto­ma­tisch war, als er mit anderen in Kontakt gekommen, sie ver­meintlich ange­steckt hat. Auch in der Studie von Ganyani et al. (2020) wird die prä-sym­pto­ma­tische Infektion als Annahme in ein Simu­la­ti­ons­modell gesteckt und – als Ergebnis – gibt dieses Simu­la­ti­ons­modell natürlich einen Anteil von prä-sym­pto­ma­ti­schen Infi­zierern aus. Wenn man vor­her­be­stimmt dass Münzen geworfen und nicht gewürfelt wird, dann gibt es nur zwei Aus­gänge, nicht sechs.

 

Auch diese Studie hat nicht belegt, dass eine prä-sym­pto­ma­tische Über­tragung von SARS-CoV‑2 möglich ist, sondern ange­nommen, dass dies möglich ist und auf Basis dieser Annahme einen Anteil, der von 48% bis 77% reicht, (eine solche Spann­weite ist an sich schon ein Indiz für Junk) berechnet. Das ist nicht ver­wun­derlich, denn diesen Anteil zu bestimmen, das war die Aufgabe der Berechnung. Dadurch, dass man auf Basis einer Annahme einen Anteil bestimmen kann, ist jedoch NICHT belegt, dass die Annahme richtig ist. Wie so oft in der Wis­sen­schaft werden Annahmen aus anderen Studien über­nommen, in denen sie auch bereits Annahmen und kein Beleg waren und am Ende kommen dann die ganz Klugen, die behaupten, die Annahme sei gar keine Annahme sondern Gewissheit.

Das RKI sagt also, dass asym­pto­ma­tische Über­tragung von SARS-CoV‑2 kaum eine Rolle spielt und bezieht sich bei prä-sym­pto­ma­ti­scher Über­tragung auf zwei Studien, die diese prä-sym­pto­ma­tische Über­tragung nicht zeigen, sondern vor­aus­setzen. Das ist kein Beleg für prä-sym­pto­ma­tische Über­tragung sondern Humbug. Ergo können die dpa-Fak­ten­checker mit dem Verweis auf das RKI nicht belegen, dass jemand, der gesund ist, weil er keine Sym­ptome zeigt, dennoch “nicht gesund” sein kann, wie die Wichtel dichten, weil er nämlich, gesund oder nicht gesund, SARS-CoV‑2 ver­breiten kann, asym­pto­ma­tisch oder prä-sym­pto­ma­tisch. Beides ist nicht belegt. Weder ist asym­pto­ma­tische Ver­breitung von SARS-CoV‑2 belegt noch prä-sym­pto­ma­tische Ver­breitung. Alles ist Annahme und Ver­mutung. Man bemerkt bei solchen Ver­suchen der Wichtel, dass sie wis­sen­schafts­fremd sind, keine Ahnung davon haben, wie Wis­sen­schaft funktioniert.

Dass aus­ge­rechnet sie die Wis­sen­schaft gegen Fake News ver­tei­digen sollen, hat eine humo­reske Note, es ist, als wollte man einen Nicht­schwimmer als Lebens­retter an einem Bade­strand einsetzen.


Quelle: sciencefiles.org